Besondere Atmosphäre
Benediktbeuern: Ein Kloster für die Jugend
Ein heftiges Unwetter hat im August im Kloster Benediktbeuern schwere Schäden verursacht. Inzwischen können in einigen Gebäuden wieder Gruppen und Schulklassen empfangen werden. Die Arbeit für und mit jungen Menschen an diesem besonderen Ort geht weiter.
veröffentlicht am 16.11.2023
Normalerweise bevölkern täglich Hunderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die barocke Klosteranlage in Benediktbeuern. In der ehemaligen Benediktinerabtei im bayerischen Voralpenland, die seit 1930 von den Salesianern Don Boscos genutzt wird, sind unter anderem eine Jugendbildungsstätte, eine Jugendherberge, ein Zentrum für Umwelt und Kultur sowie eine Hochschule angesiedelt. Rund 20.000 Kinder und Jugendliche pro Jahr nehmen an Bildungsveranstaltungen oder sozialen Projekten teil.
In diesem Oktober sieht hier alles etwas anders aus. Das Kloster ist nicht nur von jungen Menschen, sondern auch von Handwerkern und Baulärm geprägt. Arbeiter in Warnwesten und Schutzhelmen sind auf dem Gelände im Einsatz. Bagger rumpeln über die Wege, Kranwagen fahren surrend ihre Arme aus. Die Basilika und weitere Gebäude sind für Besucher gesperrt, die Wege zu den zugänglichen Orten mit Bauzäunen gesichert. Ein verheerendes Unwetter hatte Ende August die Gemeinde und das Kloster Benediktbeuern verwüstet und enorme Schäden angerichtet. Hunderte Fenster und mehrere Hektar Dachflächen in der Klosteranlage wurden zerstört. Wasser drang in die Gebäude ein. Bäume wurden entwurzelt. Menschen kamen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.
Pforten wieder geöffnet
Mit vereinten Kräften setzten in den folgenden Wochen Ordensleute, Mitarbeitende und zahlreiche Helferinnen und Helfer, darunter viele junge Menschen, alles daran, die Gebäude zu sichern und wieder nutzbar zu machen. Bereits Ende September konnte das Kloster seine Pforten wieder für die Jugendarbeit öffnen. In eingeschränktem Betrieb und unter Beachtung aller Sicherheitsvorgaben sind seitdem in der Jugendbildungsstätte Aktionszentrum (AZ) und in der Jugendherberge wieder Schulklassen und Gruppen untergebracht. Im Naturlehrgebiet im Moor und außerhalb des Maierhofs finden Bildungsangebote und Veranstaltungen des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) statt. Die Studierenden konnten wie geplant ins neue Semester starten.
„Im Innenhof treffen alle aufeinander“, lacht Religionspädagogin Anna Fellner, die die Studierendenbegleitung auf dem Campus verantwortet. „Da kommen die Schulklassen, die Studis, die Dozierenden, die Salesianer – das ist schön!“ Im Moment sei es wegen der vielen Zäune etwas eng im Hof, aber egal, so komme man sich näher. Die 26-Jährige, die selbst in Benediktbeuern studiert hat, schätzt die bunte Mischung an Angeboten, die der Orden im Kloster zur Verfügung stellt. Fellners Aufgabe ist es, eine Anlaufstelle für die Studierenden zu bieten. Ob Probleme beim Studium oder private Sorgen – sie hört zu, unterstützt und ermutigt. Um mit den jungen Menschen in Kontakt zu kommen, zieht sie regelmäßig mit einem Leiterwagen mit Kaffee über das Gelände.
Offener Raum für Schulklassen
Am Feuerplatz vor der Jugendherberge hat sich eine Gruppe Jugendlicher auf den Holzbänken niedergelassen. Etwa ein Dutzend Mountainbikes stehen am Eingang aufgereiht. Im Foyer lehnen lässig ein paar Jungs über den Billardtischen und lassen die Kugeln klacken. Die etwa 170 Betten des Hauses sind belegt. Auch einzelne Gruppen aus dem ZUK, das noch keine Gäste aufnehmen kann, sind übergangsweise in der Jugendherberge untergebracht. „Wir versuchen, den Jugendlichen hier ein Zuhause auf Zeit zu geben“, erklärt Leiter Björn Koalick. Dazu gehöre es, die Jugendlichen ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Eine besondere Stärke sei die Familiarität, die in der Einrichtung gelebt werde – mit allem, was dazugehört. „Familie heißt: Wenn alles super läuft, ist es gut. Ich werde sozusagen in den Arm genommen und fühle mich wohl. Wenn ich aber Mist baue, genauso“, so Koalick. Das Konzept kommt an. Viele Lehrkräfte sind immer wieder mit ihren Klassen im Haus. Ehemalige Volontäre, die in der Jugendherberge ihren Dienst geleistet haben, engagieren sich noch Jahre später für die Einrichtung, zum Beispiel bei den Einführungstagen für die neuen Freiwilligen.
