Ausbildung für alle
Schweinebraten auf Vietnamesisch
Vom Tellerwäscher zum erfolgreichen Gastronomen: Francis van Hoi hat nie aufgehört, an sich zu glauben. Diesen Mut will er an junge Menschen in Vietnam weitergeben – darunter auch Jugendliche mit Behinderung.
veröffentlicht am 28.02.2017
Francis van Hoi weiß, was Armut ist. Armut und Hunger prägten seinen Alltag als Kind in Vietnam. Als er nach Deutschland kam, jobbte er deshalb auch gerne in Restaurants. „Das ist eine harte Arbeit, aber du hast immer genügend zu essen. Selbst Essensreste können gut schmecken“, so der 64-Jährige, der heute ein angesehener Gastronom und Leiter der Don Bosco Hotelfachschule in Vietnam ist.
Der Vietnamese ist der Älteste von neun Geschwistern. Seine Familie war arm. Doch der junge Francis wollte sich damit nicht abfinden. „Armut ist kein Schicksal, sondern nur eine Phase, die irgendwann vorbei ist. Wenn du fleißig bist, dann kannst du auch erfolgreich sein“, erklärt van Hoi überzeugt. 1976 floh er von Vietnam nach München. Dort begann er, in Restaurants auszuhelfen. Erst als Tellerwäscher, dann machte er eine Ausbildung zum Koch, bis er später ein erfolgreicher Gastronom wurde. „Als ich in Deutschland angekommen bin, hatte ich keinen Koffer dabei und besaß noch nicht einmal einen Mantel. In meinen Dokumenten stand: ,staatenlos, heimatlos‘“, so der zweifache Vater. „Deutschland hat mir die Chance gegeben, zur Schule zu gehen, einen Betrieb aufzubauen und meine Ideen zu verwirklichen. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Das, was er erfahren hat, möchte er gerne an andere weitergeben. Deshalb hat er in Ho Chi Minh City, ehemals Saigon, mit Unterstützung von Don Bosco Mission Bonn eine Gastronomieschule gegründet. Eine Schule, die einzigartig in dem asiatischen Land ist. 120 Jugendliche besuchen zurzeit die Einrichtung im Süden des Landes. Alle kommen aus armen Familien. Innerhalb von drei Jahren lernen sie die Gastronomie von der Pike auf. Mit acht sehr etablierten Hotels kooperiert die Schule bereits. Die Nachfrage nach den Schülerinnen und Schülern ist riesig. Fachpersonal ist in Vietnam Mangelware.
Wenn im nächsten Jahr der erste Jahrgang seinen Abschluss macht, dann werden zwei der 120 Absolventen die Chance erhalten, nach Hamburg zu gehen. Sie werden bei der bekannten Köchin und Restaurantbesitzerin Cornelia Poletto eine Ausbildung im Servicebereich und in der Küche machen.
Nach sechs Monaten werden sie nach Vietnam zurückkehren und ihre Kenntnisse an die neuen Schüler vermitteln.
Keine Menschen zweiter Klasse
In der Don Bosco Schule wird international gekocht, auch herzhafte deutsche Gerichte stehen auf dem Lehrplan. Bayerischer Schweinebraten mit Knödeln und Blaukraut gehört dazu. Das Leibgericht von Francis van Hoi ist beliebt in den Restaurants. „Die Vietnamesen in Ho Chi Minh City lieben es, essen zu gehen und fremde Gerichte auszuprobieren. Die Restaurants und Hotels sind immer ausgebucht.“
Die Schule arbeitet nach den Standards der deutschen Industrie- und Handelskammer. Professionalität und Qualität stehen ganz oben auf der Agenda – doch es gehört noch mehr dazu: „Es geht nicht nur um die Vermittlung von fachlichem Können, es geht auch um die soziale, menschliche Entwicklung. Die jungen Leute sollen zu guten und verantwortungsvollen Menschen erzogen werden. Der Glaube, die christliche Überzeugung spielt hierbei eine wichtige Rolle.“
Francis van Hoi will den jungen Leuten aus armen Familien Zukunftsperspektiven bieten. Sie sollen sich nicht wegen ihrer Armut schämen, sondern selbstbewusst werden. Er will ihnen zeigen, dass sie keine Menschen zweiter Klasse sind. „Die meisten Jungen und Mädchen, die zu uns kommen, leiden an Minderwertigkeitskomplexen. Sie denken, weil sie arm sind, sind sie weniger wert. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie ein wichtiges Glied der Gesellschaft sind und so viel wert sind, wie jeder andere Mensch auch“, betont er. Und der sympathische und voller Energie sprühende van Hoi ist das beste Beispiel dafür, dass ein Weg aus der Armut möglich ist.
