Beziehungsfrage
Kann man Kleinkinder zu sehr verwöhnen?
Die Bedürfnisse der Kinder immer sofort erfüllen oder rechtzeitig Grenzen setzen – viele Eltern sind unsicher, was die richtige Lösung ist. Gerade am Anfang wollen sie nichts falsch machen. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.
veröffentlicht am 14.06.2024
„Unsere Eltern finden, dass wir unseren Sohn Matteo – er ist knapp zwei Jahre alt - zu sehr verwöhnen. Sie meinen, wir sollen nicht immer gleich auf seine Bedürfnisse reagieren und uns eine klare Haltung in der Erziehung angewöhnen. Etwas auszuhalten und sich an Grenzen zu halten sei für Kinder wichtig. Da Matteo unser erstes Kind ist, möchten wir nichts falsch machen. Andererseits wollen wir auch nicht, dass er zu viel weint.“
Jill, 29
Gerade beim ersten Kind stellen sich viele Fragen zum ersten Mal. Unterschiedliche Erziehungsstile und Haltungen von Eltern und Großeltern zeigen sich nun deutlich. Sowohl Grenzen als auch Unterstützung sind für Kinder sehr wichtig. Doch das Allerwichtigste ist es, eine gute Beziehung zu Ihrem Kind aufzubauen.
Sichere Bindung
Ihr Sohn braucht eine sichere Bindung und Beziehung zu Ihnen, um sich selbst sicher in der Welt bewegen zu können. Es bietet Ihrem Sohn Schutz, wenn Sie auf seine Signale hören. Dazu gehört beispielsweise:
- wahrzunehmen, wie es ihm geht und was er gerade braucht …
- zu schauen, was los ist - ob er sich gut oder schlecht fühlt ...
- sich ihm zuzuwenden, wenn er schreit oder weint …
Regeln und Grenzen
Auf der Basis einer guten Beziehung zu Ihrem Kind können Sie auch auf die Einhaltung von Regeln und Grenzen achten. Wichtig zu wissen: Dabei spielt das Alter Ihres Kindes eine große Rolle. Mit seinen knapp zwei Jahren ist Matteo noch viel zu klein, um sich in andere hineinzuversetzen. Dies wird er erst ungefähr ab dem vierten Lebensjahr können. Allerdings begreift er jetzt schon, wenn Sie „Nein“ sagen oder ihn von Sachen zurückrufen. Ihr Sohn befindet sich in der sogenannten Autonomiephase. Das bedeutet: Er will sich selbst in der Welt bewegen und ausprobieren, was er schon kann oder verstanden hat. Deshalb wird er immer wieder testen, ob ein „Nein“ noch gilt.
Dazu ein Beispiel: Matteo holt Erde aus den Blumentöpfen heraus. Sie sagen mehrmals „Nein“ – und er buddelt trotzdem weiter. Wahrscheinlich schaut er Sie dabei fragend an. Auf diese Weise vergewissert er sich, dass Ihr „Nein“ noch gilt und er Ihr Verbot verstanden hat.
Wutanfälle gehören dazu
Hinzu kommt, dass Kinder in Matteos Alter sich schon eigene Gedanken über Abläufe machen, sich beteiligen möchten oder bestimmte Dinge erwarten. Läuft es dann anders als gedacht, reagieren sie häufig mit einem Wutanfall. Das kann schon passieren, wenn Kleinigkeiten anders laufen als gewöhnlich. Zum Beispiel: Auf dem Frühstückstisch steht die „falsche“ Tasse – und Ihr Sohn fängt laut an zu schreien. Das macht er aber nicht, um Sie zu ärgern oder um über Sie zu bestimmen. Sondern: Er versteht die Welt nicht mehr und reagiert darauf mit einer Art „Systemabsturz“. Wichtig ist, sein Verhalten nicht als Ungehorsam oder persönlichen Angriff zu deuten. Denn für ihn gehört zum Frühstück die eine blaue Tasse und keine andere, sonst ist die Welt nicht in Ordnung. Gerade in solchen Momenten braucht Ihr Kind eher Verständnis von Ihnen als klare Ansagen. Daher ist es gut, wenn Sie als Eltern auf sich selbst achten und sich gegenseitig unterstützen.
Und was die Großeltern angeht: Es kann helfen, ihnen zu erklären, dass Matteos Gefühle kein Ungehorsam sind und sich nicht gegen die Erwachsenen richten. Das zu verstehen, erleichtert sicher auch Oma und Opa den Umgang mit dem vermeintlichen „Trotzkopf“.
Text: Sabine Maria Schäfer, Erziehungsberaterin, systemische Familientherapeutin und „Kess-erziehen“-Kurs-Referentin
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