Mächtiges Gefühl
„Mama, wovor hast du Angst?“
Unsere Autorin und ihre siebenjährige Tochter haben über ein Gefühl gesprochen, das alle Menschen kennen: Angst. Dieses Gefühl gehört zum Leben von Eltern und Kindern dazu. Wenn es zu stark wird, kann ein Blick nach oben helfen.
veröffentlicht am 01.05.2022
Als die Nachrichten im Kinderfernsehen vom Krieg aus der Ukraine berichteten, spülte das auch in unserem Wohnzimmer Fragen nach oben. Christina sah Bilder von Müttern, die weinten und Kinder, die erschöpft und verängstigt auf gepackten Taschen saßen.
„Mama, hast du auch Angst?“ fragte sie mich. „Na klar“, sagte ich. „Jeder Mensch hat Angst, und das ist auch oft gut so. Wenn man Angst hat, wird man vorsichtiger und aufmerksamer.“ – „Und wovor hast du Angst? Du tötest doch sogar Spinnen!“ Jetzt sollte es konkret werden.
Tatsächlich können mich Krabbeltiere nicht schrecken. Auch eine tote Maus kann ich ohne erhöhten Puls andächtig bestatten – was mir übrigens den Respekt der versammelten Trauergemeinde umliegender Nachbarschaftskinder einbrachte. Einer Riesenanakonda hingegen möchte ich nie in die Augen sehen. Zum Glück verirren sich solche Tiere aber auch eher selten in unseren Vorgarten, anders als die Maus.
Die größte Angst, so erkläre ich ihr, habe ich davor, dass ihr etwas passiert. So ist das als Mutter. Diese Angst gehört zum Kinderpaket dazu. Sie taucht in der pastellfarbenen Baby-Werbewelt nicht auf, steht aber unverhandelbar im Kleingedruckten. Eine Arbeitskollegin, eigentlich eine sehr selbstbewusste Frau, sagte mir mal, sie hätte nie damit gerechnet, dass mit dem Kind so viel Angst in ihr Leben kommt. Recht hat sie. Wenn man liebt, hat man Angst um das Geliebte.
„Wenn die Angst überhandnimmt, ziehe ich den Gott-Joker“
Christina ist ganz still, in ihrem Kopf rattert es. „Ich habe auch Angst davor, dass dir etwas passiert, Mama“, sagt sie schließlich. „Nun“, antworte ich, „dann müssen wir beide gut auf uns aufpassen. Du, wenn du über die Straße gehst, und ich, wenn ich im Auto zur Arbeit fahren. Und für den Rest bitten wir Gott darum, dass er mit den Schutzengeln ein Auge auf uns wirft.“ Sie nickt, mit der Antwort kommt sie für den Moment klar.
Mit gerade mal sieben Jahren ist Angst für sie zum Glück nur ein flüchtiges Thema. In unserer Erwachsenenwelt kann das schnell anders werden. Es gibt viele Gründe, sich zu sorgen. Der Ukraine-Krieg ist leider nur ein Beispiel dafür. Was, wenn die Angst überhandnimmt? Die Sorge den Schlaf raubt? Gerne ziehe ich dann den Gott-Joker. Wenn ich die Dinge mit meinem Verhalten nicht ändern kann, lege ich meine Gedanken in seine Hände. Mir ist klar, dass sich damit nichts an den Umständen ändert, Probleme lassen sich nicht wegbeten. Aber es wird in mir ein wenig ruhiger, die Angst verliert vielleicht etwas von ihrer Stärke. Mehr kann ich dem Moment nicht erwarten.