Salesianer Don Boscos in Vietnam
Die Salesianer Don Boscos sind seit 1972 in Vietnam. Insgesamt gibt es 17 Einrichtungen an fünf verschiedenen Standorten. Zu den Angeboten zählen Jugendzentren, Pastoral- und Sozialzentren sowie weiterführende Schulen und Berufsbildungs-zentren. Ho Chi Minh City, ehemals Saigon, ist die größte Stadt des südostasiatischen Landes. In der Wirtschaftsmetropole leben rund sieben Millionen Menschen.
Eine Chance für Jugendliche mit Handicap
Der Tourismus in Vietnam hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Die Auszubildenden der Gastronomieschule von Francis van Hoi sind gefragte Fachkräfte. Auch Jugendliche mit einer Behinderung bekommen hier einen Ausbildungsplatz.
Vietnam ist weltweit das Land mit den meisten Menschen mit einer Behinderung: 7,5 Millionen Vietnamesen haben ein -Handicap, davon 1,7 Millionen Kinder -unter 18 Jahren. Diese hohen Zahlen sind auch eine Folge der Chemiewaffe „Agent -Orange“, die im Vietnamkrieg vor 50 Jahren durch die USA zum Einsatz kam.
Kinder mit einem Handicap haben in Vietnam ein schweres Schicksal. Eine Behinderung wird in der Bevölkerung immer noch als Strafe Gottes angesehen. Deshalb werden viele Jungen und Mädchen von ihren Familien verstoßen und landen auf der Straße. Hier sind sie Gewalt und Übergriffen wehrlos ausgesetzt. Oft schließen sich die Mädchen und Jungen in Gruppen zusammen, um sich besser schützen zu können. Mädchen sind besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden.
Francis van Hoi setzt sich schon seit 2005 für diese Kinder ein. In seiner Gastronomieschule, die er im Jahr 2014 gegründet hat, bekommen auch Kinder mit einem Handicap einen Ausbildungsplatz. Ihnen sowie anderen Kindern und Jugendlichen, die aus ärmsten Verhältnissen aus dem ganzen Land kommen, bietet er eine Zukunftsper-spektive. Mehr als 100 Jugendliche werden als Restaurantfachkraft, Bäcker oder Koch ausgebildet. Eine Ausbildung für Haushaltshilfen soll das Portfolio bald ergänzen.
Und sein Konzept hat Erfolg: Im Jahr 2015 konnten alle Auszubildenden an Hotels vermittelt werden, um dort ein Praktikum zu machen. Der Tourismus in Vietnam hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. 6,7 Millionen Touristen reisten 2012 ins Land. Allein in Ho Chi Minh City gibt es Dutzende Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels, dazu kommen mehrere tausend Restaurants und Imbisse. Die Gastronomieschule arbeitet eng mit den Sterne-Hotels zusammen. Da gut ausgebildetes Personal Mangelware ist, sind die Chancen auf einen Job nach der Ausbildung sehr gut. Die Jugendlichen bekommen eine professionelle Ausbildung und ein Zertifikat, das von den deutschen Außenhandelskammern anerkannt ist.
Neben einem Mangel an gastronomischem Fachpersonal herrscht in Vietnam auch ein Mangel an Fachlehrkräften. Deshalb sollen einige Absolventen später als Lehrer gewonnen werden. An der Schule unterrichten Lehrkräfte aus aller Welt. Sie kommen etwa aus Deutschland, Irland, Australien oder Kalifornien. Zudem gibt es viele lokale Unternehmer, die die Schule ehrenamtlich unterstützen.
Die Berufsausbildung dauert drei Jahre und besteht aus einem theoretischen und praktischen Teil. Einen Teil ihrer praktischen Ausbildung absolvieren die Lehrlinge in einem Ausbildungsbetrieb. Während der Ausbildung wohnen die Schülerinnen und Schüler in einem Wohnheim. Die Ausbildung und das Wohnheim sind für sie kostenlos. Der Umsatz aus dem Restaurant fließt ganz in die Förderung der Lehrlinge. Mit ihrem Trinkgeld bezahlen sie zum Beispiel ihre Schulbücher.
Die Gastronomieschule wird unterstützt von der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ), Misereor und Don Bosco Mission Bonn.
Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Vietnam bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.