Entwicklung

Alles eine Phase – Wie Kinder und Eltern zusammen wachsen

Endlich laufen, das erste Mal alleine zum Bäcker – die Tochter von Stefanie Kortmann hat schon so manchen Entwicklungsschritt gemeistert. Was die Kleine als Erfolg verbuchen konnte, war teilweise auch für die Mama eine echte Herausforderung.

veröffentlicht am 10.05.2021

Die Entwicklung unserer Kinder, so hören es wir Eltern oft, ist eine Abfolge von Phasen. Bestseller-Bücher beschäftigen sich ausführlich damit. Wer schon immer mal wissen wollte, warum die Dreijährige ihren neu entdeckten Dickkopf so vehement einsetzt, wird in den Ratgebern schnell die Antwort finden: Bleiben Sie gelassen, alles nur eine Phase! Die Kleine hat „nur“ ein neues Kapitel ihrer Entwicklung aufgeschlagen – mit mehr und manchmal, wie in der Trotzkopf-Phase, auch weniger guten Effekten für das soziale Miteinander.

Auch ich durfte einige Phasen bei meiner Tochter live durchleben. Die Ich-kann-jetzt-laufen-Phase wird mir immer in Erinnerung bleiben. Dieses selbstbewusste, zunehmend schnelle, aber völlig planlose Herumlaufen, verbunden mit dem Hang, den umliegenden Gefahrenquellen möglichst nahe zu kommen, hat mich Nerven gekostet. Immerhin: Das Kind hat überlebt und ich konnte meine Sprinter-Qualitäten deutlich steigern.

„Mama, jetzt geh endlich!“

Nach der Phase ist vor der Phase, noch so eine Pädagogen-Weisheit. Nachdem das Laufen sicherer wurde, entdeckte sie das Fahrrad. Schön für das Kind… Gut für meine Kondition. Ein weiterer Meilenstein war der Tag, an dem ich zum ersten Mal aus der Kita geworfen wurde – „Mama, jetzt geh endlich!“ – oder der erste Gang zum Bäcker – „alleine Mama!“ –, wo ich mich etwas zusammenreißen musste, um nicht hinterherzulaufen, damit sie sicher über die Straße kommt. Stolz bis über alle Ohren wurden am Frühstückstisch die Brötchen präsentiert: „Selbst gekauft!“ Puh, Danke, Durchatmen, Kaffee!

So sehr der Fokus bei diesen Entwicklungsschritten auf dem Kind liegt, auch wir Eltern wachsen in diesen Situationen. Manchmal ist es die Sprinter-Qualität oder die Kondition. Manchmal ist es der Blick in den Spiegel, der uns vorgehalten wird: Warum bin ich so geschockt, wenn ich aus dem Kindergarten geschmissen werde? Ich hatte mir doch erhofft, sie würde sich dort schnell zurechtfinden. Warum bezweifle ich, dass mein Kind alleine die Straße überqueren kann? Wir haben das doch gefühlt tausend Mal geübt. Warum diese Unruhe? Kann ich auf meine erzieherischen Qualitäten in der Verkehrserziehung vertrauen? Kann ich ihr vertrauen?

Die imaginäre Nabelschnur dehnt sich immer mehr

Ich dankbar für diese Herausforderungen, die sich mir mit jedem Wachstumsschritt stellen. Es ist nicht leicht, das sagt auch niemand. Wachstumsschmerzen sind weder für den Nachwuchs noch für Eltern ein Kinderspiel. Es drückt und zwickt und braucht auch schon mal etwas Zeit, bis nach dem Wachstumsschub wieder eine neue Passung vorliegt. Aber es lohnt sich und ist sehr bereichernd. Und natürlich ist es alternativlos, denn das Leben schreitet nun mal voran.

Auf dem Weg zur Selbstständigkeit dehnt sich die imaginäre Nabelschnur mit jeder Entwicklung ein wenig mehr. Ich will für mein Kind, aber auch für mich, dankbar sein für die vielen nächsten Schritte, die noch kommen werden. Und ich will gelassen bleiben. Im Zweifel ist ja auch alles nur eine Phase.


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