Heilige Schrift

Mit Kindern die Bibel lesen und erleben

Kinder lieben es, biblische Geschichten mit allen Sinnen zu erfahren, weiß Erzieher und Theologe Christian Huber. Er hat einige Anregungen zusammengestellt. Und beschreibt, warum es sich überhaupt lohnt, sich mit den alten Texten zu befassen.

veröffentlicht am 19.09.2021

Erinnern Sie sich auch an veranschaulichte Geschichten aus der Bibel im Erstkommunion-, Firm-, Konfirmations- oder Religionsunterricht? Wie erstaunt waren wir, wenn Moses mit seinem Stab das Wasser geteilt hat. Und zugleich waren wir ein wenig betroffen, wenn all die „Bösen“, die hinterherkamen, vom Meer verschlungen wurden, inklusive der unschuldigen Pferde. Nicht weniger begeistert waren wir von Jesus, der einen Kranken heilte, der durchs Dach in ein Haus herabgelassen wurde.

Möglicherweise haben Sie auch noch im Gedächtnis, wie die Geschichten dargestellt wurden. Vielleicht mit Bildern aus der Kinderbibel auf dem guten alten Overheadprojektor? Vielleicht auch mit Hilfe von Figuren und Tüchern im Rahmen einer Legearbeit auf dem Boden? Es gibt zahlreiche Methoden, mit deren Hilfe sich biblische und auch andere Geschichten wunderbar veranschaulichen lassen. Hierbei darf natürlich der Religionspädagoge Franz Kett nicht unerwähnt bleiben, der durch seine Materialien und methodischen Ansätze Generationen von Kindern religionspädagogisch geprägt hat und weiterhin prägt.

Es geht nicht um wissenschaftliche Abhandlungen, sondern um etwas Größeres

Aber warum überhaupt biblische Geschichten? Und weshalb sollte man sich die Arbeit machen, sie zu veranschaulichen?

Immer wieder hört man: Biblische Geschichten sind, wenn sie überhaupt jemals passiert sind, über 2000 Jahre alt, sie haben mit uns und unserer Zeit nichts mehr zu tun, deshalb macht es auch wenig Sinn, sie zu betrachten und sich näher mit ihnen auseinanderzusetzen – schon gar nicht für Kinder. Ich widerspreche hier gerne. Selbstverständlich war niemand von uns zu Gast auf der Hochzeit zu Kana, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt haben soll. Und nur noch wenige Menschen bestreiten, dass sich die Erde über einen längeren Zeitraum als sechs bzw. sieben Tage entwickelt hat. Ebenso unbestritten ist aber, dass sich die Menschen, seit sie existieren, fragen, woher sie kommen, was ihre Aufgabe ist und besonders, wohin sie anschließend gehen.

Weder das Alte noch das Neue Testament erheben den Anspruch, naturwissenschaftliche Abhandlungen festzuhalten. Es geht um etwas viel Größeres. Die Menschen, die an den biblischen Schriften beteiligt waren, versuchten ihr Leben und das der nachfolgenden Generationen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Nur zwei stark verkürzte Beispiele: Wenn Gott hinter den Israeliten das Wasser über den Ägyptern zusammenfallen lässt, dann tut er das nicht, weil er ein rachsüchtiges Monster ist, sondern weil klar sein soll: Gott steht auf der Seite der Unterdrückten und leidet in seiner menschlichen Ausfaltung mit ihnen. Wenn wir hören, dass Gott die Erde in sieben Tagen erschaffen hat, dann soll uns das sagen: Wir sind kein Zufall, weder wir Menschen, noch unser Ökosystem, sondern alles hatte seinen Anfang im Willen und in der Liebe Gottes.

Welche Geräusche und welche Gerüche waren zu vernehmen?

