Zuflucht und Hoffnung

Elfenbeinküste: Im Angesicht der Armut

In einem Armenviertel wie Divo an der Elfenbeinküste müssen Kinder und Jugendliche auf dem Weg in ihre Zukunft große Hindernisse bewältigen. Über Auswege und Hilfe durch die Don Bosco Schwestern.
  • Christian Selbherr/missio München

veröffentlicht am 08.02.2023

Wie das oft so ist: Die Leute reden gern! Vor allem dann, wenn es interessante Neuigkeiten gibt. Patricia Konan und Lyliane Sanogo haben gerade eine kurze Kaffeepause eingelegt und unterhalten sich. Sie reden über eine junge Frau namens Souhela. Gerade haben sie erfahren, dass Souhela neulich in der Stadt ein eigenes Geschäft aufgemacht hat. Einen „Beauty Shop“. Gar nicht so leicht sei das, sagt die eine. Da gehöre schon Mut dazu, meint die andere, und dass man sich gut überlegen müsse, in welche Branche man einsteigt. Eine Bäckerei? „Findet man doch zurzeit an jeder Ecke“, sagt Frau Sanogo. „Der Markt ist überfüllt.“ Mit Friseurgeschäften sei es ähnlich. So geht das Gespräch noch eine Weile weiter.

Warum machen sich die beiden Damen so viele Gedanken über die Zukunft eines kleinen Schönheitssalons? Nun, sie kennen die Besitzerin, denn die beiden Frauen arbeiten als Betreuerinnen im „Foyer Marie Dominique“, einem Sozialzentrum der Don Bosco Schwestern in Abidjan an der Elfenbeinküste. Und Souhela ist dort ausgebildet worden. Patricia Konan und Lyliane Sanogo sind stolz, dass die 26-Jährige nach einigen Jahren der Ausbildung bei den Don Bosco Schwestern nun den nächsten Schritt gewagt hat. Sie betreibt ihren eigenen kleinen Laden: „Yeri’s Beauty Shop“.

Geschäftstüchtig mit gutem Konzept

Stolz, aber auch ein wenig schüchtern begrüßt Souhela (die keinen Nachnamen benutzt) die ersten Kunden in ihrem Geschäft. Kleider, Taschen, Accessoires hat sie in der Auslage drapiert. „Ich kaufe sie bei einem Großhändler. Die Ware kommt aus China“, erklärt sie. Den hinteren Teil des Geschäfts hat sie an eine Partnerin vermietet. Die betreibt dort einen Haarsalon. Idealerweise kauft man also bei Souhela ein Haarteil, künstliche Wimpern oder auch einen Lippenstift und lässt sich dann bei der Kollegin damit ausstatten. „Souhela war schon als Mädchen sehr geschäftstüchtig“, erinnert sich die Ordensfrau Ruth Cediel. Die Schwester stammt aus Kolumbien und gehört zur Leitung des Ausbildungszentrums. An Souhela erinnert sie sich mit einem Lachen: „Du hast schon damals Kuchen und Karamellbonbons verkauft.“ Gute Grundlagen für ein erfolgreiches Leben als Ladenbesitzerin. „Naja“, sagt Souhela, „damals bin ich in die Bäckerklasse gegangen.“ Jetzt also der Beauty Shop. Sie hat ihn nach ihrer Mutter benannt, die schon früh verstorben ist. Inzwischen ist sie selbst Mutter geworden, die Tochter heißt Ruth, den kleinen Sohn namens Christian hält sie auf dem Arm.

Im Zentrum der Don Bosco Schwestern gibt es reguläre Grundschulklassen genauso wie handwerkliche Ausbildungskurse für Mädchen. Einige lernen Bäckerin und Konditorin, andere machen einen Abschluss als Schneiderin. Eine der größten Herausforderungen: Was geschieht, wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig sind? Nicht alle werden gleich einen eigenen Laden eröffnen können. „Ja, das ist schwierig“, bestätigt Schwester Ruth Cediel. „Wenn sie von hier weggehen, dann finden sie oft nicht gleich eine Anstellung. Das ist schon manchmal entmutigend.“ Deshalb suchen die Schwestern Kontakt zu Geschäften, Firmen und Betrieben.

Und manchmal tun sich unverhofft neue Türen auf. Heute zum Beispiel hat sich ein Mann angekündigt, der den Mädchen im Zentrum etwas Gutes tun möchte. Ein kostenloses Mittagessen! Der Spender stammt aus ­Taiwan und hat schon in Österreich in der Gastronomie gearbeitet. „Jetzt habe ich ein asiatisches Restaurant in Abidjan“, sagt er, während sich die Mädchen an der Essensausgabe anstellen. Ein paar große Töpfe Reis mit frischem Gemüse, und das noch dazu als Spende, das kommt hier gut an. „Und ich bin immer auf der Suche nach Arbeitskräften“, sagt der Restaurantbesitzer zu den Schwestern. „Vielleicht kann ich ja einmal ein Praktikum anbieten?“ Sie vereinbaren, in Kontakt zu bleiben. Das wäre doch eine vielversprechende Zusammenarbeit.

