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Wie zwei junge Frauen ihren Freiwilligendienst in Ruanda erlebt haben

Sonja Schellenbaum und Gesine Müller waren ein Jahr in Ruanda. Als Don Bosco Volunteers haben sie sich um benachteiligte Kinder und Jugendliche gekümmert. Ein Jahr, das sie nicht vergessen werden und das ihren Blick auf die Welt verändert hat.

veröffentlicht am 16.08.2024

Es ist Samstag und rund 100 Kinder stehen geduldig in einer Schlange. Sie warten darauf, dass die Don Bosco Einrichtung ihre Türen öffnet. Sie freuen sich auf das Essen, das verteilt wird. Das wird vielleicht ihre einzige Mahlzeit am Wochenende sein. Die meisten von ihnen leben auf der Straße. Viele sind barfuß und ihre Kleider sind schmutzig. Manche leben bei ihren Eltern, bekommen aber nur selten eine warme Mahlzeit. Die Armut in dem ostafrikanischen Land ist groß.

Die Don Bosco Volunteers Sonja und Gesine kennen die Straßenkinder gut. Seit fast einem Jahr versorgen sie sie mit Essen und spielen mit ihnen. Die jungen Frauen sind Freiwillige in Rango, einem Ort nahe der Stadt Butare im Süden von Ruanda.

„Jeden Tag kommen Kinder zu uns und sagen, dass sie Hunger haben. Wenn wir ihnen dann etwas zu essen geben können, bin ich sehr glücklich“, erzählt die 19-jährige Sonja. Manche Jugendliche würden von ihren Eltern im Stich gelassen und seien ganz auf sich gestellt.

„Das Schönste ist für mich, mit den Kindern zusammen zu sein. Oft hören wir einfach nur Musik und spielen das Kartenspiel UNO zusammen. Und ich merke dann, wie sehr sie sich darüber freuen“, erklärt die 18-jährige Gesine aus Köln.

Spenden sammeln für eine warme Mahlzeit

Gesine und Sonja sind nach der Covid-Pandemie die ersten Freiwilligen in Ruanda. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Sie gehen mit der Köchin der Don Bosco Einrichtung einkaufen, helfen bei der Essensvorbereitung und -verteilung und geben den Berufsschülern Englischunterricht.

Um die Straßenkinder am Wochenende mit einer Mahlzeit zu versorgen, haben die beiden in Deutschland Spenden gesammelt. Anfangs kamen nur 20 Kinder, die versorgt werden mussten. Dann kamen immer mehr und zum Schluss waren es knapp 170 Jungen.

Rund 7.000 Kinder leben nach UNICEF-Angaben in Ruanda auf der Straße. Viele sind Waisen. Ein Grund hierfür sind der Krieg und der Völkermord im Jahr 1994. Aber auch Gewalt in der Familie, Vernachlässigung und Armut treiben Kinder auf die Straße. Die Kinder und Jugendlichen zieht es in die Stadt. Hier hoffen sie, besser überleben zu können. Doch das Leben auf der Straße ist hart. Viele halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Manche rutschen in die Kriminalität ab, begehen ­Taschendiebstähle oder schließen sich zu kriminellen Banden zusammen. Mädchen müssen sich oft prostituieren, um zu überleben.

Ruanda gehört immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag. Die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert sich vor allem auf die Hauptstadt Kigali. Die ländliche Bevölkerung profitiert weniger davon. Mehr als die Hälfte der Menschen in Ruanda sind jünger als 20 Jahre.

Durch die hohe Inflation sind Lebensmittel für viele arme Familien kaum noch bezahlbar. Bohnen etwa sind so teuer geworden, dass viele Familien sie sich nicht mehr leisten können. Erschwerend kommt hinzu, dass starke Regenfälle oft die Ernte vernichten – eine Folge des Klimawandels.

Unterschiedliche Kulturen kennenlernen

„Wenn du in Deutschland groß geworden bist, dann kannst du dir nicht vorstellen, wie es in Ruanda ist. Das Leben ist völlig anders“, betont Gesine. „Die ruandische und die deutsche Kultur sind sehr unterschiedlich“, bestätigt auch Sonja.

