Großeltern
Das Positive bei den eigenen Kindern sehen
Manchmal kracht es in der Familie von Hannes Pernsteiner. Und zwar häufig dann, wenn die Eltern nur noch das Negative an ihren Kleinen wahrnehmen können. Was dann hilft, ist der liebevolle Blick von Omas und Opas.
veröffentlicht am 01.03.2017
Meine Frau und ich lieben unsere drei wunderbaren Kinder. Auch ihre Persönlichkeiten, die Feuer und Wasser gleichen und uns manchmal in ihre wie auch unsere menschlichen Abgründe blicken lassen. „Heulsuse“, „zuckerlsüchtig“, „zanklustig“, „respektlos“ oder „aufs letzte Wort versessen“ wären die Übersetzungen – unsere Familiensprache ist Spanisch – einiger der Begriffe, die sich in unseren Köpfen dann zusammenbrauen. Fatal ist, dass wir manchmal gleichzeitig eine solche Negativ-Brille aufhaben und es beiden an Besonnenheit fehlt. Es scheint uns, als ob unsere Kids dann nur noch alle Vorwürfe bestätigen würden. Die Vorhersage lautet dann Familiengewitter mit Donner und Blitz.
Mein inzwischen verstorbener Vater hat mir ganz unaufdringlich gezeigt, dass sich dieser Kreislauf umdrehen lässt. Er wies oft auf schöne Seiten unserer Kinder oder unseres Elternseins hin – vielleicht instinktiv genau dann, wenn ich in mir nur erzieherisches Versagen und seine Bemerkungen als verfehlt empfand. Ich spürte aber auch, dass er feinfühlig meinen Willen zum Guten in schon vollendeter Form vor sich sah, trotz des Scheiterns. Seine Worte waren ein Ansporn, seinem liebenden Blick zu entsprechen. Sie ließen wachsen und bestärken mich bis heute darin, das Positive bei meinen Kindern zu suchen und zu fördern.
Grundvertrauen ins Leben
Einen Schock bereitete mir jedoch kürzlich eine Bekannte aus der Generation meiner Eltern, die sich über den „Mut, heute noch Kinder in die Welt zu setzen“ wunderte. Was sie damit ausdrücken wollte, war ihre Wahrnehmung der heutigen Flüchtlings-, Klima-, Demokratie-, Europa-, Rüstungs- usw.-Krise. Ich musste ihrem „Kompliment“ vehement widersprechen. Auch ich bin in Sorge und denke, dass Lösungen für die Weltprobleme dringend gefunden und umgesetzt werden müssen, wobei viele davon eine Änderung im Denken und Lebensstil erfordern. Wie soll dies aber glücken ohne Grundvertrauen ins Leben selbst und damit auch in den, der es gab?
Was beides zeigt: Mithilfe der Altersdistanz gelingt oft jene heilende Blickkorrektur, die für das Weiterkommen nötig ist. Das trifft schon in der Kindheit und Jugend zu wie auch in der Kindererziehung, bei der uns manchmal die Decke auf den Kopf fällt und der nötige Vorschuss an Empathie, Zutrauen und Liebe misslingt. Dann hilft es, glaubhaft an die Geduld mit uns selbst und mit den Kindern erinnert zu werden. Und wenn in späterem Alter einmal unsere Zukunftserwartung und die Freude am Neuen verspielt sind, werden wir uns über Kinder noch einmal auf andere Weise als jetzt freuen – da sie Lebendigkeit und Hoffnung ausstrahlen. Jede Altersstufe kann den anderen von sich geben und „Sehhilfe“ sein.
Die Kinder halten die Oma in Bewegung
Auch meine in Oberösterreich lebende Mutter kann ich hier als Beispiel anführen: Um ihre fünf Enkel, die alle Wiener sind, öfter zu sehen, steigt ihre Mobilität wie auch technische Versiertheit ständig. „Die Kinder halten mich in Bewegung“, sagt sie. Und wirklich: Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als sie bei ihren Wochenendbesuchen begann, Fußball zu spielen, sehr zur Freude unseres Ältesten. Wenn sie bei uns ist, gönnen wir Eltern uns einen Spaziergang nur zu zweit – und sehen unsere Dreikäsehochs dann auch ein Stück entspannter, eben mit der „Oma-Brille“.