Erste Klasse

Die Lieblingslehrerin: lieb, gerecht und kameratauglich

Das erste Schuljahr ihrer Tochter hatte sich Stefanie Kortmann anders vorgestellt. Statt Lernen im Klassenzimmer gab's Homeschooling mit Mama und Bewegungsspiele vor dem Bildschirm. Dennoch finden Mutter und Kind: Die Lehrerin hat einen super Job gemacht.

veröffentlicht am 27.07.2021

"Siehst du!“, sagte meine Mutter kürzlich zum wiederholten Mal. „Wärst du Lehrerin geworden, hättest du jetzt nicht das Problem mit der Überbrückung der Schulferien!“ Ja, sicher, denke ich. Man wird Lehrerin, weil die Urlaubstage so passend liegen... Diese Argumentation war mir schon immer suspekt. Ich finde, man sollte sich für die Inhalte eines Berufes entscheiden – es geht doch nicht um die Zeit der Abwesenheit!

Ich bin also keine Lehrerin geworden. Nach 13 Jahren Schule wäre es mir im Traum nicht eingefallen, langfristig diesen Arbeitsort zu wählen. Ich wollte Neues entdecken und Lehrkräfte waren für mich die, die es zwischen Abi, Studium und Job nie aus dem System herausschaffen würden.

Fragen? Mama macht das schon!

Jetzt, nach mehr als 20 Jahren, bin ich wieder drin im Schulsystem. Diesmal als Mutter und in dieser Funktion habe ich im ersten Schuljahr meiner Tochter mehr vom Unterricht mitbekommen als mir lieb war. Homeschooling machte mich wochenlang zur Aushilfslehrerin, verantwortlich für eigentlich alles: Lesen, Rechnen, Sachkunde, Religion, zudem Sport und Musik – was gar nicht unterrichtet wurde, ich aber für unverzichtbar halte –  und drumherum natürlich auch diese Kleinigkeiten wie Motivation, Selbstorganisation, Sozialkompetenz und der ganze Rest. Fragen? Mama macht das schon!

Dabei hat unsere kleine Dorf-Grundschule im Rahmen des Machbaren das Corona-Schuljahr ganz gut gemeistert. Wir haben einen Leiter, der sich für Technik begeistert und daher schnell die Infrastruktur aufbauen konnte. Und wir haben eine Klassenlehrerin, die auch im Wechsel- und Distanzunterricht ein gutes Maß zwischen Fördern und Fordern gefunden hat. Dazu hat sie sich im Dschungel der ständig neuen Auflagen gut geschlagen und Flexibilität bewiesen: Die Frau, die eigentlich seit Jahrzehnten das kleine Einmaleins mit Kreide an die Tafel schreibt, stand zum ersten Mal in ihrem Leben vor der Webcam und versuchte, die aufgeteilte Klasse virtuell zusammen zu halten.

Mit der Schalte ins Wohnzimmer war ich stille Beobachterin des Unterrichts und somit unter anderem auch Zeugin der Online-Bewegungsspiele oder der virtuellen Karnevalsfeier. Vor allem Letzteres war echt bizarr, ich kann es kaum anders sagen. Die Lehrerin machte den Clown, die verkleideten Erstklässler tanzten begeistert vor den Bildschirmen. Verrückte Welt, dachte ich und sehnte mich nach der guten alten Offline-Zeit zurück.

Empathie, Zeit und Aufmerksamkeit sind nach wie vor die Schlüsselwörter

Statt eines Kennenlerntages wurde die Organisation von Corona-Tests besprochen. Die Lehrerin wurde ungefragt zur Test-Aufpasserin, ein Schicksal, um das ich sie nicht beneide. Auch der Elternsprechtag verlief anders als sonst, natürlich virtuell. Ein Jammer, denn eine gute Lehrkraft sollte nicht nur eine Beziehung zum Kind, sondern auch zu den Eltern aufbauen. Daran war in diesem Schuljahr nicht zu denken.

Was macht also eine gute Lehrerin aus?, frage ich mein Kind. „Eine gute Lehrerin muss gerecht sein und sich einmischen, wenn Kinder streiten“, sagt die Siebenjährige, die nichts mehr hasst als Ungerechtigkeit. „Sie muss schöne Dinge im Unterricht machen und auf jeden Fall lieb sein. So wie meine Lehrerin.“ Eigentlich nicht schwer, denke ich mir. Empathie, Zeit und Aufmerksamkeit sind nach wie vor die Schlüsselwörter für den Zugang zur Lebenswelt der Kinder, egal ob online oder offline.

Für meine Tätigkeit als Aushilfslehrerin habe ich natürlich keine Bezahlung erhalten, der Lohn ist das Zeugnis. Das Kind kann rechnen und schreiben, wie es von einem I-Männchen erwartet wird - wie schön! Dazu gab es auch ein Zeugnis für mich von meiner Tochter „Du bist meine Lipplingslererin“, stand darauf und mir wird klar: Es gibt noch viel zu tun.


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