Interview
Wie Brettspiele Kinder und Erwachsene zusammenbringen
Wie finden Eltern das richtige Brettspiel für ihre Kinder? Der Preis „Kinderspiel des Jahres“ erleichtert die Entscheidung. Jurymitglied und Spielpädagogin Johanna France erklärt, was gute Kinderspiele ausmacht und was ihre liebsten Preisträger sind.
veröffentlicht am 23.05.2022
Schon seit 2001 gibt es neben dem Preis „Spiel des Jahres“ auch das von einer eigenen Jury vergebene „Kinderspiel des Jahres“. Warum ist es Ihnen wichtig, gezielt auch Kinderspiele auszuzeichnen?
Spiele für Kinder und Spiele für Erwachsene funktionieren auf unterschiedliche Arten, zumindest zum Teil. Und sie sprechen natürlich auch ganz unterschiedliche Zielgruppen an. Kinder haben, was Spielen anbelangt, einfach eigene Bedürfnisse. Deshalb finde ich es sehr schön, dem einen Platz zu geben.
Wie unterscheiden sich Kinderspiele von Spielen für Erwachsene?
Es sind einfach unterschiedliche Arten von Spielen. Mechanismen, auf die zurückgegriffen wird, und Themen, die angesprochen werden, sind zumindest zum Teil unterschiedlich. Wir haben bei Spielen für Kinder zum Beispiel viele Geschicklichkeitselemente, die bei Spielen für Erwachsene nicht so häufig vertreten sind. Auch sich Sachen merken zu müssen, kommt sehr häufig vor. Das ist ein Bereich, in dem sich Kinder oft leichter tun als Erwachsene. So kann man gut einen Raum schaffen, in dem Erwachsene und Kinder gleichgestellter sind und sich auf Augenhöhe begegnen können. Ich habe auch das Gefühl, dass bei Kinderspielen oft eine größere Vielfalt von Materialien vorkommt. Es gibt zum Beispiel ein Spiel, das eine Art Tennisball einsetzt oder andere Spiele mit irrsinnig komplexen 3D-Aufbauten oder Magnetismus.
Was macht ein gutes Kinderspiel aus?
Da spielen ganz unterschiedliche Sachen zusammen. Ganz grundlegend muss das Spiel natürlich gut funktionieren. Gerade bei Kinderspielen finde ich es wichtig, dass die Spielanleitung das Spiel zugänglich macht. Das Spielmaterial muss robust sein, weil Kinderhände oft ein bisschen weniger sanft zum Beispiel nach Karten greifen. Vom Spielerischen her ist natürlich der Spielspaß das wichtigste. Haben Kinder Freude daran, vor allem langfristig? Oder hat man nach ein, zwei Runden eigentlich schon alles gesehen? Ich finde es besonders schön, wenn Kinderspiele Raum geben, noch ein wenig mehr an Strategien oder Taktiken zu entdecken. Natürlich ist auch interessant, wie gut es funktioniert, wenn Kinder verschiedenen Alters zusammenspielen. In Familien haben wir Kinder mit Altersunterschieden und auch die Eltern spielen mit. Wie funktioniert es da? Ich finde es immer wieder sehr spannend zu beobachten, wie Spiele trotz eines großen Altersunterschieds gut funktionieren können.
Wie testen Sie die Spiele?
Ich arbeite in einem Brettspielverleih. Dort haben wir ganz unterschiedliche Gruppen. Angefangen bei Schulklassen, die zu uns kommen. Für meine Juryarbeit sind da vor allem die ersten und zweiten Klassen interessant, um Spiele zu testen. Unsere Zielgruppe geht circa bis acht Jahre. Aber auch bei verschiedensten Veranstaltungen und in anderen Settings mit Familien und Kindern unterschiedlichsten Alters sehe ich, wie gut bestimmte Spiele funktionieren. Auch durch unseren Verleihraum bekomme ich mit, wie Spiele bei unterschiedlichsten Gruppen ankommen.
Gibt es Spiele, die mit allen Kindern gut funktionieren?
Es gibt sicher Spiele die bei allen oder den meisten Kindern funktionieren – zumindest kurzfristig. Als Jurymitglied probiere ich auch, Spiele auszuwählen, die möglichst vielen Kindern gefallen. Trotzdem ist es schwer das so generell zu beantworten, da es so eine Typ- und auch eine Stimmungsfrage ist. Manche Kinder bevorzugen Geschicklichkeitsspiele, manche spielen am liebsten nur kooperative Spiele und wieder andere können nicht genug von Reaktionsspielen kriegen.
Finden Sie es schade, jedes Jahr nur ein Spiel auszeichnen zu können?
Auch wenn nur ein Spiel den Preis wirklich kriegt, sind ja trotzdem noch zwei weitere Spiele nominiert und es gibt eine Empfehlungsliste. Das gibt den Raum, mehr Spiele in den Fokus zu rücken. So kann man verschiedenste Spielgeschmäcker und Altersgruppen abdecken.
Haben Sie einen persönlichen Liebling unter den bisherigen Preisträgern?
Wirklich viel eingesetzt habe ich „Speedy Roll“, das Spiel mit dem Tennisball, das vor zwei Jahren gewonnen hat. Das ist ein kooperatives Spiel, in dem wir den Ball über verschiedenste Nahrungsmittel mit Klett dran rollen und sie so einsammeln müssen. Das finde ich ganz toll, weil ich das Material wirklich cool finde. Es funktioniert wirklich gut auch mit Kindern unterschiedlichen Alters und kommt bei uns extrem gut an. „Spinderella“ empfehle ich auch sehr oft. Das ist dann etwas für ältere Kinder ab etwa sechs Jahren. Es hat einen sehr coolen 3D-Aufbau. Mithilfe von Magnetismus versuchen wir, Ameisen einzusammeln. Eine meiner ersten Empfehlungen wird auch immer „Geister, Geister, Schatzsuchmeister!“ sein, ein ganz tolles erstes Strategiespiel ab sieben oder acht Jahren. Wir spielen kooperativ, das heißt gemeinsam gegen das Spiel. Es hat einen wirklich guten Schwierigkeitsgrad, gibt ein bisschen Einblick ins Taktieren und lässt viel Raum für Diskussion. Für Kinder, die ein bisschen aus den Kinderspielen rauswachsen, aber noch nicht ganz in den schwierigen strategischen Spielen drin sind, funktioniert das super.
Am 20. Juni 2022 gibt die Jury das „Kinderspiel des Jahres 2022“ bekannt. Vor kurzem hat sie bereits die drei Nominierten benannt:
- Auch schon clever (2-4 Personen, ab 5 Jahren, Spieldauer: 15 Minuten, Schmidt)
- Mit Quacks & Co. nach Quedlinburg (2-4 Personen, ab 6 Jahren, Spieldauer: 25 Minuten, Schmidt)
- Zauberberg (1-4 Personen, ab 5 Jahren, Spieldauer: 15 Minuten, Amigo)
Auch die Empfehlungsliste mit weiteren Tipps für gute Kinderspiele steht bereits fest. Sie sind auf der Website des Vereins „Spiel des Jahres“ zu finden.