Mit dem Unvorstellbaren leben

Impulse für Eltern von Sternenkindern

Der frühe Verlust eines Kindes vor, bei oder direkt nach der Geburt ist ein schockierendes Erlebnis. Die Münchener Hebamme und Trauerbegleiterin Berit Friedrichsohn hat sechs Empfehlungen für Familien zusammengefasst.

veröffentlicht am 16.11.2023

1. Vaginale Geburt oder Kaiserschnitt

Wenn das eigene Kind noch im Mutterleib stirbt, besteht im ersten Moment nicht selten der Wunsch nach einem Kaiserschnitt und so dem sofortigen Ende der Schwangerschaft. Ärzte und Hebammen empfehlen hingegen meist eine vaginale Geburt. Das ist nicht nur für den Körper sinnvoll, sondern auch eine wichtige Erfahrung mit Ihrem Kind. Das berichten auch viele Eltern im Nachgang. Sie müssen diese Entscheidung nicht sofort treffen. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, denn aus medizinischer Sicht besteht in der Regel kein Grund zur Eile.

2. Zeit mit dem Kind

Direkt nach der Geburt und auch in den folgenden Tagen haben Sie die Möglichkeit, Ihr Kind zu sehen. Nutzen Sie diese Chance, sprechen Sie es mit seinem Namen an, berühren und betrachten Sie es. Sie können auch eigene Kleidung mitbringen, das Kind anziehen und auch einmal wickeln. Wenn sie bereits Kinder haben, müssen Sie auch keine Angst davor haben, ihnen ihr Geschwisterchen vorzustellen. Kinder können sehr unbefangen mit dieser Situation umgehen.

3. Erinnerungen und Rituale

Neben der gemeinsamen Zeit mit Ihrem Kind können auch Erinnerungsstücke wie nach der Geburt gemachte Fußabdrücke, Fotos oder durch die Geschwister bemalte Steine wichtig für die eigene Erinnerung sein. Über die Stiftung Dein-Sternenkind (www.dein-sternenkind.eu) können Sie auch kurzfristig und komplett kostenlos eine professionelle Fotografin oder einen Fotografen anfragen, die oder der in der Klinik Bilder von Ihrem Kind und Ihrer gemeinsamen Zeit macht. Ihnen ist selbst überlassen, ob sie die Erinnerungsstücke immer sichtbar haben oder nur von Zeit zu Zeit herausholen möchten. Vielleicht möchten Sie auch Rituale schaffen, wie den gemeinsamen Besuch des Grabes am Geburtstag Ihres Kindes.

4. Trauern auf Ihre Art

Ihre Art, zu trauern, ist richtig, egal, was andere denken oder machen. Und das gilt genauso für Ihren Partner oder Ihre Partnerin. Einige ziehen sich zurück, andere möchten Freunde um sich haben und wieder andere brauchen einen vorübergehenden Ortswechsel. Achten Sie auf Ihre Bedürfnisse und sprechen Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin darüber. Nur so können Sie einander verstehen.

5. Austausch und professionelle Hilfe

Sternenkindergruppen, Seelsorger, Psychologen – es gibt viele Orte, an denen Sie mit anderen Betroffenen oder speziell geschulten Experten darüber sprechen können, was Sie erlebt haben und was Sie bewegt. Auch eine Nachbesprechung mit den Hebammen und Ärzten der Klinik ist möglich. Zu jedem Zeitpunkt dürfen Sie sich Hilfe holen, egal, ob schon vor der Geburt oder Jahre später. Das gilt auch für Großeltern und Geschwister, die das Erlebte aufarbeiten möchten.

6. Unterstützung durch eine Hebamme

Auch bei einer stillen Geburt haben Sie Anspruch auf die Betreuung durch eine Hebamme – und das nicht nur vor und während der Geburt, sondern auch im Wochenbett. Die Kosten trägt in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kranken- bzw. Grundversicherung, in Österreich aber leider erst ab einem Geburtsgewicht von 500 Gramm. Die Hebamme unterstützt sie sowohl zu Themen wie Rückbildung, Geburtsverletzungen oder Milcheinschuss als auch bei der Trauerarbeit.
 
 

Portrait Berit Friedrichsohn

Berit Friedrichsohn (27) arbeitet seit 2018 als Hebamme und Trauerbegleiterin in München. Neben ihrer Arbeit in der Schwangerschaft, im Kreißsaal und im Wochenbett liegt ihr Fokus auf der Begleitung von Familien, deren Kind im Laufe der Schwangerschaft oder nach der Geburt verstirbt.



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