Freizeit
Zu viele Hobbies?
Geige, Tennis, Tanzen und Malschule stehen bei der Tochter unserer Kolumnistin auf dem Wochenplan. In den Ferien sind Skifahren und Nähkurs geplant. Die Mama sagt: Gut so! Soll sie sich doch ausprobieren. Der Oma sind die vielen Aktivitäten suspekt.
veröffentlicht am 28.04.2023
Stillen, Familienbett, Medienkonsum: es gibt einige Themen in der Elternwelt, an denen scheiden sich die Geister – und zwar so richtig! Auch die Frage, welche und wie viele Hobbies ein Kind haben sollte, gehört dazu. Klar: Jedes Kind und auch jede Familie tickt anders. Daher wird es ab hier eine sehr persönliche Sache, oder besser gesagt ein fortlaufender Prozess, in dem wir daheim immer mal wieder ausloten: Was macht Spaß? Welche Inhalte sind passend? Und was ist keine Option, weil es vielleicht zu viel Zeit oder zu viel Geld kostet?
Als meine Tochter klein war, war die Lage einfach: Einmal in der Woche ging es zum Babyschwimmen, später dann zur Krabbelgruppe. Das war‘s. Nun aber ist sie neun und die Auswahl der Freizeitaktivitäten ist um einiges gestiegen. Geige, Tennis, Tanzen und Malschule stehen auf dem Wochenplan. Im Winter hat sie Skifahren gelernt und für die großen Ferien ist schon ein sehnlich gewünschter Nähkurs für Kinder gebucht. Alle diese Aktivitäten macht sie richtig gerne und wo die Schule noch wenig Herausforderungen an sie stellt, gibt es aktuell auch terminlich keine Schwierigkeiten.
Das Leben ist bunter als der Lehrplan
Ich denke: Gut so! Soll sie sich doch ausprobieren! Mit Freunden unterwegs sein, Neues wagen, auf etwas hinarbeiten, sportlich aktiv sein, Kompromisse aushandeln, sich selbst kennenlernen – alles das steckt in diesen Hobbies. Nur: Ob das so bleiben wird?
Im kommenden Jahr steht der Wechsel auf die weiterführende Schule an. Ich fürchte den Tag, an dem wir darüber reden müssen, dass eine oder gar mehrere der geliebten Aktivitäten aufgegeben werden müssen. Ein Hobby unfreiwillig zu beenden, weil Mathe, Englisch und Geschichte mehr Zeit einfordern, schmerzt, weil Interessen unterbunden werden. Pech für alle, die lieber Tanzen und Tennis auf dem Stundenplan hätten – diese Qualifikationen sind in der Schule üblicherweise nun mal nicht gefragt. Dabei ist das Leben bunt, viel bunter als es der Lehrplan mitunter aufzeigt. Zugleich brauchen Kinder Zeit und Gelegenheiten, die eigene Persönlichkeit zu entdecken. Das wird schwierig, wenn die Schule zum Vollzeitjob wird. Was uns da die Zukunft bringt? Wir werden sehen.
Früher gab es weder Geld noch Zeit für solche Angebote
In den Augen der Oma sind es ohnehin schon jetzt viel zu viele Hobbies. In ihrer Kindheit gab es weder Geld noch Zeit für derartige Angebote. Ein Gang ins Freibad kostete 20 Pfennig. Bei vier Kindern im Haus war das „mal eben“ für die Familie in den Nachkriegsjahren überhaupt nicht finanzierbar. Dass nun ihre Enkelin so umtriebig ist, erscheint ihr suspekt. Dabei durfte auch ich als Kind so einiges ausprobieren – und profitiere noch heute davon.
Ich habe viele Jahre Tischtennis und Fußball gespielt, manchmal auch in höheren Ligen. Teil eines Teams zu sein, hat mir durch die nicht immer einfache Pubertät sehr geholfen und wurde zu einer wichtigen Grundlage für meinen späteren Weg. So werde ich in diesem Sommer nach der Kinderpause wieder in den Mannschaftssport einsteigen. Ich freue mich auf den sportlichen Wettstreit und die Gespräche drumherum. Mehr als jedes Schulfach kann ein Hobby ein roter Faden im Leben sein. Das zu erleben, wünsche ich meiner Tochter auch.