Ähnliche Erfahrungen macht auch Daniela Schoubye, die als Bildungsreferentin im AZ Tage der Orientierung, Firmlingskurse oder Mediatorenschulungen durchführt. Auch sie hört immer wieder, wie sehr die Teilnehmenden die besondere Atmosphäre in der Einrichtung und im gesamten Kloster schätzen. „Die außerschulische Jugendbildung ist das A und O, um junge Menschen in ihrer Persönlichkeitswerdung ganzheitlich zu begleiten. Das funktioniert nur, wenn wir auch mal aus dem Klassenzimmer rausgehen und einen Raum eröffnen.“ Weil Schule sehr auf Leistung ausgerichtet sei, sei es wichtig, jungen Menschen zu zeigen, dass auch andere Werte zählten, so Schoubye. „Zudem eröffnen wir Räume, um sich mit spirituellen Dingen auseinanderzusetzen. Was glaube ich eigentlich? Wo strebe ich hin? Was ist mir wichtig? Was gibt mir Kraft?“
Rüstzeug fürs Leben mitgeben
„In der Schule redet eigentlich immer nur der Lehrer und wir hören zu und müssen es aufnehmen“, meint eine 15-Jährige, die mit ihrer Realschulklasse Tage der Orientierung im AZ verbringt. Das Programm sei interessant und stärke die Klassengemeinschaft, lobt die Zehntklässlerin. „Man merkt wirklich in sich selber, dass sich etwas verändert.“ Auch die vielen Freizeitmöglichkeiten wie Volleyball, Kicker, Kletterwand oder auch Bastelarbeiten gefallen der Schülerin. Ihre Lehrerin Stefanie Schruff, die seit Jahren mit ihren Abschlussklassen ins AZ kommt, betont vor allem die entspannte Atmosphäre im Haus. „Man erlebt die Kinder noch mal ganz anders als in der Schule“, sagt sie. Die Jugendlichen seien gesprächiger als im Unterricht. „Auch die Stillen erzählen plötzlich etwas.“ Es sei eine schöne Erfahrung und mache ihr Spaß, das mit den Kindern zu erleben.
Mit einer besonderen Gruppe wird Luca Putzirer zu tun haben. Der Sozialpädagoge ist Referent für Umweltbildung im ZUK und startet Anfang kommenden Jahres ein Projekt für straffällig gewordene Jugendliche und junge Erwachsene. Vier Monate lang kommen die Teilnehmer, die durch richterlichen Beschluss zur Teilnahme an dem Projekt angewiesen wurden, regelmäßig zu Gruppenveranstaltungen und Einzelgesprächen zusammen. Ein Schwerpunkt sind handwerkliche Einsätze, zum Beispiel zur Renaturierung von Moorflächen, als eine Art Sühne für ihr Fehlverhalten und einen bewussten Dienst an der Gemeinschaft. „Damit Menschen sich entwickeln können, brauchen sie einen sicheren Raum. Einen Raum, an dem sie das Gefühl haben, angenommen zu werden, so wie sie sind“, erklärt Putzirer. Diesen Raum will das Projekt den jungen Menschen bieten. Sie lernen dort, mit ihren Mustern umzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Am Ende sollen die Teilnehmer selbstbewusst, gestärkt und mit neuen Perspektiven aus dem Projekt herausgehen.
„Das ganze Leben ist eine Baustelle“
Im Arkadenhof tummeln sich Studierende auf den Bänken. Von draußen ertönt lautes Hämmern und Bohren. „Das ganze Leben ist eine Baustelle“, sagt Franz Wasensteiner, der seit Mitte August das Kloster leitet, mit Blick auf die Arbeiten zur Beseitigung der Unwetterfolgen. So wie Gerüste den Bauarbeitern Sicherheit geben oder eine Rüstung Personen schützt, wollen die Salesianer Don Boscos jungen Menschen im Kloster Benediktbeuern das Rüstzeug fürs Leben mitgeben. „Das gelingt seit einigen Wochen wieder“, so Wasensteiner. „Das Kloster ist und bleibt ein Ort für die Jugend.“
Das Kloster Benediktbeuern und seine angeschlossenen Einrichtungen Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK), Aktionszentrum (AZ) und Don Bosco Jugendherberge bieten vielfältige Angebote für junge Menschen. Rund 20.000 Kinder und Jugendliche jährlich nehmen an Bildungsveranstaltungen oder sozialen Projekten teil. Zudem ist die mehr als 1.250 Jahre alte ehemalige Benediktinerabtei, die seit 1930 von den Salesianern Don Boscos genutzt wird, einer der touristischen Anziehungspunkte in der Region und ein weithin bekanntes geistliches Zentrum.