Kita

Lust und Frust im Ehrenamt

Eigentlich konnte sie es sich nicht erlauben, neben Kind und Jobs auch noch ehrenamtlich tätig zu sein. Dann hat sie's doch getan. Nach vier Jahren schaut Stefanie Kortmann dankbar auf eine turbulente, aber lohnenswerte Zeit im Kita-Vorstand zurück.

veröffentlicht am 28.12.2020

„Du… wir brauchen da jemanden im Vorstand der Elterninitiative und wir sind alle der Meinung, dass du das super machen könntest.“ Diese Anfrage erwischte mich im falschen Moment – oder doch nicht?

Ich hatte mitbekommen, wie sich die Situation in der Kita meiner Tochter verändert hatte. Ein Neubau stand an, dazu eine Verdreifachung der Kinderzahl. Nach über 30 Jahren stand der Verein vor gravierenden Veränderungen. Und meine Familie war auserkoren, in unserer vierjährigen Kita-Karriere live dabei zu sein. Wie umfangreich mich diese Entwicklung beschäftigten würde, ahnte ich nicht mal ansatzweise als ich im Frühjahr 2019 zusagte und Teil des fünfköpfigen Vorstands wurde.

Ich dachte, die größte Arbeit wäre erledigt...

Ich dachte, die größte Arbeit wäre erledigt, wenn wir nur den Umzug vom Altbau in den einen Kilometer entfernten Neubau organisiert hätten. Dazu mussten wir die Eltern heranziehen, die binnen kürzester Zeit alles – von der Wickelkommode bis zur Weihnachtsdeko – an die neue Adresse schafften. Abends fiel ich komatös aufs Sofa. Meine Erholung aus dem vorangegangenen Urlaub hatte sich erledigt.

Nun sollte alles gut werden. Nur noch ein paar Baustellen im Neubau beheben und dann… Von wegen! Völlig überraschend kündigte die Kita-Leitung, dann brach Corona über uns herein und schließlich musste auch die Küche personell und konzeptionell neu aufgestellt werden. Selten war es mir möglich, einfach nur das Kind abzuholen, ohne dass nicht jemand auf mich zukam mit den Worten: Haben Sie vielleicht noch fünf Minuten?

Ja, die hatte ich, weil ich es wollte und weil man als Vorstand einer Elterninitiative viel Verantwortung trägt. Man ist das wichtigste Entscheidungsgremium in einem Haus für 60 Kinder, deren Familien und auch Arbeitgeber für die 16 Angestellten. Wir konnten der scheidenden Leiterin einen würdigen Abschied bereiten, wir fanden eine tolle neue Leiterin, wir organisierten den Alltag komplett neu unter den Corona-Restriktionen und wir stellten die Kita-Küche neu auf. Nebenbei konnten über10.000 Euro Spendengelder akquiriert werden, womit wir das Außengelände gestaltet haben. Alles das – und noch viel mehr – passierte in knapp anderthalb Jahren. Ehrenamtlich, klar.

Wer einen Tiefpunkt hatte, wurde von den anderen aufgefangen

Ich hätte die Zeit nicht durchgestanden, wenn wir im Vorstand nicht so gut zusammengefunden hätten. Viele Stunden haben wir diskutiert und organisiert. Nicht alle Entwicklungen waren schön, nicht alle Entscheidungen waren leicht. Dann wurden wir im Team am stärksten. Wer am Tiefpunkt war, wurde aufgefangen und von den anderen weitergetragen. Wir entwickelten einen preußischen Ehrgeiz, unseren Auftrag gut auszuführen und die Geschicke geordnet und wohl vorbereitet an die nächste Generation zu übergeben. Genau das passierte auf der Mitgliederversammlung im Oktober. Unsere Kinder waren in der Zwischenzeit bereits eingeschult worden und so war für uns die Zeit gekommen, die Verantwortung weiterzureichen.

Was bleibt? Ich habe unwahrscheinlich viel gelernt. Über die Finanzen, die Organisation, die tägliche Arbeit in der Kita. Ich konnte meinen Horizont erweitern und habe die Einrichtung nicht nur als Mutter kennengelernt. Vielmehr war ich auch die Vertreterin des Trägers, der Eltern und nicht zuletzt Arbeitgeberin. Was bleibt, ist aber nicht nur das fachliche Wissen, dass ich mir aneignen musste. Was bleibt, sind anderthalb Jahre, die sehr bunt waren und in denen wir sehr viel bewegen konnten. Was bleibt, sind viele zwischenmenschliche Begegnungen und Freundschaften, die unter ganz besonderen Umständen entstanden sind.

Ich kann mir eigentlich kein Ehrenamt leisten, so war und ist im Grunde auch heute noch meine Meinung. Ich bin mit Kind und zwei Jobs gut durchgetaktet. Doch die Erfahrung zeigt mir, dass es das wert ist, ein Ehrenamt einzugehen und ganz bewusst die gewohnten Pfade zu verlassen, sich vielleicht auch nur für eine klar abgesteckte Zeit auf ein neues Aufgabenfeld einzulassen. Am Ende gab es viele nette Abschiedsworte und einen Gutschein für einen Familien-Ausflug in den Wildwald. Das war herzlich und sehr wertschätzend. Tatsächlich habe ich mich selbst „belohnt“, indem ich eine Erinnerung an eine sehr schöne Zeit gewonnen habe.


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