Höflichkeit

Müssen Kinder Bitte und Danke sagen?

Ein Mädchen sagt beim Bäcker nicht Danke, als es etwas geschenkt bekommt. Die Mutter ist genervt. Was hinter diesen Verhaltensweisen steckt und welche Lösungen es gibt. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.

veröffentlicht am 03.05.2024

„Neulich waren meine Tochter (6 Jahre) und ich zusammen einkaufen. In der Bäckerei bekam sie eine kleine Süßigkeit geschenkt. Wieder musste ich sie ermahnen ,Danke' zu sagen! Das nervt mich sehr, denn ich empfinde ihr Verhalten als unhöflich der schenkenden Person gegenüber.“
Betül, 34

Ihre Empfindung kann ich gut nachvollziehen. Hier geht es um Werte wie Dankbarkeit und Höflichkeit. Ihnen ist es wichtig, dass diese Werte von Ihrem Kind gelebt werden. Das erwarten auch viele andere Eltern: Wir wünschen uns, dass unsere Kinder von sich aus grüßen, „Danke“ und „Bitte“ sagen, sich entschuldigen. Dahinter steht: Wir halten diese Werte im Umgang mit anderen für selbstverständlich. Und wenn sie von unseren Kindern nicht immer so selbstverständlich gelebt werden, ärgert uns das oder wir sind frustriert. Dazu kommen Gedanken darüber, was andere – in diesem Fall die schenkende Person – über uns denken. Wir fühlen uns mit dem Vorwurf konfrontiert, unsere Kinder nicht richtig zu erziehen.

Werte leben

Doch hier stellt sich die Frage: Macht es überhaupt Sinn, ein Kind (vor anderen) zu ermahnen, wenn es sich nicht bedankt oder sich nicht entschuldigt? – Dafür ist es wichtig zu wissen: Werte wollen verstanden werden, damit sie gelebt werden können. Zu spüren und wahrzunehmen, dass mir jemand etwas Gutes tut, mir was gönnt, mir eine Freude bereiten möchte – das lernt ein Kind erst nach und nach. Auch wenn das Kind jemanden (unabsichtlich) gekränkt, verletzt, beleidigt oder unfair behandelt hat, braucht es ein Gespür für die Situation. Und das entwickeln Kinder erst mit der Zeit. In den ersten Lebensjahren können sie sich noch gar nicht in andere Menschen hineinversetzen. Und, andersherum betrachtet: Ihr Kind braucht auch die Erfahrung, dass sein Dank, seine Bitte, seine Entschuldigung oder sein Gruß geschätzt werden. Dadurch fühlt es sich ermutigt, an diesem Verhalten dran zu bleiben.

Vorbild sein

Sie unterstützen Ihr Kind dabei, indem Sie Werte, die Ihnen wichtig sind, im Familienalltag (vor-)leben:

  • Wenn ich als Mama / Papa etwas vom Kind brauche oder möchte, dann bitte ich darum und erteile keinen Befehl.
  • Wenn das Kind mir von sich aus was Gutes gönnt, mit mir teilt, mich unterstützt oder etwas Liebevolles zu mir sagt, bedanke ich mich. Es tut auch gut, wenn der Dank mit einem ermutigenden Kommentar verstärkt wird, wie: „Danke! Du hast mir sehr geholfen!“ – „Das ist sehr lieb von dir, dank dir!“ – „Klasse Idee! Danke dafür!“
  • Wenn mich mein Kind um etwas bittet, zum Beispiel: „Kannst du mir bitte noch etwas zu Trinken einschenken?“, dann reagiere ich mit einem „Gerne!“ darauf. Oder ich sage: „Das mache ich sehr gern für dich!“. So spürt und erlebt das Kind in ganz alltäglichen Situationen, wie es „funktioniert“, wertschätzend miteinander umzugehen.

Ins Gespräch gehen

Vorbild sein ist das eine. Das andere ist, mit dem Kind ruhig und respektvoll über unsere Werte und das daraus folgende Verhalten zu sprechen. Also zu erklären, worum es uns geht, warum wir uns in manchen Situationen ein bestimmtes Verhalten wünschen. Vor dem nächsten Einkauf beim Bäcker könnte so eine Gelegenheit sein, mit dem Kind ins Gespräch zu gehen. Und wenn das Kind von sich aus „Danke“ sagt oder grüßt, dann darf man das gerne ermutigend kommentieren: „Klasse, über dein Danke hat sich die Verkäuferin sehr gefreut. Und ich auch!“

Text: Sebastian Wurmdobler, Gemeindereferent und Kess-erziehen-Kursleiter

Dieser Beitrag auf elternbriefe.de

„elternbriefe du + wir“ ist eine Initiative der katholischen Kirche. Mehr unter elternbriefe.de

Werteintelligenz und Werteerziehung

Konflikte fordern heraus. Sie stehen für Meinungsverschiedenheiten. Was ist mir gerade wichtig? Was von Wert? Worum geht es mir? Diese Grundfragen spiegeln sich in allen Alltagsreibereien wider.

Daher sind solche Konflikte wichtig, genau so wie die klare Positionierung von Mutter und Vater im Erziehungsalltag und eine faire Auseinandersetzung darüber für Kinder und Jugendliche.

Werte müssen gelebt werden

Werte werden gelebt: Wir treffen uns zum Essen, um Gemeinschaft zu erfahren. Wir teilen Hausarbeit auf, damit Familie ein „Gemeinschaftsprojekt“ ist. Fernseh- und Internetzeiten werden begrenzt, damit das Leben vielfältig bleibt und eigene Fähigkeiten entfalten werden können. 

Es braucht die Erläuterung – mit Älteren oftmals die Diskussion darüber, weshalb etwas sinnvoll ist. Dies fördert die Werteintelligenz.

Werte erkennen; die Fähigkeit entwickeln, selbst Werte zu wählen und daraufhin gesetzte Ziele im Alltag zu verfolgen – dies bezeichne ich mit Werteintelligenz.

Erziehung basiert auf Werten

Kinder und Jugendliche schon früh in der eigenen Bewertung und Ausrichtung zu unterstützen, ist Ziel von Erziehung. Denn Lebenskompetenz erwirbt sich der Mensch zuallererst aufgrund von dieser Werteintelligenz. Über sie findet er zu einem eigenverANTWORTlichem Handeln, durch das er intelligent Antwort gibt auf die sozialen und eigenen Bedürfnisse und Fragen des Alltags.

Text: Christof Horst, Kess-erziehen-Institut für Personale Pädagogik


Verwandte Themen

zwei Kinder zwischen Autos wollen die Straße überqueren
Persönlichkeitsentwicklung
Kinder brauchen Regeln, darin sind sich die meisten Erwachsenen einig. Aber warum ist das so? Was genau bedeutet das? Und wie viele Regeln sind nötig und sinnvoll? Eine Einordnung von Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber.
Junge mit Schulrucksack lehnt schüchtern an Mauer
Verhalten
Wenn Kinder sich in Gruppen unwohl fühlen, kann das unterschiedliche Ursachen haben. Wie Eltern mit der Situation umgehen und ihr Kind bestmöglich unterstützen können. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.
Oma und Enkelin umarmen sich liebevoll
Erziehung
Ernährung, Geschenke, Mediennutzung: Zuhause gelten klare Regeln. Die Großeltern sehen Vieles anders. Was tun? Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.