Sakrament
Ist die Beichte für Kinder noch zeitgemäß?
In den meisten Gemeinden gehört das Sakrament der Beichte fest zur Erstkommunionvorbereitung. Viele Eltern begegnen dem Thema jedoch skeptisch. Es braucht kreative Wege, um Kindern und Familien die Beichte näherzubringen.
veröffentlicht am 20.12.2021
Gemeindereferentin Marie-Christine Stein aus dem Pastoralverbund Olpe kennt die Vorbehalte zur Beichte bei Kindern und will ihnen bewusst Raum geben. „Wir laden die Mütter und Väter unserer Kommunionkinder zu einem Infoabend ein und beginnen diesen ganz provokant mit der Frage, ob man Kindern eine Beichte überhaupt noch zumuten kann.“ Schnell entstehen Gespräche, in denen alle Sichtweisen ihren Platz haben dürfen.
„Es ist wichtig, Familien da abzuholen, wo sie stehen“, macht Stein deutlich. „Dazu gehört auch, ihre Befürchtungen ernst zu nehmen.“ Häufig sind es eigene negative Erfahrungen oder die Frage, wie das Konzept von Schuld und Sühne zu einer liebevollen Erziehung auf Augenhöhe passen kann. Manche Eltern ringen mit sich, weil sie sich von der Kirche entfernt haben und das Vertrauen fehlt. „Immer mehr jüngere Eltern befürworten die Beichte jedoch. Als Kinder der 90er-Jahre haben sie modernere Formen erlebt und positivere Erinnerungen daran.“
Isabel Daum hat 1986 noch ganz klassisch im Beichtstuhl gebeichtet. „Die Pfarrkirche war groß und düster. Unser Pfarrer streng und vom alten Schlag. Die Atmosphäre war nicht wirklich kindgerecht. Wir warteten gemeinsam in der Kirchenbank, bis wir an die Reihe kamen. Neben mir saß ein Junge, und ich erinnere mich, dass er plötzlich in Ohnmacht fiel.“
Beichte früher und heute
Als angenehmen Kontrast hat sie die Beichte ihrer Tochter Sofia erlebt, die 2020 in Bonn zur Erstkommunion gegangen ist. „Gut fand ich zum Beispiel, dass sie sich aussuchen konnte, mit welchem der beiden Pfarrer sie sprechen wollte.“ Viele Gemeinden geben auf diese Weise eine gewisse Wahlfreiheit. Einige Gemeinden haben die Beichte vor der Erstkommunion durch einen Bußgottesdienst ersetzt.
Im Pastoralverband Olpe ist sie noch Voraussetzung für die Erstkommunion. Umso intensiver bereitet das Seelsorgeteam die Familien darauf vor. „Wir bieten Elternabende, Wortgottesdienste, Gruppenarbeit und Seelsorgestunden zum Thema an“, sagt Marie-Christine Stein. Mit dem Pfarrer spielt sie den Kindern eine Beichtsituation vor und erklärt, dass der Priester stellvertretend für Gott mit ihnen spricht. Auf diese Weise bekommen die Kinder eine bessere Idee davon, was sie erwartet.
