Scheidung

Wie Kinder es erleben, wenn ihre Eltern sich trennen

Wenn Eltern sich trennen, ist der Schmerz der Kinder meistens groß. Wie sehr sie unter der Situation leiden, hängt stark vom Verlauf der Trennung ab. Wir haben mit zwei getrennten Paaren gesprochen. Und zeigen, welche Betreuungsmodelle in Frage kommen.

veröffentlicht am 28.02.2021

Es war ein sonniger Frühlingsmorgen vor fünf Jahren, als Mathildas kleine Welt zusammenbrach. „Wir saßen beim Frühstück und dann haben meine Eltern mir gesagt, dass sie sich trennen werden.“ Für die damals Siebenjährige ist es ein Schock. „Ich habe geweint und geschrien, dass ich niemals wieder glücklich werde“, erinnert sie sich und streicht eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. „Ich werde ihr Gesicht nie vergessen“, sagt ihre Mutter Ann-Kathrin und schaut bewegt zu ihrer Tochter. „Mathildas Vater meinte später, dass er in diesem Augenblick am liebsten alles rückgängig gemacht hätte.“

Rund 122.000 Scheidungskinder zählte die Statistik im Jahr 2019 in Deutschland. In Österreich waren im selben Jahr rund 18.500 Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Kinder wie Mathilda, deren Eltern nie verheiratet waren, nicht mitgerechnet. Für sie alle ist der seelische Schmerz durch die Trennung der Eltern groß. Manche Kinder ziehen sich zurück, andere reagieren offen feindselig oder sind ängstlich und verunsichert. (Mit Trennung und Scheidung umgehen – Tipps von Erzieher Christian Huber) Wie stark die Belastung ist, hängt vom Alter der Kinder ab, von ihrer Persönlichkeit und vor allem vom Verlauf der Trennung. „Eltern können einiges tun, damit die Familie die Krise besser bewältigt“, sagt Trennungscoach Christina Rinkl (Trennung als Herausforderung und Chance – Interview mit Christina Rinkl).

Trennungsgespräch gut vorbereiten

Vor allem das erste Trennungsgespräch ist bedeutsam und wird, wie bei Mathilda und ihren Eltern, im Gedächtnis bleiben. „Deshalb ist es wichtig, sich gut darauf vorzubereiten“, so Rinkl. Ann-Kathrin und ihr Lebensgefährte Walter haben das gemacht. „Wir sind Erzieher und kannten einen Kinderpsychologen, bei dem sich Walter vorher Tipps geholt hat.“ Ganz bewusst haben beide das Gespräch in einer hellen, entspannten Atmosphäre gesucht und sich darüber abgestimmt, wie und was sie ihrer Tochter sagen wollen. Trotz aller Vorbereitung hat sie Mathildas Schmerz voll erwischt.

„Wir dachten, dass sie vielleicht vorher schon mitbekommen hätte, dass wir uns nicht mehr so gut verstehen, aber sie hat nichts geahnt. Gott sei Dank, ließ sie sich aber von uns trösten“, sagt Ann-Kathrin erleichtert. Nachdem sich der Schrecken etwas gelegt hat, beginnt Mathilda Fragen zu stellen. „Sie wollte wissen, wo sie wohnen wird, ob der Papa traurig ist, wenn sie nicht bei ihm ist und wie sie künftig ihren Geburtstag feiert“, sagt Ann-Kathrin und findet die Klarheit ihrer Tochter heute noch bemerkenswert. Auch Mathilda erinnert sich gut an diese Zeit: „In den ersten Wochen lag ich oft abends im Bett und habe gefragt, wie das wohl alles so werden wird.“

Antworten bekommt sie von beiden Eltern, denn die Familie bleibt zunächst in der gemeinsamen Wohnung. Erst als Walter eine Beziehung mit einer guten Freundin der Familie eingeht, wird Ann-Kathrin klar, dass sich alle etwas Eigenes suchen müssen. Um ihrer Tochter nicht noch mehr Veränderungen zuzumuten, beschließen die Eltern, in der Nähe zu bleiben. „Mathilda sollte auf jeden Fall in ihrer Grundschule und bei ihren Freunden bleiben.“ Für Ann-Kathrin und ihre Tochter beginnt ein neues Leben in einer kleinen Altbauwohnung. Walter lebt nun 20 Autominuten entfernt.

Was tun, wenn ein Partner die Trennung nicht akzeptiert? 

Ann-Kathrin ist dankbar über die einvernehmliche Trennung. „Wir waren vor unserer Beziehung gute Freunde und sind es auch heute. Wir konnten immer gut miteinander reden“, sagt die Erzieherin froh. Das erleichtert den Wechsel von der Paar- zur Elternebene sehr. Bis heute laufen Absprachen reibungslos. Zum Beispiel, wenn es um den Unterhalt geht: „Ich habe am Anfang gesagt, wie viel wir brauchen. Seitdem läuft der Dauerauftrag.“ Ein klares Betreuungskonzept hat die Familie nicht, denn Walter hat 24-Stunden-Schichten im Kinderheim und unregelmäßige Arbeitszeiten. Trotzdem sieht er seine Tochter, wann immer es möglich ist.

