Neuer Lebensabschnitt

Keine Angst vorm ersten Kita-Tag!

Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber erlebt immer wieder Eltern, die am ersten Kita-Tag ihrer Kinder gestresst und mit einem Kloß im Hals vor ihm stehen. Er kann sie beruhigen – und empfiehlt ihnen, Vertrauen zu haben.

veröffentlicht am 16.06.2023

Geht Ihnen das auch so? Die Temperaturen steigen, der Sommer ist da, die Wärme macht einem zu schaffen und man hofft auf den Urlaub, der nun in greifbare Nähe rückt. Vor allem im August, scheint mir, läuft alles etwas langsamer. Es gibt weniger Termine, einige Läden sind geschlossen, Kollegen und Kolleginnen im Urlaub. Der August ist im Allgemeinen eine erholsame Zeit – auch wenn man sich manchmal fast zwingen muss, die „Maschine“ etwas herunterzufahren und es ruhiger angehen zu lassen.

Irgendwann kommt dann der Moment, in dem wir morgens aufs Handy oder in den Kalender schauen und feststellen: Der 1. September ist da. Mit einem Augenblick herrscht eine andere Stimmung. Was? Schon? Oh nein! Das Kindergarten- bzw. Schuljahr fängt bald an, es ist noch so viel zu tun. Zum Glück ist alles von der „Für den ersten Kita-Tag“-Liste bereit, auch wenn noch eine Brotzeitdose fehlt. Ach ja, und natürlich das Turnsäckchen, für das wir noch Turnschuhe mit hellen Sohlen brauchen. Wo liegt der Zettel mit dem Termin des ersten Kindergartentages? Soll ich nochmal anrufen? Nein, dann denken sicher alle, dass ich verplant bin, noch bevor man mich persönlich kennenlernt. Was für ein Stress!

Abgemüht und nervös

Und wann sagt man dem Kind eigentlich am besten, wann es losgeht? Einerseits möchte man nicht zu früh Unruhe ins Haus holen, andererseits braucht schließlich auch das Kind noch Zeit, sich darauf einzustellen und vorzubereiten, oder? Das Ganze gibt es natürlich auch kombiniert: Das große Kind wird eingeschult und das kleine kommt in die Kita. Hilfe!

Jedes Jahr erlebe ich auch in meiner Einrichtung, dass Eltern am ersten Kita-Tag abgemüht und nervös zur Tür hereinkommen, sich entschuldigen für alles, was sie vergessen haben und hoffen, dass das Ganze jetzt einigermaßen erträglich über die Bühne geht. Manchmal ist es kaum möglich, ein wenig beruhigend auf sie einzuwirken. Aber es ist ja auch nachvollziehbar. Schließlich verbringt das Kind vielleicht zum ersten Mal einige Stunden ohne die Eltern. Wenn dann am Ende alles viel einfacher gewesen ist als gedacht, ist die Erleichterung oft sehr groß.

Der Abschied schmerzt

Beim Abholen gibt es häufig schon die erste Überraschung: Mama! Mama! Ich habe schon einen Freund bzw. eine Freundin! Manchmal finden Kinder im Kita-Alter am ersten Tag direkt Spielgefährten und erzählen dann ganz stolz davon, nicht selten, ohne den Namen der neuen besten Freundin bzw. des neuen besten Freundes zu kennen. Ist das nicht schön?

Für uns Erwachsene ist der Start in den neuen Lebensabschnitt häufig mindestens genauso stressig wie für unsere Kinder. Es schmerzt, wenn man ein weinendes Kind in die Hände des Erziehers oder der Erzieherin im Kindergarten drückt – daran muss man sich erstmal gewöhnen.

Beziehung auf einem neuen Level

Nun gilt: Jetzt wird sich die Beziehung zwischen Eltern und Kind auf ein neues Level zubewegen. Vertrauen ist noch wichtiger als zuvor. Das, was in den vergangenen Jahren gelegt wurde, wird jetzt zum Tragen kommen. So mancher Elternteil fiebert dem Moment entgegen, in dem das Kind zum ersten Mal etwas erzählt, was nicht so gut war. Dann tritt die beruhigende Erkenntnis ein: Gott sei Dank, er oder sie vertraut mir. Ich bekomme schon mit, wenn etwas nicht passt.

Ich möchte Sie beruhigen! In aller Regel ist es so. Signalisieren Sie Ihren Kindern, dass sie Ihnen alles sagen dürfen. Dabei ist es wichtig, das nicht nur zu sagen, sondern auch zuzuhören, wenn der Fall dann eintritt – auch wenn der Moment noch so unpassend ist.

Dieses Vertrauen in Ihre Kinder wünsche ich Ihnen heute und auch das Vertrauen in das Vertrauen Ihrer Kinder. Freuen Sie sich auf den ersten Kita-Tag. Und vertrauen Sie darauf, dass der Kloß im Hals von Tag zu Tag kleiner wird.


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