Frauen fördern

Von der Schneiderin zur Unternehmerin

Die 25-jährige Monisha hat sich in der südindischen Fischergemeinde Kollam mit einer kleinen Schneiderei eine eigene Existenz aufgebaut. Geholfen hat ihr dabei ein Projekt von Don Bosco, das die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt stärken will.

veröffentlicht am 15.11.2024

Die Nähmaschine rattert unermüdlich. Jeden Tag sitzt Monisha* in ihrer kleinen Schneiderwerkstatt, näht Kleider und macht Änderungsarbeiten. Die 25-jährige Frau arbeitet gerne. Sie ist glücklich, dass sie ihr eigenes Geld verdienen kann. Ihr kleiner Sohn wird einmal bessere Zukunftschancen haben. Da ist die junge Frau sich sicher.

Monisha lebt in Kollam, einer Küstenstadt im südindischen Bundesstaat Kerala, zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem einjährigen Sohn. Wichtig ist ihr, dass ihr Sohn zur Schule geht, studiert oder auch eine Ausbildung macht. Nur so kann er der Armut entfliehen. Denn Monisha weiß, was es bedeutet, in Armut aufzuwachsen. Ihre Eltern hatten nicht viel Geld. Der Vater war Fischer und ernährte die Familie vom Fischfang. Ein unsicheres Geschäft, an manchen Tagen blieben die Netze fast leer. Monisha hat sich mittlerweile ihre eigene kleine Existenz aufgebaut. Sie betreibt eine Schneiderei in Kollam und verdient rund 160 Euro pro Monat. Zusammen mit dem Lohn ihres Mannes kommt die Familie ganz gut über die Runden. Und sie schaffen es sogar, etwas Geld zu sparen – für die Zukunft ihres Sohnes.

„Schon in meiner Kindheit habe ich gerne geschneidert. Anfangs habe ich Kleider für meine Barbie-Puppe genäht. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages selbstständig arbeiten und eine Schneiderei eröffnen würde“, erinnert sich Monisha. Nach der 12. Klasse belegte sie in den Ferien eine zweimonatige Schneiderausbildung. Später nahm sie kleinere Nähaufträge von der Familie und Freunden an.

Der Workshop gab ihr den Mut, neue Wege zu gehen  

Ihr Studium hat sie mit Näh- und Schneiderarbeiten finanziert. Ihr Vater wollte nicht, dass sie arbeiten geht, sondern zu Hause bleibt und im Haushalt hilft. Also verbrachte sie die meiste Zeit zu Hause – trotz eines ab geschlossenen Studiums. Als sie heiratete, war es ihr Mann, der sie anspornte, sich beruflich weiterzuentwickeln.

Eine Frauenselbsthilfegruppe machte ihr schließlich Mut, neue Wege zu gehen. Die Selbsthilfegruppe war Teil des Projektes „WELivE“. In zahlreichen Workshops werden die Frauen geschult, wie sie erfolgreich ein eigenes Unternehmen führen können. Ziel des Don Bosco Projektes ist es, die Rolle der Frauen in den Fischergemein den von Kollam langfristig zu stärken. „Die Workshops haben mir die Augen geöffnet. Ich habe viele Ideen und Tipps bekommen. Das hat mich inspiriert, eine eigene Schneiderei zu eröffnen“, erzählt Monisha.

„Innerhalb von zwei Jahren haben 300 Frauen aus der Küstengemeinde Kollam an den WELivE-Workshops teilgenommen. Viele von ihnen betreiben jetzt erfolgreich ihr eigenes Unternehmen – etwa eine Schneiderei, Bäckerei, Geflügelzucht oder auch einen Gemischtwarenladen“, führt Salesianerpater Joby Sebastian, Leiter des Projektes, aus.

Ihr Startkapital: ein Kleinkredit und zwei elektrische Nähmaschinen

In den WELivE-Workshops würden auch staatliche Programme für Kleinunternehmer vorgestellt. „Dadurch haben wir erfahren, dass Frauen aus den Fischergemein den auch Kleinkredite erhalten können“, sagt Monisha. Sie beantragte schließlich ein Darlehen, das bewilligt wurde. So konnte sie mit dem Kredit ihre Schneiderei direkt neben dem Haus ihrer Eltern aufbauen. Zusätzlich zu den Kreditzuschüssen unterstützte die Regierung sie mit zwei elektrischen Nähmaschinen. Während sie in ihrem Geschäft Kleider näht, verbringt ihr Sohn den Tag bei ihrer Mutter oder manchmal auch bei Verwandten. Abends ist die kleine Familie dann in ihrem Zuhause vereint.

