Eltern-Kind-Beziehung

Grenzen setzen

Den eigenen Kindern Grenzen zu setzen, fällt Müttern und Vätern oft nicht leicht. Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber weiß, warum das Grenzensetzen eine wichtige Erziehungsaufgabe ist, und hat Tipps, wie's funktioniert.

veröffentlicht am 19.07.2023

Es ist ein typischer Morgen. Eine Mutter kommt leicht abgehetzt mit ihrer Tochter in den Kindergarten, das Ziel: Schnell in die Garderobe, Schuhe weg, Hausschuhe dran, ein Abschiedskuss und dann zum Bahnhof und in die Arbeit. Heute ist mal wieder alles knapp.

Doch was ist das? Die Tochter, die sonst begeistert in die Gruppe stürmt, will heute nicht: „Nein, ich geh nicht!“ Ausgerechnet heute, das hat gerade noch gefehlt. Es scheint offensichtlich, dass die Tochter weder Abschiedsschmerz noch irgendein anderes ernstes Anliegen hat. Sie hat einfach keine Lust, so wie wir Erwachsenen auch manchmal einfach keine Lust haben, Dinge zu tun.

Nach ein wenig Hin und Her, während der Uhrzeiger unerbittlich tickt und das Verpassen der zweiten S-Bahn immer wahrscheinlicher wird, fällt der entscheidende Satz: „Wenn du jetzt aufhörst, kauf ich dir später etwas, was du möchtest!“ Das Versprechen wirkt wie ein Zauberspruch: Die Tochter ist im Gruppenraum und winkt.

Welche Grenzen sind angemessen?

Situationen wie diese kennen Eltern nur zu gut, nicht nur im Kindergarten. Ähnliche Szenen lassen sich auch beim Einkaufen oder zu Hause beobachten. Klar, man müsste teilweise einfach Grenzen setzen. Aber warum machen wir das immer wieder nicht?

Grenzen setzen ist eine wichtige Aufgabe für Eltern, doch oft fällt es ihnen schwer, diese konsequent zu etablieren. Die Gründe dafür sind vielfältig. So spielt oft die Angst vor der Reaktion des Kindes eine Rolle. Eltern möchten ihre Kinder glücklich sehen und fürchten, dass das Setzen von Grenzen zu Konflikten und Unzufriedenheit führen könnte. Sie wollen ihre Kinder nicht enttäuschen oder verärgern und scheuen daher vor klaren Regeln zurück.

Ein weiterer Grund ist Unsicherheit. Eltern sind sich oft nicht sicher, welche Grenzen angemessen sind und wie sie diese vermitteln sollen. Sie wollen weder zu streng noch zu nachsichtig erscheinen und sind manchmal überfordert damit, die richtige Balance zu finden. Zudem kann es sein, dass Eltern selbst in ihrer eigenen Kindheit keine klaren Grenzen erfahren haben und deshalb unsicher sind, wie sie diese nun bei ihren eigenen Kindern setzen sollen.

Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen

Obwohl es Eltern schwerfällt, Grenzen zu setzen, ist es für Kinder äußerst wichtig, klare Regeln und Grenzen zu haben. Grenzen geben Kindern Sicherheit und Orientierung in einer komplexen Welt. Sie helfen ihnen, Strukturen zu verstehen und ihre eigenen Verhaltensweisen zu regulieren. Kinder lernen durch Grenzen, was akzeptabel ist und was nicht, und entwickeln soziale Kompetenzen.

Wenn Grenzen nicht gesetzt werden, kann dies negative Auswirkungen auf das Kind haben. Kinder können sich unsicher und verloren fühlen, wenn sie keine klaren Anhaltspunkte haben, wie sie sich verhalten sollen. Ohne Grenzen fehlt ihnen auch die Möglichkeit, Konsequenzen für ihr Handeln zu erleben und daraus zu lernen. Kinder können Schwierigkeiten haben, Verantwortung zu übernehmen und ihre Impulse zu kontrollieren.

Dabei muss das Grenzensetzen nicht bedeuten, dass Eltern autoritär oder kontrollierend sein müssen. Grenzen können auf liebevolle und respektvolle Weise gesetzt werden, in denen die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes berücksichtigt werden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit und Grenzen ermöglicht es Kindern, ihre Individualität zu entfalten, während sie gleichzeitig lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.

Geduld, Konsequenz und liebevoller Umgang

Machen Sie sich bewusst, dass das Setzen von Grenzen eine wichtige Erziehungsaufgabe ist. Es erfordert Geduld, Konsequenz und einen liebevollen Umgang. Klare Regeln und Grenzen geben Kindern Sicherheit, helfen ihnen bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und bereiten sie darauf vor, verantwortungsbewusste Erwachsene zu werden. Indem Eltern ihre Ängste und Unsicherheiten überwinden und aktiv Grenzen setzen, geben sie ihren Kindern ein wertvolles Geschenk für ihre Zukunft.

Trauen Sie sich, das konsequente Grenzensetzen einfach mal anders zu sehen, nämlich als wichtiges Geschenk! Klar, die ersten Male können sehr aufreibend sein, schließlich ist eine liebevoll gesetzte Grenze für viele Kinder etwas völlig Neues. Aber Sie werden sehen, dass dies ihrer guten Beziehung keinen Abbruch tut, sondern diese sogar noch festigt!


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