Eine harmonische Trennung ist leider nicht die Regel. Häufig möchte ein Partner an der Beziehung festhalten, dann spielen Trauer, Wut und verletzte Gefühle in die Trennung hinein. Maria* (Namen von der Redaktion geändert) aus Bonn hat das so erlebt. „Lizzy* war zwei Jahre alt, als ich mich von ihrem Vater getrennt habe. Ich hatte lange versucht, die Beziehung zu retten, aber irgendwann haben wir nur noch gestritten.“ Lizzys Vater verweigert sich, will seine Tochter nicht nehmen. „Er dachte, wenn sie immer bei mir ist, kann ich niemand Neuen kennenlernen“, sagt Maria kopfschüttelnd. Auch mit dem Unterhalt gibt es Schwierigkeiten. Erst als sie sich Hilfe beim Jugendamt sucht und er die Trennung akzeptiert, wird es besser.

Dass ihr Ex-Partner den Konflikt auf dem Rücken der gemeinsamen Tochter führte, ist für Maria unverständlich. „Wir wollten Lizzy, und wir bleiben ihre Eltern – für immer. Man darf seine Kränkungen nicht am Kind auslassen“, stellt die schlanke junge Frau klar. Sie ist froh, dass ihre Tochter in der Anfangszeit noch klein war. „Sie hat damals nicht viel davon mitbekommen. Erst später kamen Fragen und der Wunsch, dass wir wieder zusammenkommen“, sagt Maria nachdenklich. Eine Hoffnung, die viele Kinder nach der Trennung ihrer Eltern in sich tragen.

„Ich fühle mich eher wie zu Besuch als wirklich zu Hause“

Jedes zweite Wochenende verbringt die lebhafte Lizzy bei ihrem Vater und seiner jetzigen Frau. Das Verhältnis zur Stiefmutter ist schwierig. „Ich bin nicht gerne dort, sitze dann meistens in meinem Zimmer. Ich habe keine Freunde da und fühle mich eher wie zu Besuch als wirklich zu Hause“, sagt die Neunjährige und man spürt, dass sie sich etwas anderes wünscht. Von ihrem Vater hat sie sich durch die Situation innerlich entfernt. Einer der Gründe, warum sich viele getrennte Eltern mittlerweile etwa anderes wünschen, als das klassische Residenzmodell.

Eine Alternative stellt das Wechselmodell, auch Doppelrresidenzmodell genannt, dar, bei dem die Kinder zu gleichen Teilen bei Vater und Mutter wohnen. Etwa fünf Prozent aller Trennungsfamilien leben so. Das Wechselmodell passt zu Eltern, die sich immer schon gemeinsam um die Erziehung gekümmert haben, ihre Arbeitszeiten anpassen können und gut miteinander auskommen. Voraussetzung ist auch, dass beide in der Nähe von Kindergarten, Schule und Freizeitstätten leben, so dass die Kinder an beiden Orten ihrem gewohnten Alltag nachgehen können. „Allerdings ist das Modell nicht für alle Kinder geeignet“, sagt Trennungscoach Christina Rinkl. „Manche finden es auch anstrengend, ständig wechseln zu müssen.“

Eine relativ neue Betreuungsform, die den Kindern das regelmäßige Umziehen erspart, ist das Nestmodell. Dabei gibt es eine Familienwohnung, in der die Kinder leben. Die Eltern wechseln sich wochenweise mit der Betreuung ab. Für die Kinder liegt der große Vorteil darin, dass vieles so bleibt, wie es ist, fast so, als wären Mama oder Papa nur auf Dienstreise. Zugleich hat das Modell jedoch einige Tücken. In der Regel brauchen beide Elternteile eine eigene Wohnung, so dass auf Dauer drei Haushalte zu finanzieren sind. Zudem ist die Präsenz des anderen in der Familienwohnung deutlich spürbar. Neue Partner und deren Kinder müssen das System unterstützen.

Neue Liebe, neue Familie

Fünf Jahre nach der Trennung sind Ann-Kathrin und Mathilda Teil einer funktionierenden Patchwork-Familie. Ann-Kathrin hat geheiratet, mit ihrem neuen Mann Timo ein Haus gebaut und zwei weitere Töchter bekommen. Mathilda fühlt sich in der neuen Lebenssituation wohl. Walter lebt mit seiner Partnerin und ihrer Tochter etwa eine Dreiviertelstunde entfernt. Mathilda und er sehen sich regelmäßig. Ein Zimmer hat die Zwölfjährige bei ihrem Vater nicht. „Brauche ich auch nicht. Ich schlafe bei meiner Stiefschwester, wenn ich da bin, denn sie ist meine beste Freundin“, sagt sie lachend und ihre Mutter zwinkert ihr zu. Manchmal ist auch nach einem Umweg am Ende alles gut.


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