„Früher war ich eher schüchtern und habe mich nicht getraut, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Durch die Workshops habe ich an Selbstvertrauen gewonnen und keine Angst mehr, andere Menschen anzusprechen“, erklärt Monisha. Die junge Unternehmerin steht jetzt in engem Kontakt mit anderen Schneiderinnen. Gemeinsam legen sie die Preise für Schneiderarbeiten fest. Monisha ist mittlerweile eine selbstbewusste Frau, die viel reist – auch um andere Schneiderinnen und Kunden zu treffen.

„Frauen müssen viele gesellschaftliche Herausforderungen und Hürden überwinden, um Unternehmen zu gründen. Viele Frauen in meinem Umfeld arbeiten nicht und bleiben zu Hause. Ihnen gefällt es nicht, dass ich selbstständig bin und Geld verdiene. Sie halten mich für arrogant, weil ich unabhängig bin“, so Monisha. Doch Pater Joby Sebastian betont: „Unser Anliegen ist es, die Rolle der Frauen in den lokalen Gemeinden zu stärken und gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.“ Nur so könne sich langfristig etwas ändern.

Ihr Wunsch: Mitarbeiterinnen einstellen und im Laden Stoffen präsentieren

Die Schneiderei von Monisha läuft gut – besonders zur Weihnachtszeit im Dezember. Die Bevölkerung der Stadt ist überwiegend katholisch und es gibt zahlreiche Aufträge. Monisha führt ihr Geschäftswachstum vor allem auf eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda zurück. Die junge Frau näht besonders gerne festliche Bekleidung wie Hochzeitskleider oder Saris. Auch Kinderkleider sind sehr gefragt. Familie, Freunde und Kunden informiert sie über WhatsApp. „Ich nutze WhatsApp zum Beispiel, um über neue Kleiderstoffe zu informieren, die ich von meinen Lieferanten bekommen habe. Die Kunden erteilen mir oft Aufträge direkt über die App. Den größten Umsatz mache ich zurzeit aber noch mit Kunden, die ihre Kleiderstoffe mitbringen.“

Monisha möchte ihr Geschäft mit der Zeit ausbauen. „Ich möchte es vergrößern und weitere Schneiderinnen einstellen. Dann möchte ich im Laden eine große Auswahl an Stoffen haben, die ich meinen Kundinnen zeigen kann.“ Es stehen auch ein paar Veränderungen an. Bald reist Monishas Ehemann nach Ungarn. Dort hat er einen Fünf-Jahres-Vertrag mit einer Firma unterzeichnet. Ihr Mann hat in Kollam keinen festen Job als Schweißer. „Wir wissen nie, was er Ende des Monats an Lohn mit nach Hause bringt. Manchmal muss er meinen Vater begleiten und fischen gehen, um etwas zu verdienen.“ In Ungarn wird das anders sein. Dort hat er ein festes monatliches Einkommen. „Die nächsten fünf Jahre bedeuten für uns eine große Herausforderung. Das wird nicht leicht. Zumindest bekommt er jedes Jahr einen Monat Urlaub, um uns zu besuchen.“

Zudem hofft Monisha, dass sie ihren Mann einmal in Ungarn besuchen kann. Ihr Geschäft verliert sie dabei aber nicht aus den Augen. „Wenn die Qualität der Kleiderstoffe in Ungarn gut ist, könnte das auch etwas für meine Kundinnen und Kunden hier sein. Ich kann mir das gut vorstellen: Kleider in Kollam zu nähen, die aus importierten Stoffen aus Ungarn stammen. Das wäre fantastisch.“

*Name von der Redaktion geändert

 

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Indien bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Frauen fördern, Kinder stärken

Die Salesianer Don Boscos sind seit 1906 in Indien. Ihre Arbeit begann in der südindischen Stadt Chennai. Mehr als 2.500 Salesianer sind zurzeit an rund 200 Standorten in Indien aktiv. Eine ihrer Initiativen ist das WELivE Programm, um Frauen und Müttern eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Denn die Erfahrung zeigt: Berufstätige Frauen halten die Familien zusammen. Sie sorgen mit für die Ernährung und Ausbildung ihrer Kinder. Frauen fördern und Kinder stärken – ein Modell, das funktioniert.


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