Generation Corona
Wie junge Menschen die Pandemie erleben
Junge Menschen leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie. In einer Zeit, in der sie sich ausprobieren und Erfahrungen machen möchten, steht ihr Leben weitgehend still. Hier erzählen junge Frauen und Männer von geplatzten Träumen und neuen Plänen.
veröffentlicht am 02.03.2021
„Ein eigenartiges Gefühl“
Die USA haben mich fasziniert, seit ich mit 16 Jahren ein Jahr lang in Missouri zur Schule gegangen bin. Die Kultur, die Menschen, alles. Ich wollte immer ein Auslandsjahr in den USA machen. Nach der Matura 2019 und einem Sozialen Jahr sollte im Herbst 2020 mein Studium an der internationalen Georgetown University in Washington DC beginnen.
Als sich langsam herausstellte, dass ich nicht in die USA gehen kann, war das ein eigenartiges Gefühl. Einerseits ist man traurig, weil man sehr viel Zeit dafür investiert und sich darauf vorbereitet hat. Dann fängt das an zu wackeln, man weiß nicht, wie es weitergeht. Andererseits versteht man es. Ich habe dann das erste Semester geschoben und studiere inzwischen von Wien aus online in Washington.
Für Jugendliche und vor allem für Studenten ist die Pandemie eine schwierige Zeit. Nicht nur, wenn man ins Ausland gehen möchte, sondern generell, weil es eigentlich die Zeit ist, um seine Laufbahn zu beginnen, um erwachsen zu werden. Man fühlt sich vernachlässigt, weil das nicht möglich ist. Ich verstehe bis heute nicht, dass man bei den Universitäten kein einheitliches System gefunden hat, um es zumindest den Studenten im ersten Semester zu ermöglichen, Kontakte an der Universität zu knüpfen, zumindest ein paar Vorlesungen zu besuchen in einem kleinen Rahmen. Die eine Universität macht es so, die andere so, das ist keine Lösung.
Gerade der Studienbeginn ist ein erster Schritt in das Leben hinein. Es wird ernst. Das Gymnasium war noch ein Potpourri aus allgemeinem Wissen. Jetzt will man etwas Spezifisches lernen, man will Kontakte knüpfen. Meine Kommilitonen und ich haben alle dieselben Interessen, aber wir können diese Interessen nicht wirklich ausleben, jedenfalls nicht so wie wenn wir uns sehen könnten. Die Regierungen und die Universitäten müssen hier richtungsweisend sein. Sie müssen den Studenten beistehen und an einer Lösung arbeiten, um solche Situationen zu vermeiden.
Durch Corona ist für mich ein Traum geplatzt oder zumindest nicht gänzlich in Erfüllung gegangen. Gleichzeitig habe mir einen anderen Traum erfüllt, nämlich beim Radio zu arbeiten. Ich freue mich sehr, dass das möglich ist. Es ist also nicht nur ein halber Traum wahr geworden, sondern nebenbei auch ein ganzer.
Livio Pacherini (20) aus Klagenfurt
„Corona und Lockdown bedeuten Stillstand“
Geplant war, dass ich von April bis Juli als Freiwillige in San Antonio in den USA in einer Schule und einem Altersheim der Don Bosco Schwestern mitarbeite. Die Tätigkeit im Altersheim hätte gut gepasst, weil ich nach der Matura ein Freiwilliges Jahr als Rettungssanitäterin gemacht habe und dabei auch mit älteren Patienten zu tun hatte. Außerdem fahren die Schwestern ein- oder zweimal in der Woche an die Grenze zu Mexiko und betreuen die Menschen dort. Vor allem wegen dieses Projekts, an dem ich ebenfalls beteiligt gewesen wäre, hatte ich mir San Antonio ausgesucht.
Ich hatte alle Vorbereitungsschritte absolviert bis auf das Praktikum. Der Flug war schon gebucht für den 15. April. Aber während des Praktikums in Baumkirchen in Tirol im Februar gab es ein Corona-Hoch. Tirol ist immer mehr in den Lockdown gegangen und ich musste das Praktikum abbrechen. Damit war schon fast klar, dass das Volontariat nicht stattfinden würde. Die endgültige Absage kam Ende März.
Am Anfang habe ich mich gekränkt gefühlt. Ich war wütend, nicht auf die Schwestern, sondern auf die Situation. Ich habe mich herausgeworfen gefühlt, konnte nichts tun. Dieser Kontrollverlust war sehr spürbar.
