Nachhaltig leben

Biobauer Benedikt Ley arbeitet im Einklang mit der Schöpfung

Seit mehr als zehn Jahren betreibt der geborene Bayer Benedikt Ley einen Hof an der Ostsee. Schritt für Schritt machte der heute 40-Jährige aus dem konventionellen Betrieb eine ökologische Landwirtschaft. Auch und vor allem, weil sein Glaube ihn prägt.

veröffentlicht am 27.08.2024

Eigentlich ist keine Zeit für so eine Aktion an diesem Samstag im September mitten in der Erntezeit. Das Getreide muss eingebracht werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ohnehin fast rund um die Uhr im Einsatz. Dennoch: Mehr als 60 landwirtschaftliche Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern öffnen bei der „Bio-Landpartie“ 2023 ihre Höfe für Besucherinnen und Besucher. Mit dabei ist auch der Mühlenhof Zepelin von Biobauer Benedikt Ley.

Gegen zehn Uhr morgens zuckeln die ersten Gäste in ihren Pkw über die Feldwege am Hoftor vorbei in Richtung Windmühle. Dort sind Biertische aufgebaut und eine professionelle Grillstation. Es gibt ein ­Schafsgehege, ein Gummi-Euter zum Melken-Üben und eine kleine Pflanzenschau. In der Mühle werden Kaffee und Kuchen verkauft. Vor der Rinderweide parkt ein solarbetriebener Agrarroboter.

Der Hausherr ist seit halb fünf auf den Beinen. Beim Bäcker ein paar Dörfer weiter hat er die 550 bestellten Brötchen abgeholt und auf dem Rückweg noch schnell mit dem Spaten eine besonders schöne Zuckerrübe aus einem seiner Felder ausgebuddelt. Einige letzte Absprachen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dann kann es losgehen. Jetzt begrüßt der schlanke, bärtige Mann in der olivgrünen Fleecejacke die Gäste, zeigt die Felder, die Tiere und den Roboter – und erklärt immer wieder geduldig, warum er das tut, was er tut.

Ein langer Weg von einer LPG zum Biohof

Vor inzwischen rund elf Jahren hat der heute 40-Jährige den Hof in der Gemeinde Zepelin im Landkreis Rostock übernommen. Eine halbe Stunde dauert es mit dem Auto bis zur Ostsee. Mehr als 2.000 Hektar Fläche bewirtschaftet der Betrieb. Rund 800 Rinder, 150 Freilandschweine und 60 Mutterschafe mit ihren Lämmern werden dort gehalten, außerdem eine Gänseherde. Der Hof, zu DDR-Zeiten eine LPG Pflanzenproduktion, wurde nach der Wende als konventioneller Betrieb geführt. Benedikt Ley hat daraus Schritt für Schritt eine ökologische Landwirtschaft gemacht. Seit 2018 ist der gesamte Mühlenhof ein Bioland-Betrieb.

„Früher wurden nur drei Früchte angebaut und auf manchen Flächen teilweise schon 20 Jahre hintereinander nur Mais in Monokultur“, sagt Ley. Großflächig Spritzmittel und Kunstdünger einzusetzen, war normal. „So einen Betrieb umzustellen auf Ökolandbau, das Gesamtsystem zu verändern, das geht nicht von heute auf morgen.“ Über Jahre hinweg habe er versucht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das neue Konzept zu begeistern, sie auf Schulungen mitzunehmen, andere Betriebe zu besichtigen und sein Vorhaben immer wieder zu erläutern. Auch einige Verpächter, die Bank und nicht zuletzt die Kunden mussten überzeugt werden. „Man musste sich da auf einen relativ langen Weg machen, um alle Partner davon zu überzeugen, dass das geht.“

Was noch hinzukam: Ley stammt nicht aus der Gegend. Er ist in einem kleinen Dorf im Landkreis Bad Tölz in Oberbayern aufgewachsen. Nach einer landwirtschaftlichen Lehre wurde er staatlich geprüfter Techniker für Landbau. Bereits mit 18 Jahren gründete er in seinem Heimatort ein Unternehmen für Grünflächen- und Landschaftspflege. 2013 kam er auf den Mühlenhof. „Es hat am Anfang einfach gedauert, weil die Leute hier durchaus auch schlechte Erfahrungen mit ‚den Wessis‘ gemacht haben“, berichtet er. Ley arbeitete ein Jahr lang im Betrieb mit und schaute sich alles an. Danach begann er, erste Veränderungen anzustoßen.