In Deutschland lebt Sonja in Bonn mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester und ihrer Katze Ernie zusammen. 2022 hat sie Abitur gemacht und wollte nicht direkt studieren. „Ich wollte etwas ganz anderes machen. Deshalb habe ich mich für ein Freiwilligenjahr in Ruanda entschieden.“

Ihre Erfahrungen und Begegnungen in Ruanda möchte sie nicht missen. „Das Essen, die Menschen, das tägliche Leben ... Es sind sehr viele Dinge.“ Sonja mag die ruandische Küche und liebt vor allem gebratene Kochbananen. Ihr gefällt, wie die Menschen sich kleiden. Sie tragen bunte, farbenfrohe Kleider. „Das sieht wunderschön aus.“ Und die Menschen seien sehr offen und hilfsbereit. Mittlerweile versteht Sonja auch gut Kinyarwanda, das von 90 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Nur wenige sprechen Englisch. Ihr ruandischer Freund Kayitare hat ihr und Gesine die ruandische Sprache beigebracht.

Viele Erlebnisse haben die junge Frau aber auch nachdenklich gemacht. „Hier sieht man Reich und Arm direkt nebeneinander. Die Unterschiede sind groß. Es hat mich sehr beschäftigt, wie ungerecht der Reichtum der Welt aufgeteilt ist“, sagt Sonja.

Selbstbewusster und unabhängiger werden

Gesine lebt mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester in Köln. Das Jahr in Ruanda hat sie selbstbewusster und offener gemacht. „Als ich im Flugzeug nach Ruanda saß, war ich ängstlich und sehr nervös. Ich wollte unbedingt das Auslandsjahr machen, aber ich wusste auch, es würde nicht einfach werden“, betont Gesine. Kraft und Mut gaben ihr die ehemaligen Don Bosco Volunteers, die von ihren Erfahrungen in Ruanda berichteten. „Sie haben uns ein gutes Gefühl und Selbstvertrauen gegeben.“

Ob sie nach ihrer Rückkehr in Deutschland wieder nach Ruanda reisen wird, weiß sie nicht. Aber eines ist ihr klar: „Wenn ich wieder hierher zurückkomme, dann wird es nicht so sein wie jetzt. Denn ich werde nur noch als Besucherin kommen.“

Für Gesine und Sonja ist ihr Freiwilligenjahr in Ruanda eine Erfahrung, die sie nirgendwo anders hätten machen können. (Ihre Eindrücke haben sie in einer Fotoreportage festgehalten.) „Die Freiwilligenarbeit in einem anderen Land und in einer völlig anderen Kultur hat mir geholfen, mich weiterzuentwickeln und unabhängig zu werden. Und sie hat mir ermöglicht, Menschen in einer anderen Kultur kennenzulernen“, sagt Gesine. „Eine andere Kultur verändert dein ganzes Denken über die Welt und welchen Platz du darin einnimmst. Ich denke, dass junge Menschen dadurch etwas über das Leben lernen.“

Sonja nickt zustimmend: „Wir können vielleicht nicht die Welt verändern, aber wir können bedürftigen Kindern helfen und ihnen schöne Momente bereiten.“ Allein dafür lohne sich ein Freiwilligenjahr. Ihr Jahr in Ruanda werden Sonja und Gesine nie vergessen. Ihre Erfahrungen werden sie ein Leben lang begleiten.

 

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Ruanda bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Don Bosco in Ruanda

Zur Einrichtung der Salesianer Don Boscos in Rango im Süden von Ruanda gehören eine Berufs- und Ausbildungsschule und das Oratorium, ein Jugendzentrum. Die Salesianer feiern regelmäßig Gottesdienste mit der katholischen Gemeinde in Rango und Umgebung. Die Schülerinnen und Schüler der Berufsschule machen eine Ausbildung im Schreinern, Kochen, Nähen, Schweißen oder Maurern. Zusätzlich erhalten sie Englischunterricht. Jeden Nachmittag kommen Kinder und Jugendliche aus der Umgebung, um Sport zu treiben oder zu spielen. Es gibt einen Fußball-, Basketball- und Volleyballplatz.

 


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