Schülerheim

Ein Zuhause auf Zeit bei Don Bosco in Fulpmes

Seit 100 Jahren besteht das Schülerheim Don Bosco in Fulpmes in Tirol. Es ist ein Ort des Austauschs und des Lernens – aber nicht nur das. Ein Ortstermin zum runden Jubiläum.
  • Christopher Erben

veröffentlicht am 29.03.2021

Dienstag. Sieben Uhr in der Früh. Viele Tische im Speisesaal des Don Bosco Schülerheims im südlich von Innsbruck gelegenen Fulpmes sind besetzt. Besteck und Teller klappern. Es riecht nach Kaffee und frischen Semmeln. Vereinzelt sind Gespräche zu hören. Bald werden sich die ersten Schüler zu Fuß auf den Weg zur Höheren Technischen Bundeslehranstalt (HTL) am südlichen Ortsrand aufmachen. Unter ihnen sind auch Lukas und Paul. „Für mich ist das Schülerheim wie ein zweites Zuhause“, strahlt Lukas, der den Kaffee austrinkt und sich seinen Rucksack umhängt. Paul ergänzt: „Immer von Sonntagabend bis Freitagmittag.“

Im Jahr 1921 wurde die Niederlassung der Salesianer Don Boscos in Fulpmes gegründet. Sie übernahmen das leer stehende Hotel Stubai und eröffneten darin ein Internat für die Schüler der „Fachschule für Eisen- und Stahlarbeiter“, aus der Jahre später die HTL für Maschinenbau hervorging. Für mehr als 3.600 Schüler und Schülerinnen im Alter von 14 bis 19 Jahren war das Schülerheim bisher ein „Zuhause auf Zeit“, wie Pater Peter Rinderer sagt, der das Schülerheim seit Sommer 2019 als Direktor leitet. Wer das Haus betritt, sieht gleich links neben dem Eingang sein Büro. Die Tür steht bei ihm fast immer offen. Damit will er ein bewusstes Zeichen setzen und Bewohnern wie Mitarbeitern signalisieren, dass sie bei ihm willkommen sind. Viele Jugendliche kommen vorbei und plaudern mit ihm. „Bei ihm gibt es immer auch ein Stück Schokolade“, erzählt Lukas.

Lernbegleitung ist „Erfolgsrezept“

Ein intensiver Vormittag liegt hinter den Schülern. Hungrig kehren sie von der HTL ins Heim zurück. Nicht nur zum Frühstück sehen sich alle Bewohnerinnen und Bewohner – auch zu den anderen Mahlzeiten treffen sie im großen, hellen Speisesaal im Erdgeschoss aufeinander, tauschen sich aus, berichten von ihren Erlebnissen. Im Speisesaal hört man oft einen lauten Lacher. „Ich mag das Essen im Haus“, schwärmt Paul, als er ein Stück vom Schnitzel auf seinem Teller abschneidet. „Für mich ist immer etwas Passendes dabei.“

Egal, ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen – seit neun Jahren sorgen Walter Göglburger und sein Team für das kulinarische Wohl der Jugendlichen. Hausmannskost sowie internationale Gerichte bereiten sie in der großen Küche für ihre jungen Gäste zu. Für jeden Geschmack soll etwas Passendes dabei sein, erklärt Göglburger. Frische Zutaten und hohe Qualität seien für ihn unverzichtbare Bestandteile.

Nicht nur die Essenszeiten sind ein Fixpunkt im Tagesablauf der Schülerinnen und Schüler – auch die Studierzeiten in der Früh und am Abend. Dabei werden sie von erfahrenen Pädagogen unterstützt. „Unser Ziel ist es, die Jugendlichen in einem wichtigen Abschnitt ihres Lebens zu begleiten, damit sie zu einer reifen Persönlichkeit heranwachsen“, sagt Florian Pohl, der selbst die HTL in Fulpmes absolviert hat und dessen Herz seit über 20 Jahren für das Haus und seine Bewohner schlägt. Heute leitet der ausgebildete Sozialpädagoge den pädagogischen Bereich im Schülerheim. „Die Lernbetreuung ist einfach spitze“, findet Paul, der vor einem aufgeklappten Laptop sitzt. Dank dieser Unterstützung kann der 17-Jährige das Wochenende daheim bei seiner Familie genießen und sich vom Schulalltag erholen, was ihm sehr wichtig ist. Er sei außerdem ein guter Schüler, erzählt Paul, der einmal pro Woche Jüngeren mit Nachhilfe unter die Arme greift.

