Leiden Jesu

Tod am Kreuz: Wie soll man Kindern das vermitteln?

In diesen Tagen geht es in der Kirche viel um das Leiden Christi. Der Kreuzweg, die Nägel in den Händen, der Tod am Kreuz – für manche Kinder ist das schwer verdaulich. Stefanie Kortmann und ihre Freundinnen fragen sich, wie sie damit umgehen können.

veröffentlicht am 31.03.2023

Der Pastor meinte es sicher gut, als er die Kinder aufforderte noch einmal ganz genau in das Gesicht des leidenden Jesu zu schauen. Wir stehen an der 11. Station des Kreuzwegs: Jesus wird an das Kreuz genagelt. Was für eine Szene! Schon als Kind habe ich mir vorgestellt, wir schmerzhaft das sein muss. Hört man die Knochen brechen? Hat Jesus geschrien? Hat er sich vielleicht gewehrt? Warum hat ihm denn niemand geholfen?

Ich habe lange keinen Kreuzweg mehr gebetet, sehr lange. Jetzt aber stehen wir Eltern mit unseren Kommunionkindern vor den Stationen und betrachten die Bilder. Sofort sind mir meine Eindrücke aus der Kindheit wieder präsent und damit die Fragen, die ich nie jemandem gestellt habe, weil es sich - gefühlt - nicht so gehörte. Meine Eindrücke waren nicht gefragt, stattdessen wurden die Gebete auf dem Weg ritualisiert abgearbeitet. Das gab mir tatsächlich auch eine Sicherheit, weil ich wusste, nach dieser schlimmen Station 11 sind es nur noch vier weitere Schritte bis zur Auferstehung. Halleluja! Aufatmen!
An diesem Nachmittag nehmen viele Kinder das Leiden Christi eher regungslos hin. Sie folgen den Sätzen des Pastors mehr oder weniger aufmerksam und entwickeln nebenbei einen Wettstreit, wer als Erster an der nächsten Station vorne stehen darf. Die Freundin meiner Tochter aber ist vertieft in ihren Gedanken.

Angst und Probleme beim Einschlafen 

Die letzten Wochen der Kommunionvorbereitung waren für sie nicht so leicht und unbeschwert, denn mit der Fastenzeit ist Jesu Tod und Auferstehung in den Fokus gerückt. Die Verurteilung, die Folter, die Hilflosigkeit und der Tod – alles das sind schwere Themen. Was macht das mit einem Kind?

Die Mutter berichtet, dass das eigentlich aufgeweckte Mädchen jetzt des Öfteren verunsichert ist und verstärkt ihre Nähe sucht. Sie hat auf einmal Angst in Momenten und auf Wegen, die sie eigentlich schon gut allein bewältigt hat. Auch abends schlafen gehen ist wieder ein großes Problem, sie möchte nicht alleine sein. Dazu überfällt sie spontan eine tiefe Trauer bei dem Gedanken, dass die Menschen, die sie liebt, sterben könnten. Viel Trost und viel Nestwärme ist gerade gefragt.

Brutale Bildsprache kann Kinder verstören 

Ich hatte schon einmal so eine Erfahrung in meinem Bekanntenkreis. Damals besuchte der Kindergarten zum ersten Mal die Kirche und unsere dreijährige Nachbarin bekam den fast lebensgroßen Jesus am Kreuz nicht mehr aus dem Kopf. Das Kind träumte tagelang von „dem Mann mit den Nägeln in den Füßen“. Die Eltern – völlig überrascht von dieser Entwicklung – mussten viele Tränen trocknen. Mir wurde deutlich, welch brutale Bildsprache wir im Glauben mitunter verwenden und wie verstörend das auf Kinder wirken kann.

Auch meine Tochter ist eher schreckhaft. Daher gelangt längst nicht jeder Film und jedes Märchen ins Kinderzimmer. Und genau darin sehe ich auch die Verantwortung von uns Eltern. Wir sind – so lange es geht – die Instanz, die über die Bilderwelten unserer Kinder mitentscheiden sollten. Nur in Sachen Kirche können wir keinen Altersfilter anwenden, oder gar den Stecker ziehen. Jesus und sein Sterben am Kreuz ist ein nicht verhandelbarer Teil unserer Religion, frei von jeder Altersbeschränkung. Also was tun?

Hoffnung auf das Happy End

Ich versuche zu Hause über den Kreuzweg zu reden. Nicht über die Details, aber über das große Ganze. Meine Tochter soll wissen, dass die Bilder in den Kirchen den Menschen früher geholfen haben, die Helden-Geschichten von Jesus besser zu verstehen, weil viele die Bibel nicht lesen konnten. Vor allem aber soll sie wissen, dass der lange Weg bis ins dunkle Grab nur die Vorbereitung ist auf etwas Großartiges, die Auferstehung. So wie Jesus uns vor rund 2.000 Jahren vorausgegangen ist, so hoffen wir Christen bis heute, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.

Ob ihr diese Antworten ausreichen werden? Ich weiß es nicht. Für den Moment scheint es so zu sein, als ob sie ganz gut damit klar kommt. Erwarten wir also die Ostertage mit dem herbeigesehnten Happy End!
 


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