„Jedes Mal ein Wunder der Schöpfung“

Mit dem Hof hat Ley sich einen Kindheitstraum erfüllt. „Seit ich sprechen kann, wollte ich immer Bauer werden“, sagt Ley in seinem immer noch deutlich hörbaren oberbayerischen Dialekt. „Mich hat als Kind schon sehr interessiert, welche Früchte auf dem Acker wachsen, was die Bauern machen, wer was mäht.“ Sein Vater sei oft abends mit ihm mit dem Auto über die Felder gefahren. Die einzelnen Phasen von der Aussaat bis zur Ernte mitzuerleben, habe ihn fasziniert. 

„Er hat schon als kleiner Junge jeden Traktor des Dorfes mit dem Gehör unterscheiden können“, erinnert sich Leys Vater Bernhard in einem Telefongespräch. In dem großen Garten des Einfamilienhauses, in dem die Familie wohnte, habe Benedikt „schon als kleiner Bub begonnen, in seinem Rahmen Landwirtschaft zu betreiben“, so der 81-Jährige. Das führte so weit, dass der Vater auf Bitten des Sohnes einen Kaninchenstall mit Urin-Abfluss-Leitung baute, sodass der Junge die aufgefangene Flüssigkeit im Garten mit der Gießkanne als Jauche ausbringen konnte. Auch Ziegen hat er auf dem Grundstück gehalten. Die Eltern selbst hatten mit Landwirtschaft nichts zu tun. Die Mutter war Bürokauffrau, der Vater arbeitete als Theologe und Sozialpädagoge mit Menschen mit Behinderung. Bernhard Ley ist überzeugt: Bauer zu sein, insbesondere Biobauer, ist für seinen Sohn „ein Beruf und eine Berufung“.

Diese Einschätzung wird jeder teilen, der Benedikt Ley auf seinem Hof erlebt. Wenn der junge Bauer einem Rind im Vorbeigehen liebevoll die Hand hinhält und sie von der dicken Kuhzunge abschlecken lässt. Wenn er sein Gesicht tief in einem Büschel frischen Heu versenkt und den Duft der Gräser und Kräuter in sich aufnimmt. Wenn er vorsichtig, fast zärtlich eine Lupinenpflanze aus der Erde hebt und vor Freude über den gelungenen Anbau strahlt. Oder auch, wenn er während der Bio-Landpartie trotz Stress und Trubel persönlich dafür sorgt, dass seine Mitarbeiter draußen auf dem Feld mit Grillwürsten und Brötchen versorgt werden. Dann wird deutlich: Hier ist einer ganz bei sich. Hier folgt einer einem Auftrag, einer inneren Stimme. Und das Leuchten, das er in sich zu tragen scheint, dringt bis nach außen.

Demut vor der Natur

Spätestens hier kommt etwas ins Spiel, das Ley von Kindheit an geprägt hat und sein Leben und seine Arbeit bis heute stark beeinflusst: sein christlicher Glaube. „Wenn wir im Herbst säen und nach etwa zehn Tagen spitzen die ersten Triebe aus der Erde, oder man hat den Geruch von einem gesunden Boden und dann einen frisch auflaufenden keimenden Getreidebestand, das ist jedes Mal wirklich ein Wunder der Schöpfung“, schwärmt er. „Für mich hat das etwas sehr stark Spirituelles, etwas ganz Schönes.“ Zwar sei er ein begeisterter Landwirt, der moderne technische Mittel einsetzt. Er nutzt satellitengesteuerte Traktoren und vollautomatische, solarbetriebene Agrarroboter. Manche Flächen werden bewässert. Auch bestimmte Dünger, die im Ökolandbau zugelassen sind, werden ausgebracht, um die Pflanze optimal zu versorgen. „Aber am Ende“, sagt Ley, der auch dem Kloster Benediktbeuern und den Salesianern Don Boscos eng verbunden ist, „sind wir darauf angewiesen, dass der Herrgott uns auch das richtige Wetter übers Jahr schenkt, damit wir nachher gut ernten.“ Seine Arbeit sei für ihn mit „einem großen Stück Demut“ verbunden.