Seelsorge als Bereicherung

Qualifizierte Lernbegleitung ist für Florian Pohl ein „Erfolgsrezept“ des Hauses und ein Grund für viele Eltern, ihre Kinder nach Fulpmes zu geben. „Ich kann ihnen durch meine langjährige Erfahrung in allen Gegenständen gut weiterhelfen“, erzählt er im Gespräch. Komplexe Inhalte zu erfassen und zu verstehen, sei das Wichtigste beim Lernen. Jeden Tag arbeitet Pohl mit mehr als 40 Jugendlichen. Dabei versucht er, sie nicht nur zu unterstützen, sondern auch zu motivieren. Eine hohe Erfolgsrate und niedrige Abbrecherquoten geben ihm recht. Zusätzlich zu den 165 Heimbewohnern, darunter zwei Mädchen, kommen 25 Jugendliche aus der Umgebung abends ins Schülerheim, „da sie die gute Lernbetreuung bei uns schätzen“, freut sich Pater Rinderer.

Für den Direktor ist die seelsorgerische Betreuung ein wichtiger Bestandteil des Schülerheimalltags. Immer donnerstags lädt der gebürtige Vorarlberger zu einem Schülergottesdienst in die Kapelle des Hauses ein. Religiöse Feiern seien hier kein Muss, sondern ein Angebot, das von vielen Schülern geschätzt wird, erzählt er. Sie sollen ein Moment zum Innehalten sein und auch den Zusammenhalt fördern. Beliebte Fixpunkte im Jahr sind eine Fackelwanderung in der Fastenzeit und eine Dankwallfahrt zum Schulschluss. Doch nicht nur im Haus, sondern auch außerhalb sind die Patres unterwegs: Sie feiern mit Gläubigen aus der Umgebung, im Seelsorgeraum und im Dekanat Gottesdienste und sind auch als Seelsorger für sie erreichbar.

Pädagogen wie Florian Pohl lernen nicht nur mit den Schülern und Schülerinnen, sondern sind auch neutrale Ansprechpersonen in allen Lebenslagen. „Wie war der Tag? Was steht morgen bei dir an?“ Bei einer Gute NachtRunde klopft Florian Pohl an jeder Zimmertür im Stockwerk an und fragt nach. Oft ergibt sich mit den Jugendlichen ein kurzer Austausch, erzählt Florian Pohl: „Mir geht es darum, jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind, und ich will sie mit Rat unterstützen.“ Ein großes Vorbild für den erfahrenen Pädagogen ist der Jugendheilige und Ordensgründer Don Bosco, da auch er für junge Menschen da war und immer ein offenes Ohr für sie hatte. Zumindest einer aus dem pädagogischen Team ist auch in der Nacht in Bereitschaft.

Fitnesstraining, Musik, Fußball oder Kultur

Nie zu kurz kommen die Freizeitaktivitäten im Schülerheim: Sei es der Fitnessraum, der Musikraum im Keller oder der Fußballplatz vor dem Haus, wo sich die Jugendlichen nach einem anstrengenden Schul- und Lerntag richtig auspowern können. In der kalten Jahreszeit spielen sie im Mehrzwecksaal. Hier treten beim alljährlichen Don Bosco Fest auch verschiedene Künstler auf, wie zum Beispiel ein Bauchredner, der die Jugendlichen sehr faszinierte.

Viele Freundschaften hätten Lukas und Paul geknüpft, erzählen sie und blicken bereits mit etwas Wehmut auf die vergangenen Jahre zurück, die ihrem Empfinden nach zu schnell vergangen sind. Sie hoffen, dass die Freundschaften über den HTL- und Fachschulabschluss hinaus erhalten bleiben. Paul ist überzeugt: „Die Zeit hier wird mir bestimmt lange in Erinnerung bleiben.“

Don Bosco in Fulpmes – Vom Grand Hotel zum Schülerheim

Das 1904 vom österreichischen Bauunternehmer und Bauingenieur Josef Riehl errichtete „Grand Hotel Stubai“ in Fulpmes war weit über die Grenzen des Landes bekannt. 1921 übernahmen die Salesianer Don Boscos das ehemalige Hotel und richteten ein Haus für Lehrlinge und Metallfachschüler und eine Privatschule für Spätberufene für das Priesteramt ein. Anfang der 1970er Jahre wurde das in die Jahre gekommene Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Eine Generalsanierung erfolgte im Jahr 2010. Von den 270 Schülern der Höheren Technischen Bundeslehranstalt (HTL) werden rund 190 heute im Schülerheim Don Bosco betreut.


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