Dabei hatte sich alles so gut gefügt! Ich war gerade 21 Jahre alt geworden. Von VIDES aus darf man genau ab diesem Alter auf einen anderen Kontinent. Es war Vieles im Umbruch. Ich hatte meine Studien der Rechtswissenschaften und der Theater-, Film- und Medienwissenschaften nach drei Semestern abgebrochen und wollte ab dem Wintersemester Psychologie studieren. Das Volontariat wäre der perfekte Übergang gewesen.
Jetzt, im Rückblick, bin ich nicht mehr so enttäuscht. Natürlich ist es schade. Aber ich habe dann im Sommer auf einem Erdbeerfeld gearbeitet, das war sehr nett. Ich habe in Wien zusammen mit einem Freund eine schöne Wohnung gefunden. Das hätte ich nicht geschafft, wenn ich in den USA gewesen wäre. Ich habe eine Reise nach Kroatien gemacht. Inzwischen habe ich mit dem Studium begonnen. Die ersten Prüfungen habe ich schon hinter mir. Trotz Pandemie und Online-Unterricht läuft es sehr gut.
Die Jugend ist eine Zeit, in der viel im Umbruch ist, wo viel weitergehen sollte, wo eigentlich Entwicklung stattfinden sollte. Aber Corona und Lockdown bedeuten Stillstand. Begegnung findet kaum statt. Wir müssen uns isolieren. Das ist für viele schwer. Auf der anderen Seite sind wir eine gehetzte Gesellschaft. Insofern kann man den Stillstand auch positiv sehen. Denn wir sind jetzt gezwungen, innezuhalten und im Moment zu leben. Ich persönlich bin mehr in die Natur gegangen. Ich genieße die gute Luft. Ich genieße es zu atmen.
Wenn ich mich in den Januar 2022 träume, sehe ich mich auf dem Uni-Campus mit neuen Freunden in einem Café. Ich habe gerade die letzte Prüfung des Semesters hinter mir, gehe in einen Club und tanze die Nacht durch. Und schreibe dann an die Don Bosco Schwestern, ob ich mein Praktikum nachholen kann. Um dann im Sommer mein Volontariat in San Antonio zu machen.
Felicitas Maager (21) aus Wien
„Sobald sie aufmachen, kann ich wieder arbeiten“
Nach vier Jahren in der gemeinnützigen Caritas-Don Bosco GmbH in Würzburg habe ich im Juli 2020 meine letzte Prüfung als Fachpraktikerin Hauswirtschaft gemacht. Trotz Corona hat es einigermaßen funktioniert. Mit meiner Note 2,0 bin ich sehr zufrieden.
Ich habe gleich eine Stelle in einem Hotel in Würzburg gefunden. Weil das dort aus persönlichen Gründen nicht geklappt hat, habe ich dann in einem Gasthaus bei uns im Landkreis Forchheim angefangen. Ich habe mich dort wohl gefühlt. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Aber dann kam der zweite Lockdown und wir mussten schließen. Zuerst war ich in Kurzarbeit. Am 31. Dezember ist mein Vertrag ausgelaufen. Seitdem bin ich zu Hause und arbeitslos.
Es ist sehr, sehr langweilig. Gerade mache ich meinen Führerschein. Aber ansonsten? Laufen gehen, meiner Mama zuhause helfen, mit Freunden schreiben. Mehr kann man nicht machen. Es ist blöd, aber man muss eben damit umgehen. Immerhin: Meine Chefin hat gesagt, sobald sie wieder aufmachen, kann ich wieder arbeiten. Wir hoffen, Anfang April. Aber im Moment weiß noch keiner, wie es weitergeht.
Anna Roppelt (24) aus dem Landkreis Forchheim
„Mir fehlen noch vier Prüfungen“
Geplant war der Abschluss meines Studiums im Sommer 2020. Meine Bachelorarbeit ist fertig, aber mir fehlen leider noch vier Prüfungen. Monatelang wurden diese immer weiter nach hinten verschoben und es gab keine Prognosen, wann sie stattfinden. Mittlerweile gibt es immerhin für zwei Prüfungen Termine. Wann die anderen beiden stattfinden können, ist noch nicht absehbar.
Ich habe Finanz- und Versicherungsmathematik an der Technischen Universität Wien studiert. Am Anfang der Pandemie habe ich noch gedacht, gut, dann werden es eben sieben Semester statt sechs, das ist kein Drama. Aber dann sind der November und der Dezember gekommen, es war wieder Lockdown und es wurden wieder alle Prüfungen verschoben. Da habe ich schon begonnen, mich zu ärgern.
