Gefühle beachten
Wenn Kinder mitkriegen, wie Eltern über sie reden
Kinder bekommen oft mehr mit als die Eltern denken. Was Mama und Papa über sie sagen, hat durchaus eine Wirkung und beeinflusst ihr Selbstbild. Was Eltern deshalb beachten sollten. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.
veröffentlicht am 12.09.2024
„Neulich waren wir bei der Kinderärztin. Auf alle Fragen der Ärztin hat meine Tochter (5 Jahre) schüchtern und stumm reagiert. Ich fragte sie später, warum sie denn nicht mit der Ärztin gesprochen habe. Sie antwortete: „Papa, du weißt doch, dass ich immer etwas Zeit brauche, um aufzutauen. So bin ich eben!“ – Und in der Tat hatte ich bei einem Gespräch mit anderen Eltern genau das über sie gesagt!“
Lars, 37
Oh ja, Kinder bekommen oft mehr mit, als wir meinen. Sie spüren und merken genau, wenn bei Gesprächen zwischen Eltern über sie geredet wird. Dabei erfahren Kinder, was Eltern über sie denken, und was sie von ihnen halten. Und das, was Kinder da so nebenbei hören, hat durchaus eine Wirkung.
„Mein Kind nervt!“
Dazu ein kleines Gedankenspiel: Stellen sie sich vor, Sie sind Niklas – 4 Jahre alt – und bekommen mit, wie Ihre Mama oder Ihr Papa anderen Eltern in genervtem Tonfall erzählt: „Meine Güte, Niklas macht jede Nacht Theater. Er gibt einfach keine Ruhe. Furchtbar, wie der aufdreht. Der macht mich fertig!“
- Was löst diese Äußerung bei Ihnen aus, wenn Sie sich in die Lage des Kindes versetzen?
- Was erfahren Sie über sich selbst?
- Was kommt bei Ihnen an?
- Welche Gefühle und Gedanken rufen diese Sätze in Ihnen hervor?
Vielleicht so was wie:
- Ich bin furchtbar.
- Meine Mama/mein Papa ist total genervt von mir.
- Meine Mama/mein Papa versteht nicht, warum ich nicht schlafen kann. Das interessiert sie/ihn nicht.
- Ich muss nur funktionieren. Meine Mama/mein Papa mögen mich nicht …
All das kann ein Kind aufgrund des Gehörten an Gefühlen und Gedanken mitschleppen. Das ist belastend und kränkend. Damit wird das Kind auf seine Art und Weise umgehen. Oftmals kommt es dann zu einem Verhalten, das uns als Eltern stört. Und darin steckt durchaus Konfliktpotenzial. Das bedeutet nicht, dass wir als Eltern einander nichts von unseren Kindern erzählen dürfen. Wichtig ist jedoch, sich respektvoll zu äußern – trotz allem.
„Meine Mama ist müde“
Schlüpfen wir noch einmal in die Haut von Niklas: Stellen Sie sich bitte wieder vor, Sie bekommen mit, wie über Sie geredet wird. Ihre Mama/Ihr Papa sagt zu anderen Eltern: „Niklas hat sich letzte Nacht alle paar Stunden gemeldet. Ich habe kaum geschlafen und bin jetzt echt kaputt. Ich bin total müde und brauche einfach mehr Schlaf.“
- Wie klingt dieser Satz für Sie?
- Was kommt bei Ihnen an?
- Wahrscheinlich einfach nur: Mama/Papa ist müde – wegen mir!
Welches Selbstbild bestärke ich?
Gespräche oder Bemerkungen können entmutigen oder ermutigen. Auch, wenn das Kind nicht direkt angesprochen wird. Mit dem, was Eltern über ihre Kinder sagen, tragen sie zu dem Bild bei, das ein Kind von sich selbst entwickelt: Ob es ein anstrengendes oder ein aufgewecktes Kind ist, ein selbstbewusstes oder ein starrsinniges … Natürlich spielt beim Selbstbild auch vieles andere eine Rolle. Wie beispielsweise die Erfahrungen, die ein Kind mit sich und mit anderen Menschen macht.
Wie spreche ich respektvoll?
Trotzdem lohnt es sich, auch beim Sprechen ÜBER Kinder aufmerksam für die eigenen Worte zu sein. Am besten gelingt das, wenn Sie ohne Vorwürfe das beschreiben, was Sie wahrnehmen. Vielleicht können Sie dabei etwas aus der Perspektive des Kindes hinzufügen. Zum Beispiel: „Mein Kind braucht Sicherheit und muss erst Vertrauen aufbauen“ – in einer Situation, in der Sie erzählen, wie Sie Ihr Kind als unsicher erlebt haben. Äußern Sie ruhig und möglichst sachlich, was das Verhalten Ihres Kindes bei Ihnen auslöst oder bewirkt. All das hilft, respektvoll zu bleiben. Außerdem entscheiden wir beim Erzählen auch über die eigene Perspektive, mit der wir auf unser Kind blicken wollen: Mit einer entmutigenden oder einer ermutigenden Sichtweise.
Was tun, wenn’s stressig wird?
Und natürlich ist es hin und wieder wichtig, auch mal ungefiltert zu klagen oder zu schimpfen, um sich selbst zu entlasten. Besonders in Phasen, in denen es anstrengend ist mit dem Kind. Dazu braucht es dann Gelegenheiten, um Ärger, Frust oder Erschöpfung auszusprechen, ohne dass das Kind dabei ist. Wer seinen Stress auf diese Weise ab und zu los wird, kann im Beisein des Kindes eher aufmerksam bleiben für die eigenen Worte und die angesprochenen Themen.
Text: Sebastian Wurmdobler, Gemeindereferent und Kess-erziehen-Kursleiter
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