Jugendarbeit
„Kleine Oase inmitten der schwierigen Welt“
Das Kinder- und Jugendzentrum Don Bosco in Magdeburg bietet jungen Menschen Vertrauen und Sicherheit. Weil das katholische Bonifatiuswerk den Einsatz der Schwestern für beispielhaft hält, unterstützt es das Zentrum mit seiner diesjährigen Diaspora-Aktion.
veröffentlicht am 08.10.2020
Zwischen kleinen Wohnhäusern, Plattenbauten und einem Hochhaus findet sich im Norden von Magdeburg, in unmittelbarer Nähe zum Stadtviertel Kannenstieg, das Kinder- und Jugendzentrum Don Bosco. Seine weitläufigen Grünflächen mit Tischtennisplatte, Rutsche, Klettergerüst, Schaukel, Trampolin und Sportplatz laden Kinder und Jugendliche von sechs bis 27 Jahren zum Verweilen ein. Von montags bis samstags hat die Einrichtung nachmittags und abends seit mittlerweile 27 Jahren geöffnet.
Von Anfang an dabei ist Schwester Lydia Kaps, die das Kinder- und Jugendzentrum mitbegründet hat und seit 1995 leitet. Mit zwei weiteren Ordensfrauen bietet sie jungen Menschen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten einen Ort, der für viele über eine einfache Freizeitbeschäftigung hinausgeht. „Wir bekommen oft zu hören, dass wir eine kleine Oase inmitten der schwierigen Welt seien. Eine Oase bringt immer Hoffnung, sie ist ein friedlicher Ort, an dem man auftanken kann“, sagt Schwester Lydia. Diese Atmosphäre zeigt sich auch in der sogenannten Friedensecke vor dem Eingang zum Jugendraum. Neben selbst gebauten Möbeln und einem Hochbeet mit kleinem Kräutergarten haben dort Friedenstauben auf liebevoll gestalteten Holzpaletten ihren Platz gefunden.
Die Jugendlichen sollen eigene Ideen einbringen
In dem Gebäude aus den 70er-Jahren erwarten die jungen Menschen vielfältige Angebote. Der große Spielraum bietet ihnen die Möglichkeit, Darts, Billard und Air-Hockey zu spielen oder sich in der Sitzecke auszutauschen. In der Werkstatt können sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen und eigene Holzmodelle herstellen. Für die jüngeren Besucher gibt es einen separaten Raum mit kindgerechten Angeboten. Erst kürzlich wurde ein Rückzugsraum nur für Mädchen eingerichtet. Dass die jungen Menschen in der Einrichtung selbst mitgestalten können, ist nicht nur den drei Ordensschwestern, sondern auch dem pädagogischen Mitarbeiter Leonel Oliveira wichtig. „Wir wollen ihnen nicht nur Angebote vorsetzen, sondern wir motivieren sie, sich selbst miteinzubringen“, sagt der 30-jährige gebürtige Argentinier, der über den Bundesfreiwilligendienst zu den Don Bosco Schwestern gekommen ist und zurzeit eine Ausbildung zum Erzieher absolviert.
„Viele sehen uns als Anker, an dem sie sich festmachen können, an dem sie Hoffnung, Vertrauen und Sicherheit erfahren“, erklärt Schwester Lydia. Diesen verlässlichen Anker der Hoffnung hat auch schon der 20-jährige Alex erfahren. Vor neun Jahren hat ihn ein Freund mit in das Kinder- und Jugendzentrum genommen. Seitdem ist er fast täglich dort. Für ihn schafft dieser Ort eine feste Struktur in seinem Tagesablauf, wo er gleichzeitig seine Freunde treffen kann. »Wir kennen uns schon jahrelang hier, das ist wie eine Familie«, sagt der junge Mann, der den Schwestern für ihre Unterstützung sehr dankbar ist. „Ich war relativ faul damals, und sie haben mir gezeigt, wo es langgeht und worauf es im Leben ankommt. Sie haben mir bei den Hausaufgaben geholfen und mit mir Mathe und Englisch gelernt. Sonst hätte ich jetzt auch nicht eine Ausbildung zum Gebäudereiniger begonnen.“ Andere Jugendliche, die Schwester Lydia in ihren 27 Jahren im Zentrum kennengelernt hat, sind beispielsweise Altenpfleger, Erzieher oder Sozialpädagogen geworden. Dass Schwester Lydia und ihre Mitschwestern die Lebenswege der jungen Menschen mitprägen, freut sie sehr. „Es kommt vor, dass ich zu Hochzeiten unserer ehemaligen Besucher eingeladen werde und ich öffentlich vorgestellt werde, warum ich denn zu dieser Hochzeitsgesellschaft gehöre.“ Oft gebe es auch den Wunsch, dass sie das meist nicht stark kirchlich geprägte Brautpaar segnen möge.
„Schwester, wieso lebst du eigentlich noch?“
Wenn die Schwestern gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen die kirchlichen Hochfeste erarbeiten, kommt es vor, dass die Einrichtungsleiterin von einer Mutter die Rückmeldung bekommt, dass sie das alles toll finde, es aber schön wäre, wenn sie den Eltern dies auch erkläre, damit sie ihre Kinder weiter begleiten könnten. „Ich habe das Gefühl, dass die Jugendlichen und Eltern uns abnehmen, dass wir christlich geprägt sind und an einen Gott glauben, der uns hilft. Sie wollen dann im Gegenzug wissen, ob und wie es uns hilft, und wollen, dass wir ihnen irgendetwas in dieser Richtung vermitteln“, sagt die Ordensfrau. Solche Erfahrungen gebe es immer wieder, und das in einer Gegend, in der die große Mehrheit der Einwohner keiner Religionsgemeinschaft oder Kirche angehört. Die Zahl der Katholiken liegt im Bistum Magdeburg bei etwa drei Prozent. Der lange Jahre vorherrschende Atheismus hat den Glauben der Menschen stark beeinflusst. Die 70 bis 80 Kinder und Jugendlichen, die regelmäßig ins Kinder- und Jugendzentrum Don Bosco kommen, gehören verschiedenen Nationen an und sind konfessionell meist nicht gebunden.
Neugierig auf das Leben der Ordensfrauen, ergäben sich manchmal prägende Begebenheiten, erinnert sich Schwester Lydia: „Eines Abends sagte ein Jugendlicher zu mir: „Schwester, wieso lebst du eigentlich noch? Es wird doch immer gesagt, dass die Guten zuerst gehen. Bist du dann nicht so eine Gute, oder warum lebst du noch?“ Ein anderer Jugendlicher entgegnete ihm, dass er das falsch sehe, da der Gott, an den die Schwester glaube, ein paar von den Guten auf der Erde lasse, damit so Typen wie sie auch noch eine Chance hätten.“ Geschichten wie diese kennt auch Leonel. „Einmal haben mich muslimische Jungs gefragt, warum denn die anderen die Mitarbeiterinnen immer Schwester nennen und ob sie mich dann nicht auch mit Bruder ansprechen sollten“, erzählt der 30-Jährige. Dass Dinge so offen gefragt werden können, ist ein Verdienst der Schwestern. Für die jungen Menschen handeln sie authentisch und werden so in ihrem Wirken glaubwürdig.