Meinung
„Mein Körper und ich“ – eine Dreifachmama berichtet über ihren Weg zur Selbstliebe
Die Bloggerin Alu Kitzerow hadert seit Kindheitstagen mit ihrem Aussehen. Doch durch die Geburt ihrer Kinder ist sie selbstbewusster geworden. Heute weiß sie: Ein deutliches Selbstbild wappnet gegen vieles. Und das will sie auch ihren Kindern zeigen.
veröffentlicht am 27.06.2022
Mein Körper und ich sind keine Freunde. Das waren wir leider noch nie. Schon als Kind bin ich ständig gestürzt oder gestolpert und war dann wütend, auf meine komischen Zehen oder meinen dicken Hintern. Ich war immer etwas zu pummelig für die Balletbretter dieser Welt, das sagte man mir ständig.
Diese Grundeinstellung der Zweifel hat sich im Laufe all der Jahre eigentlich nie geändert. In der Schule galt ich als „fett“, außerdem hänselte man mich wegen meiner Kartoffelnase. Zu meinem Abitur kaufte ich mir nicht mal ein schönes Kleid, sondern zog eines aus meinem Schrank an. „Wer würde jemanden wie mich schon in einem schönen Kleid sehen wollen“, fragte ich mich selbst und überspielte meine NICHT-Verbindung zu meinem Körper zu diesem Zeitpunkt mit jeder Menge Humor. Meine Freundinnen veranstalteten Kleidertauschpartys, ich bekam als einzig passendes Teil einen Schal zum Tausch angeboten und lachte mit – über Frauenkörper wie meinen, Körper außerhalb der Norm.
2007 wurde ich Mutter und mein starker Körper veränderte sich. Ich sah Dinge wachsen und schrumpfen, feste Seiten an mir weich werden und entdeckte meinen Körper nicht nur als Leistungsmaschine, sondern auch als weibliches Geschenk. Diese sehr tief sitzende Erkenntnis begann, mich zu verändern. Ich begann, mich selbstbewusster zu kleiden, suchte meinen eigenen Stil, und begann, mich als Frau und Mutter selbst kennenzulernen. Plötzlich erschien mir mein Hintern nicht mehr dick, sondern genau richtig kuschelig. Meine Zehen waren nicht komisch, sondern vielleicht sogar eher dynamisch kurz. Meine Nase konnte man als Abwehranlage gegen schlechte Gerüche einsetzen.
„Nicht ich war falsch, sondern das Bild, wie ein Körper zu sein hatte“
Ich begann mein Selbstbild zu verändern, weil ich MICH verändern wollte. Mit der Geburt einer Tochter wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass sie nämlich keinerlei Wertungen oder Beurteilungen in ihrer Kindheit erhalten sollte. Auch die Geburten von zwei weiteren Kindern trugen dazu bei, dass ich klarer sah. Nicht ich war falsch, sondern das Bild, wie ein Körper zu sein hatte. Ich begann, zu überlegen: Welchen Umgang mit Körperformen und Körperidealen wollte ich für mich selbst finden und was meinen Kindern vorleben?
Ich sah mir den Film „Embrace“ an und heulte danach wie ein Schlosshund. Das war ich, mitten in einem nie endenden Prozess rund um die eigene Hülle. Seitdem spreche ich mit unseren Kindern sehr offen über das Thema. Ich versuche, ihnen zu zeigen, wie wunderbar vielfältig und bunt unsere Welt und Gemeinschaft ist. „Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch ist besonders“, ist mein Leitsatz dabei, und so versuche ich, sie auch zu erziehen. Bei vielen Bildern und Videos auf Social Media zeige ich ihnen, was Filter und geschönte Bilder in diesem Internet ausmachen und dass ein klares, ein deutliches Selbstbild am besten gegen viele Dinge wappnet. Wir lesen Bücher mit starken weiblichen Charakteren und Kinderbücher, in denen alle Formen und Farben von Menschen vorkommen.
Ich bestärke meine Kinder mit klaren Ansagen gegen Mobbing, denn jeder Spruch wie „Na, dein Hintern braucht wohl nen extra Sitzplatz“ macht etwas mit der betroffenen Person. Einfacher ist dieser stetige Prozess jedoch nicht geworden. Von überall her ballern einem Werbeplakate entgegen, auf denen mit „Healthy Food“ oder der kommenden „Bikini-Saison“ geworben wird. Ich halte es jedoch inzwischen mit der Bikini-Saison so: Einen Beachbody hat jeder Mensch. „Take your body and go to the beach und schon hast auch du einen Beachbody” – so simpel.
„Embrace“ ist ein australischer Dokumentarfilm von Taryn Brumfitt, in dem Schönheitsideale hinterfragt und der Schlankheitswahn angeprangert werden. Ein Film gegen den Körperwahnsinn.