Begleitung ist wichtig

Mit Kindern zur Beerdigung – worauf Eltern achten sollten

Kinder wissen meist nicht, was sie bei einer Trauerfeier erwartet. In unserem Interview gibt Trauerberaterin Katrin Lehmann-Buss Tipps, wie Eltern ihren Kindern diesen schweren Tag erleichtern können und worauf sie achten sollten.

veröffentlicht am 22.03.2024

Schon für Erwachsene ist eine Beerdigung eine außergewöhnliche Situation. Ist sie der richtige Ort für ein Kind?
Eltern sollten ihre Kinder auf eine Trauerfeier oder eine Beerdigung vorbereiten. Viele Kinder wissen gar nicht, was ein Friedhof, eine Beerdigung oder eine Trauerfeier ist oder was dort passiert. Es ist wichtig, ihnen kindgerecht zu erklären, wie das vonstatten geht, was dort passieren wird und auch, was dort auf keinen Fall passieren wird. So kann man einem Kind bestimmte Ängste nehmen. Ab etwa dem sechsten Lebensjahr sollte man das Kind auch mit einbeziehen und fragen, ob es bei der Beerdigung dabei sein möchte.

Außerdem rate ich Eltern, dem Kind an diesem Tag jemanden zur Seite zu stellen. Das kann eine Tante, eine Nachbarin oder eine Freundin sein. Eltern und Angehörige sind viel mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt. Eine solche Begleitperson entlastet die Eltern und das Kind fühlt sich begleitet und kann zwischendurch auch Fragen stellen.
 
Wie können Eltern ihre Kinder am besten auf eine Beerdigung vorbereiten?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Familientrauerbegleiter, die meistens bei Vereinen wie den Johannitern oder Maltesern angegliedert sind, können Kinder im Vorfeld begleiten. Es gibt sehr gute Bücher, die bildlich und sprachlich kindgerecht darstellen, wie das bei einer Beerdigung ist. Ich nutze gerne das Buch „Geht Sterben wieder vorbei?“. Bis hin zu Klemmbausteinen, mit denen ich auch gerne arbeite. Gemeinsam mit den Kindern baue ich und zeige so, wie es in der Kirche aussieht, wie es in der Trauerhalle abläuft oder was ein Krematorium ist. Es gibt auch gute Videos, etwa mit der Trickfilmfigur Knietzsche. Das alles hilft, die Fragen des Kindes gemeinsam durchzuspielen und schon im Vorfeld zu beantworten. So erfährt es, wie beim Zahnarztbesuch, was passiert, und wir können einfangen, was die Kinder an Fantasie so mitbringen.

Sie schlagen vor, ein Kind ab sechs Jahren zu fragen, ob es bei der Trauerfeier dabei sein will. Können Kinder erst in diesem Alter verstehen, was auf der Beerdigung passiert?
Etwa im Vorschulalter entwickeln die Kinder ein Verständnis vom Sterben. Davor sehen sie, wenn sie eine Ameise zertreten, dass noch hunderte nachkommen, oder denken, dass sie gleich wieder aufsteht. Etwas, das kaputt ist, wird von Papa geklebt. Das ist mit ungefähr sechs Jahren dann nicht mehr so. Wenn der tote Vogel oder der tote Igel auf der Straße liegt, dann weiß man, dass er tot ist.

Sollten jüngere Kinder also lieber nicht mit auf eine Beerdigung gehen?
Bis zum vierten Lebensjahr können die Kinder sich schwer an die Beerdigung erinnern und auch schwer begreifen, was da passiert. Wenn es Fotos gibt, kann man sie dem Kind natürlich später zeigen, wenn es sieben oder acht ist. Ich kenne auch Zwei- und Dreijährige, die mitgenommen wurden, weil zum Beispiel ihre Mutter oder ihr Vater verstorben sind. Das hängt immer von den Umständen ab.
 
Was sollten Kinder zu einer Beerdigung anziehen?
Kinder sollten in diesem Moment einfach Kind sein dürfen. Für sie ist es eine völlig weltfremde Situation, alle in dunklen Farben zu sehen. Die Idee, auch Kindern einen schwarzen Anzug oder ein schwarzes Kleid anzuziehen, löst sich langsam auf. Die Beerdigungs- und Sterbekultur wird nicht mehr so eng gefasst. Bei Mädchen erlebe ich oft, dass sie ihr Lieblingskleid für Papa, Mama oder die Großeltern ausgesucht haben. Manche Familien entscheiden, ganz in Weiß zu gehen, und das Kind kann das mitentscheiden.

Worauf sollten Eltern oder Personen, die dem Kind während der Beerdigung zur Seite stehen, achten?
Dass es immer die Möglichkeit gibt, rauszugehen, ohne groß zu stören. Man sollte sich in der Trauerhalle vielleicht nicht unbedingt in die erste Reihe setzen. Bei kleineren Kindern rate ich immer, etwas zu trinken und etwas zu knabbern dabei zu haben. Man kann auch ein Buch mitnehmen oder Stifte und ein Blatt Papier. Wenn man in der letzten Reihe sitzt, ist das auch nicht sehr störend. Und wir sollten einem Kind immer die Freiheit lassen, dass wir mit ihm rausgehen können.

Wie können Eltern damit umgehen, wenn ein Kind eine Trauerfeier oder Beerdigung vielleicht doch stört?
Es ist immer die Frage des Maßes. Ich hatte letztes Jahr bei einer Trauerfeier in der Kirche eine Vierjährige, die Richtung Altar gelaufen ist. Man sah schon die angespannten älteren Herrschaften. Aber rechts vom Altar war das Foto des verstorbenen Vaters groß aufgestellt. Sie ist dorthin gegangen, hat dieses Foto geküsst und sich wieder hingesetzt. Es war ihr Bedürfnis und sie hat damit in diesem Moment keinem geschadet.

Wenn man aber merkt, dass alle schon gucken und dem Redner nicht mehr folgen können, oder wenn das Kind den Zeremonieablauf wirklich stört, sollte man es beiseite nehmen und ablenken. Man kann zum Beispiel sagen, wenn wir fertig sind, sind wir dran und können uns alles genau angucken. Natürlich ist es auch immer möglich, die Situation zu verlassen, sobald es zu laut wird.
 
Sollten Eltern auch nach der Beerdigung mit ihren Kindern über das Erlebte sprechen?
Wenn es Eltern oder Großeltern ganz persönlich betrifft, ist das natürlich schwierig. Man hat den Akt hinter sich gebracht und ist selbst ganz aufgewühlt und müde am Ende des Tages. Wenn das Kind dann Fragen stellt, will man eigentlich gar nichts mehr sagen. Kinder haben sehr feinfühlige Antennen. Man kann sagen, wir können am Frühstückstisch noch mal drüber sprechen oder ich zeig dir morgen noch mal ein Buch. Aber Mama muss sich jetzt ausruhen, für Mama war das sehr anstrengend. Kinder können damit ehrlicher umgehen, als wenn man sagt, das mach ich gleich. Und dann kann man es doch nicht, weil die Anstrengung in zehn Minuten leider nicht in Luft aufgelöst ist. Aber ich bin sehr für Nachbereitung.

Katrin Lehmann-Buss

Katrin Lehmann-Buss unterstützt mit ihrer Trauerberatung und Trauerbegleitung in Erfurt Kinder, Jugendliche und Erwachsene.


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