Meinen Studienkolleginnen und -kollegen und mir ging es in dieser Situation schlecht. Die Prüfungssituation hat unsere Zukunftspläne auf den Kopf gestellt. In anderen Fächern bzw. Studienrichtungen hat die Umstellung auf Online-Prüfungen gut funktioniert, aber bei uns sind manche Prüfungen gar nicht angeboten worden. Das waren jedoch genau die Prüfungen, die wir alle nach hinten geschoben hatten, weil sie besonders schwierig sind und somit einen höheren Lernaufwand haben.
Glücklicherweise arbeite ich nebenher. Ich konnte mich vermehrt auf die Arbeit konzentrieren und dort somit noch besser Fuß fassen. Außerdem habe ich die Zeit genutzt, um meine Bewerbung für den Masterstudiengang in Bank- und Versicherungsmanagement an der Fachhochschule in Graz zu schreiben. Wenn alles gut geht, kann ich mit September dort anfangen. Ich hoffe es!
Ich habe in der Corona-Zeit gelernt, selbstständiger zu sein und mir Sachen selbst zu erarbeiten. Ich weiß jetzt, dass ich nicht immer auf jemand anderen zurückgreifen muss, sondern mir auch mit Google, Büchern oder Anderem helfen kann. Das ist etwas, was für den weiteren Arbeitsalltag unabdingbar ist.
Viktoria Blaha (22) aus Niederösterreich
„Ich werde mich nochmal bewerben“
Im Rahmen meines Studiums hatte ich von August bis Weihnachten vergangenen Jahres ein Austauschsemester in Oslo geplant. Ich studiere Betriebswirtschaft mit einem Fokus auf Sozioökonomie. Weil Skandinavien und insbesondere Norwegen in diesem Bereich Vorreiter sind, war es mir wichtig, mir das anzuschauen. Die fixe Absage kam im Juli.
Ich hatte schon immer vorgehabt, mindestens ein halbes Jahr im Ausland zu verbringen. Gerade Erasmus, das Förderprogramm der Europäischen Union, bietet dafür eine super Möglichkeit. Ich habe viel Zeit in meine Bewerbung gesteckt und war sehr froh, dass ich genommen wurde. Dann kam die Absage. Natürlich hatte ich Verständnis dafür. Eine Pandemie ist eine Pandemie. Aber nachdem es noch dazu das letzte mögliche Semester vor dem Ende des Studiums für einen solchen Austausch gewesen ist, hat mich das schon krass getroffen und Emotionen gekostet.
Immerhin war es mit dem Distanzlernen möglich, an der Universität in Wien den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir konnten Kurse belegen und einen Studienerfolg verzeichnen. Aber dadurch, dass uns die Möglichkeit des Erasmussemesters genommen wurde und der Arbeitsmarkt stark davon ausgeht, dass man im Ausland war, wird es die Stellensuche schwieriger machen. Ich persönlich habe mir jetzt zum Ziel gesetzt, mich im Rahmen meines Masters nochmal bei Erasmus zu bewerben und zu versuchen, einen Teil meines Masterstudiums im Ausland zu verbringen.
Grundsätzlich war es aus meiner Sicht gerechtfertigt, dass am 11. März letzten Jahres verkündet wurde, dass zuallererst die Hochschulen geschlossen werden. Dort kommen täglich Tausende zusammen. Es sind alles erwachsene Menschen. Das bedarf keiner weiteren Begründung. Wenn es um Jugendliche geht – meine Schwester hat im Sommer 2020 Matura gemacht –, gab es schon Informationsdefizite von Seiten der Politik, aber auch von Seiten der Schulen. Da hätte man einiges besser machen können. Man hätte schneller und besser kommunizieren können, um Klarheit zu schaffen und den langfristigen Horizont vorzuzeichnen. Für die Matura gab es keinen Fahrplan. Das hat die Schülerinnen und Schüler verunsichert. Ich hatte das Gefühl, dass die Jugendlichen zu Beginn etwas vernachlässigt wurden.
Was ich gelernt habe in der Pandemie, ist, dass das Lernen und Arbeiten auch ohne den universitären Rahmen möglich ist. Dass, wenn Gruppenräume, Bibliotheken, Hörsäle und der ganze Campus geschlossen sind, alles auch von zuhause machbar ist. Oft braucht man ein wenig Überwindung, um den inneren Couchpotatoe abzuwerfen und sich an den Schreibtisch zu setzen. Aber ich habe jetzt mitbekommen, dass ich diese Selbstdisziplin sehr wohl habe. Ich kann das Vertrauen haben, dass ich, auch wenn die Umstände mich sehr eingrenzen, das Beste daraus machen kann – auch ohne Absolvierung eines Erasmus Semesters in Norwegen.
Benjamin Schemel (21) aus der Nähe von Wien
Mit den jungen Erwachsenen sprachen wir im Januar und Februar 2021.