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Alleine zufrieden: Warum es Kindern guttut, auch mal für sich zu sein

Dauerprogramm für die Kleinen – das muss nicht sein! Kinder beschäftigen sich immer wieder gerne selbst. Warum diese Erfahrung gut und wichtig ist und wie Eltern ihre Söhne und Töchter dabei unterstützen können.

veröffentlicht am 12.01.2024

„Papa, spielst du mit mir?“ – Alle Eltern kennen Fragen wie diese. Wir haben uns gerade aufs Sofa gesetzt, um einmal durchzuatmen nach dem Aufräumen, dem Sortieren der Wäsche oder nachdem wir gerade aus der Arbeit gekommen sind. Und schon steht das Kind vor uns und will unsere Aufmerksamkeit. „Ich bin müde, kannst du nicht allein spielen“, denken wir dann vielleicht oder sprechen es sogar aus.

Womöglich kommt es uns sogar so vor, als hätten unsere Kinder es verlernt, sich auch einmal alleine zu beschäftigen. Oder sie schaffen es nur, wenn sie vor einem Bildschirm sitzen. „Viele Kinder wissen nicht mehr, wie gespielt wird“, weiß Diplom-Pädagogin und Autorin Margit Franz. Sie berät seit vielen Jahren als Fachreferentin pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und hat selbst lange als Erzieherin und Kita-Leiterin gearbeitet. „Diese Kinder haben schon früh gelernt, dass sie immer von Erwachsenen bespielt und bespaßt werden“, sagt sie.

Zur Ruhe finden

Eltern meinen es gut, wenn sie sich ständig als Spielpartner anbieten oder Treffen und Angebote wie Sport oder Klavierunterricht organisieren. Doch brauchen die Kinder auch Rückzugsräume. Nur so können sie die Welt auf eigene Faust entdecken und zur Ruhe kommen. Das geschieht oft von ganz allein, wenn wir ihnen Gelegenheit dazu lassen. „Zu erkennen und zu respektieren, wenn das Kind ganz bei sich ist, ist wichtig“, betont Margit Franz. „Solche Momente gibt es wirklich viele im Alltag.“ Wir müssen unseren Kindern nicht immer Angebote machen. Auch Langeweile ist okay – im Zweifel auch gemeinsam mit den Eltern. „Davor muss man keine Angst haben“, sagt die Pädagogin. „Aus Langeweile entstehen oft neue Ideen.“

Ihre Erfahrungen übertragen die Kinder später häufig auch auf Arbeits- und Lernsituationen. „Wenn sie gewohnt sind, dass ein Erwachsener sie immer begleitet, brauchen die Kinder später wahrscheinlich auch einen erwachsenen Hausaufgabenbegleiter am Schreibtisch, weil sie es so gelernt haben“, erklärt Franz. Auch deshalb sei es wichtig, „dass ein Kind auch im Spiel zur Ruhe findet und seine Aufmerksamkeit auf eine Sache fokussieren kann.“

Dazu empfiehlt die Expertin auch dem Alter angemessenes Spielzeug. So seien zum Beispiel für Kinder im Krippenalten einfache Holzbausteine wesentlich besser geeignet als Klemmbausteine aus Kunststoff. „Mit Klemmbausteinen hat man zwar einen schnellen Erfolg“, erklärt sie, „aber was die Kinder nicht lernen, ist das Konstruieren“. Nicht nur statische Aspekte wie Kippmomente und Balance, auch Ausdauer und Frustrationstoleranz fördert das Spiel mit Holzbausteinen. Auch zu viel Spielzeug sei ein Problem. „Das überfordert die Kinder oft“, sagt Franz.

Alleine, ohne sich einsam zu fühlen

Dass Kinder häufig die Nähe ihrer Eltern suchen, bedeutet nicht automatisch, dass sie auch direkt mit ihnen spielen möchten. Oft genügt es, wenn sie im gleichen Raum sind und gelegentlich Blickkontakt suchen können. „Die Kinder suchen natürlich die Nähe der Erwachsenen, aber dennoch können sie ihr eigenes Ding machen“, sagt Franz. „Mein Sohn hätte nie im Kinderzimmer gespielt“, erinnert sie sich. Deshalb habe sie zum Beispiel seine Puppenküche zur Küche der Erwachsenen gestellt. „Wenn ich dann gekocht habe, dann hat er in seiner Puppenküche herumgewurstelt.“

Dabei sei es wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann wir als Eltern auf die Kinder zugehen und wann wir sie besser in Ruhe allein spielen lassen, stellt Franz klar. Meist machen sich die Kinder von sich aus bemerkbar, wenn sie unsere Unterstützung brauchen. „Wenn das Kind weint oder unzufrieden ist, dann gehe ich natürlich hin, um herauszufinden, was los ist“, sagt die Expertin. Es kommt darauf an, eine gute Balance zu finden. „Natürlich gibt es auch Zeiten, in denen die Kinder uns in ein Spiel verwickeln.“ Gerade am Anfang seien die Eltern die wichtigsten Spielpartner, hebt sie hervor.

„Für Menschen ist es von großer Bedeutung, dass sie gut allein sein können, ohne sich einsam zu fühlen, dass sie aber auch gut zusammen sein können“, betont Margit Franz. „Beides ist gleichermaßen wichtig im Leben.“

5 Tipps zum Alleinespielen

  1. Alleine spielen heißt nicht, getrennt von Mama oder Papa im Kinderzimmer zu sein. Besonders jüngere Kinder wollen in der Nähe der Eltern sein, auch wenn sie für sich spielen. Lassen Sie das zu.
  2. Zu viel Auswahl bei den Spielsachen kann überfordern. Grenzen Sie das verfügbare Spielzeug etwas ein und achten Sie darauf, dass es für das Alter Ihres Kindes angemessen ist.
  3. Wenn Ihr Kind alleine spielt und damit zufrieden ist, stören Sie es nicht. Es wird sich melden, wenn es Sie braucht.
  4. Langeweile gehört dazu. Aus ihr erwachsen oft die besten Spielideen. Lassen Sie Langeweile bewusst zu, ohne Ihr Kind abzuweisen. Im Zweifel können Sie sich auch gemeinsam langweilen.
  5. Das Alleinespielen sollte kein Mittel zum Zweck sein. Seien Sie sich bewusst, dass auch das gemeinsame Spielen wichtig ist und suchen Sie nach der richtigen Balance für Ihr Kind und sich selbst.

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