Flucht vor häuslicher Gewalt

Am Mittagstisch sitzt auch ein Mädchen, dessen richtiger Name lieber nicht genannt werden sollte. Nennen wir sie Caroline. „Niemand weiß, dass sie bei uns ist“, sagt Schwester Ruth Cediel. Denn Caroline ist von zu Hause weggelaufen, genauer gesagt: geflohen vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Man hatte sie gegen ihren Willen verheiratet. Einmal, als es ihr zu viel wurde, hat sie wohl zurückgeschlagen. Dann lief sie weg. „Wissen Sie“, sagt Schwester Ruth, „bei der Zwangsehe geht es vor allem um den Brautpreis für ein Mädchen. Sobald das Geld von der Familie bezahlt worden ist, interessiert sich keiner mehr für die Frau.“

So erging es Caroline, die jetzt hoffen muss, dass sie nicht doch eines Tages von ihrer Familie aufgespürt wird. Gerade hier in der dicht besiedelten Nachbarschaft kann man zwar schnell einmal irgendwo Unterschlupf finden, aber genauso leicht wird man womöglich von einem Bekannten zufällig entdeckt. Eigentlich gibt es für solche Fälle Gesetze – aber ein Land wie die Elfenbeinküste hat lange Jahre der politischen Konflikte hinter sich, die den Staat nachhaltig erschüttert haben. Trotzdem arbeiten die Ordensfrauen im Alltag gut mit den staatlichen Stellen zusammen.

Oft sind es nämlich Polizisten oder Mitarbeiter vom Sozialamt der Stadt, die ihnen Kinder und Jugendliche bringen und sie darum bitten, sich um diese zu kümmern. So war es bei den beiden Mädchen Lisette und Ange. Sie lebten auf der Straße. Nachts suchten sie sich einen Schlafplatz unter einer Plastikplane oder unter einem der vielen Marktstände aus Holz, die dann verlassen dastehen. Eines Abends kam eine Polizeistreife vorbei. „Der Brigadier nahm sie mit und brachte sie zu uns.“

Ein Weg mit vielen Hindernissen

„Mir gefällt es hier“, sagt Lisette, während sie im Klassenzimmer sitzt und an einem Stück Stoff näht und schneidert. Sie lernt, wie man aus dem bunten Tuch die so beliebten afrikanisch-bunten Kleider macht. Vielleicht ist das auch für sie ein Weg in eine bessere Zukunft. Doch ganz so einfach lässt ihre Vergangenheit sie nicht los. Sie möchte gerne zurück zur Familie – aber ihre Eltern sind nicht mehr zusammen, sie haben beide neu geheiratet. Für sie als ältere Tochter sei im Moment kein Platz, sagen sie. Wie hart die Bedingungen in einem Viertel wie diesem sein müssen, lässt sich nur erahnen.

Auf den ersten Blick herrscht dort ein großes Chaos aus einfachen Behausungen, einem Gewirr an Kabeln und Stromleitungen. Bewohner des Viertels erzählen von Kriminalität, auch Orte der Prostitution gebe es. Drogenkonsum sei weit verbreitet. Und auch die Gewalt ist immer da. Die Don Bosco Schwestern haben das selbst erlebt. Sie wohnten eine Zeit lang mitten drin in Divo, doch es wurde ihnen zu gefährlich. Ihr kleines Haus wurde von allerlei seltsamen Gestalten aufgesucht. „Da sind wir lieber weggegangen“, sagt Schwester Ruth. Nur wenige Hundert Meter weiter liegt nun das Foyer Marie Dominique. Es wird bewacht und ist mit einem eisernen Tor verschlossen. Die Schülerinnen sollen dort sicher sein – aber die Leiterinnen eben auch. „Wir haben trotzdem keine Angst“, sagt die Schwester. Sie vertrauen darauf, dass sie für ihre Arbeit Wertschätzung bekommen.

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in der Elfenbeinküste bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Schutz und Bildung

Abidjan, die frühere Hauptstadt der Elfenbeinküste, ist Standort des Provinzialats der Westafrikanischen Provinz der Don Bosco Schwestern. Neben der Verwaltung gibt es dort eine Volks- und Berufsschule, ein Oratorium und das Foyer Marie Dominique als Wohnheim für schutzbedürftige Mädchen.


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