Die Vorstellungen sind nämlich eher diffus: „Ich glaube, da sitzt ein Priester, dazwischen ist eine Wand, und dann sitze ich auf der anderen Seite und beichte, was ich getan hab und was nicht gut war, damit Jesus und Gott mir das nicht mehr übelnehmen“, sagt etwa Viola, Sofias jüngere Schwester, die dieses Jahr zur Erstkommunion gehen wird. Für Marie-Christine Stein ist das ein Bild, mit dem sie aufräumen will. „Die Kinder sollen wissen, dass Jesus oder Gott niemals böse auf sie sind, sondern vielmehr wollen, dass sie glücklich sind.“
Verbindung zum Leben der Kinder
Die Religionspädagogin arbeitet aus diesem Grund nicht mit Schuld- und Sühnetexten aus dem Alten Testament. „Wir verwenden in der Regel die Geschichte vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater. Die Kinder können das Gehörte gut auf sich übertragen. Jeder kennt Situationen, in denen man wie der verlorene Sohn nur an sich denkt.“
Sie ist überzeugt, dass Acht- und Neunjährige mit der richtigen Vorbereitung sehr gut einschätzen können, dass sie wie alle Menschen manchmal Fehler machen. „Meist beginne ich damit, von mir selbst zu berichten, und dann kommen wir schnell ins Gespräch. Die Kinder erzählen ohne jede Scheu und nehmen das Thema ernst.“ Sicher auch, weil der Fokus dabei zunächst auf ihren Stärken liegt. „Wir arbeiten mit einem Beichtherz, in das Kinder eintragen, was sie gut können. Erst danach geht es um Dinge, die schiefgelaufen sind.“
Auch über Symbole und Rituale nähern sich die Kinder dem Thema. „Ich lese ihnen von einem Mädchen vor, das im Spiel eine Vase kaputtmacht. Dann lasse ich kommentarlos einen Tontopf fallen und wir sprechen über Scherben im Leben. Jedes Kind bekommt eine Scherbe, wir hören Musik und denken darüber nach, wo wir selbst einmal Scherben verursacht haben.“
Ohne Ballast zur Erstkommuion
„Es ist gut, anschaulich an das Thema heranzugehen“, findet auch Isabel Daum. „Zum Beispiel kann man Kindern mit verschieden großen Steinen klar machen, dass Fehler unterschiedlich wahrgenommen und gewichtet werden. Was für den einen leicht ist, kann für den anderen schwer sein. Eine Beleidigung trifft den einen tief, während der andere sie wegsteckt.“ Die Beichte kann helfen, Lasten abzulegen. So hat es auch Sofia empfunden: „Vorher war ich aufgeregt, weil ich nicht wirklich wusste, was auf mich zukommt. Danach war ich erleichtert, ohne Ballast zur Erstkommunion gehen zu können.“
In Olpe gehen die Kinder in die offene Sakristei oder beichten direkt im Altarraum – ungestört, aber sichtbar. „Wir müssen heute sensibel sein“, sagt Marie-Christine Stein. „Seit dem Missbrauchsskandal ist es vielen nicht mehr recht, wenn die Beichte hinter verschlossenen Türen stattfindet.“ Oft wird die Gemeindereferentin selbst gefragt, ob sie die Beichte abnehmen könne, weil die Kinder sie besser kennen und mögen. Aber da sind ihr die Hände gebunden.
Nicht nur das Beichtgespräch selbst, sondern auch das Drumherum ist wichtig. In Olpe entzünden Kinder, die gebeichtet haben, eine kleine Kerze und lesen ein Dankgebet. In Sofias Gemeinde in Bonn verbrennen sie kleine Zettel, die sie vorher als Gedächtnisstütze mit ins Gespräch nehmen durften. Ein Ritual, das ihrer Mutter Isabel besonders gefallen hat: „Als die Worte auf dem Papier als Rauch in den Himmel stiegen, hatte das etwas Befreiendes.“
Um Verzeihung bitten
Ein wichtiger Teil der Beichte ist die Versöhnung. Denn sie zeigt auf, wie man einen Fehler wiedergutmachen kann. Dabei geht es nicht um Buße und zehn „Ave Maria“, sondern darum, auf Menschen zuzugehen und um Verzeihung zu bitten. „In einem Versöhnungsgottesdienst hören wir, wie der barmherzige Vater seinem verlorenen Sohn verzieh und ein Fest für ihn veranstaltete“, erzählt Marie-Christine Stein. Auch Sofia erlebte nach der Beichte eine kleine Feier. Der Tag fand einen schönen Abschluss im gemeinsamen Mittagessen.
Wie die meisten Kommunionkinder ist Sofia seither nicht mehr beichten gewesen und froh darüber, dass es keine Pflicht ist. „Sollte ich mal das Gefühl haben, dass mir eine Beichte guttun würde, würde ich wieder hingehen“, sagt sie. Damit ist schon viel erreicht, findet Marie-Christine Stein: „Die Kinder wissen, dass es hier einen geschützten Raum gibt und jemanden, der zuhört, ohne zu urteilen. Damit sie danach erleichtert und befreit in ihr Leben zurückkehren können.“