Zu schaffen macht dem Ostsee-Bauern aus Oberbayern – neben dem Megathema Klimawandel – die politische Großwetterlage im Bereich der Landwirtschaft. Die Streichung von Steuer­erleichterungen und die absurde Bürokratie sorgen für viel Frust in der Branche, auch bei Benedikt Ley. Bei den Bauernprotesten Anfang des Jahres in Berlin waren vier Mühlenhof-Mitarbeiter mit Traktoren dabei, um gegen die Pläne der Regierung zu demonstrieren. Für die Biobauern, erklärt Ley, sei es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, ihre Produkte zu angemessenen Preisen an die Kunden zu bringen. Während der Corona-Pandemie hätten Bioprodukte einen regelrechten Boom erlebt. Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs und durch die hohe Inflation habe sich die Situation komplett geändert. „Es wird momentan eine Politik betrieben, in der man die Landwirtschaft sehr stark reglementiert“, sagt Ley. „Für uns wäre es viel attraktiver, wenn man dafür sorgen würde, dass die Abnahme der guten Produkte, also der Produkte, die wenig negative Nebeneffekte haben – in Bezug auf Trinkwasser, Klima, Artenvielfalt –, gesteigert wird.“

Die Bürokratie sorgt für Frust

Um sich vom Einzelhandel unabhängiger zu machen, setzt der Mühlenhof verstärkt auf andere Vertriebswege. Unter anderem hat er dafür seinen Onlineshop ausgebaut. Auch die Aufklärung der Verbraucher über den Biolandbau ist Ley ein großes Anliegen. Mehr als ein Jahr lang war der Mühlenhof regelmäßig in der NDR-Serie „Hofgeschichten“ zu sehen. Zudem hat Ley eigene Filme für die Website des Betriebs produzieren lassen. Auch auf Social Media sind er und sein Team präsent.

„Ich bin überhaupt kein Selbstdarsteller und will mich da nicht in den Vordergrund rücken“, erklärt Ley. „Aber es braucht aus meiner Sicht in der Landwirtschaft Menschen und Betriebe, die sich öffnen und erklären, was gemacht wird.“ Auch deshalb war sein Hof 2023 bereits zum zweiten Mal bei der Bio-Landpartie dabei. In diesem Jahr wird er wieder teilnehmen. Quasi als Zusatznutzen betreibt Ley mit seiner Öffentlichkeitsarbeit sehr erfolgreich Personalmarketing: Alle Ausbildungsplätze auf dem Mühlenhof sind auf Jahre hinaus besetzt.

Bei der Bio-Landpartie ist es inzwischen Nachmittag geworden. Die Gäste streunen über das Gelände. Kinder streicheln die Schafe. Erwachsene genießen unter leicht bewölktem Himmel Kaffee und Kuchen oder probieren die Grillwürste aus Fleisch von Mühlenhof-Rindern. Ein Mädchen darf auf einem Schimmel einige Runden über die Wiese reiten. Ein Opa erklärt seiner Enkelin, wozu Windmühlen früher gebraucht wurden. Gastgeber Ley ist weiterhin im Dauereinsatz.

„Wir sind wie eine Familie“

„Der macht das gut“, sagt ein großer, grauhaariger Mann, der zwei Monate zuvor als Mitarbeiter auf dem Mühlenhof angefangen hat, über seinen neuen Chef. „Der probiert viel aus.“ Auch eine ehemalige Angestellte, die in der Nachbarschaft wohnt und rund 50 Jahre in der Buchhaltung auf dem Hof tätig war, schaut auf dem Gelände vorbei und unterhält sich lange mit dem Hofbesitzer. „Sie war ein Anker für mich in der Anfangszeit“, sagt Ley und legt der agilen älteren Dame vertraut die Hand auf die Schulter „Wir waren wie eine Familie und sind es immer noch.“

Gegen Abend, die Besucherinnen und Besucher sind abgereist, wird auf dem Platz vor der Mühle ein großes Feuer entzündet. Jetzt beginnt das Fest für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch das ganze Dorf ist eingeladen. Es gibt Bier und Würstchen für alle. Ein guter Tag geht zu Ende. Der Mühlenhof Zepelin feiert. Mittendrin, erschöpft, aber glücklich, Benedikt Ley.


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