Dies bringt mich zur Beantwortung der zweiten Frage. Warum veranschaulichen wir biblische Geschichten so häufig? Weil sie etwas Besonderes, etwas Anderes sind. Biblische Geschichten stammen, da können wohl fast alle Menschen zustimmen, aus einer anderen Gesellschaft und einer ganz anderen Zeit. Gerade für Kinder ist es daher wichtig, dies so gut wir möglich auszumalen und plastisch zu vermitteln. Wenn Jesus am Palmsonntag in Jerusalem einzieht, dann sieht das anders aus als zöge er heutzutage in Berlin ein. Die Stadt war um einiges kleiner, es gab viel weniger Menschen, die Straßen waren unbefestigt und staubig, die Häuser waren aus Lehm. Welche Geräusche mag man gehört haben? Welche Gerüche waren wohl zu vernehmen? In welcher Stimmung waren die Menschen aufgrund der politischen Umstände? Warum war es völlig normal, sich beim Betreten eines Hauses die Füße zu waschen? Es gibt unendlich viele Umstände, die erklärt werden können und so die Geschichten lebendiger werden lassen. Darüber hinaus ist die Bibel für Gläubige etwas Heiliges, und dementsprechend ist es sehr gut nachvollziehbar, warum man ihre Inhalte anders behandelt als andere Erzählungen. In meinen Augen gehört es übrigens zur religionspädagogischen Arbeit dazu, den Kindern Ehrfurcht vor dem Heiligen näherzubringen. Dabei meine ich Ehrfurcht überhaupt nicht bedrückend oder negativ, sondern ganz im Gegenteil: Wenn wir alle das, was Menschen heilig ist, respektvoll behandeln würden, hätten wir weitaus weniger Konflikte.

Einige praktische Anregungen:

  • Ein goldenes Tuch, auf das man die Bibel in der Mitte des Stuhlkreis oder daheim auf einem Tisch legen lässt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Wenn wir beim Hören von biblischen Geschichten eine Kerze entzünden, unterstreicht das den besonderen Charakter.
  • Auch für die Darstellung der biblischen Geschichten gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Die farbigen Tücher, mit denen man Landschaften, Häuser, Mauern oder auch Menschen darstellen kann, sind eine noch immer aktuelle Methode. Sie regt die Phantasie der Kinder an und ermöglicht es, dass jedes einzelne Kind die Geschichte mit den eigenen Bildern verbinden kann.
  • Figuren, Steine, Muscheln, Edelsteine und vieles mehr, fast alles, was man sich vorstellt, kann eingesetzt werden, wenn es darum geht, ein Bodenbild zu legen.
  • Ebenso denkbar ist mit denselben Materialien ein Tischtheater, wo die Geschehnisse mit Hilfe der Figuren nachgespielt werden können.
  • Vor allem mit Kindern kurz vor der Einschulung ist eine weitere Möglichkeit, die Stimmung, die möglicherweise vorherrscht, oder auch andere vorkommende Geräusche mit Hilfe von Orff-Instrumenten nachzuempfinden.
  • Eine andere Methode, die ich für diese Altersgruppe besonders mag, ist der Perspektivenwechsel. „Stell dir vor, du wärst in der Nähe gewesen und hättest vom Straßenrand alles beobachtet! Dann kommst du nach Hause (oder wohin auch immer) und erzählst alles deiner Mutter, deinem Freund etc. Was sagst du?“ Es überrascht mich oft, wie emotional die Kinder erzählen, wie sehr sie im Geschehen mitzugehen scheinen.
  • Mit Kleingruppen lässt sich die Methode des Bibliodrama umsetzen. Die Kinder schlüpfen in die Rolle vorkommender Charaktere und spielen die Geschichte mit ihrem eigenen Körper nach, je nach Kinderanzahl mehrmals. Anschließend wird gemeinsam reflektiert. Wie fühlt es sich an, ausgegrenzt oder ausgelacht zu werden? Was wünscht man sich in solch einer Situation? Hat sich das Gefühl verändert, als „Jesus“ kam und man berührt wurde, und wenn ja, inwiefern? Dass hier nebenbei soziale Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Empathie und Ausdrucksfähigkeit gefördert werden, liegt auf der Hand.

Das Gehörte vom Kopf ins Innere wandern lassen

Am Ende jeder Methode sollten die Kinder die Möglichkeit haben, ihre Eindrücke einzubringen, das Gehörte vom Kopf in ihr Inneres wandern zu lassen. Durch das Malen der Geschichte, durch das Mitteilen der eigenen Eindrücke und Verbindungen, vielleicht auch von Wünschen, oder durch das gemeinsame Formulieren eines Gebets. Als Leiter eines solchen Angebots oder als Eltern stellt man sich diesen Schritt manchmal schwierig vor, oftmals wird man allerdings überrascht von der Offenheit und Spontanität der Kinder, die gar kein Problem damit haben, ihr Innerstes zu teilen und mitzuteilen.

Lassen Sie sich ein auf eine Reise in eine andere Welt und geben sie den biblischen Geschichten die Chance, Sie davon zu überzeugen, dass sie an Aktualität in keiner Weise verloren haben. Sie spielen noch immer eine wichtige Rolle, weil durch sie immer wieder ein kleiner Teil vom Wesen Gottes für uns Menschen erkennbar werden kann.


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