Besondere Beziehung
Papa-Tochter-Zeit
Jeden Montag fahren Hannes Pernsteiner und seine Tochter mit dem Auto zur Orchesterprobe. Sie spielt Flöte, er Glockenspiel. Besonders genießen die beiden die gemeinsamen Fahrten. Endlich einmal Zeit zu zweit, für ernste und lustige Gespräche.
veröffentlicht am 07.03.2024
Ich als Hobby-Pianist hätte nie darauf gewettet, dass ich je in einem Blasorchester mitspielen würde. Mittlerweile tue ich das aber schon das dritte Jahr, dank meiner Tochter. Ihre Querflötenlehrerin wollte die damals Zehnjährige in ihrem Ensemble dabeihaben und erkannte vorausschauend, dass ich meine Taxidienste zu den Proben nicht lange durchhalten würde. So drückte sie mir mit übergroßem Optimismus eine Trompete in die Hand und besorgte mir einen Lehrer. Nach einem Jahr des Herumplagens war mir klar, dass ich zum Bläser schlichtweg nicht tauge. So kam ich zum Glockenspiel – und habe ein neues Lieblingsinstrument gefunden. Und nicht nur das.
Denn so fulminant die bisherigen Konzerte auch waren: Das Schönste am Orchester sind für mich die Fahrten hin und zurück zu den Proben. Diese zweimal 40 Minuten mit meiner Tochter gehören zu den kurzweiligsten der Woche, beide freuen wir uns immer schon darauf. Es ist unser Refugium, unsere Papa-Tochter-Auszeit und bleibender Fixpunkt über manche Höhen und Tiefen hinweg; ein Lichtblick, den kein Stau auf der Autobahn zu trüben und von dem uns weder das Handy (bleibt abgeschaltet) noch ein Autoradio (haben wir nicht) abzulenken vermag.
Erlebnisse und Gefühle teilen
Jeden Montagabend werden also Flöte und Glockenspiel im Kofferraum verstaut, dann startet der Motor und es kann losgehen. „Frag mich was“ heißt da ein Spiel, bei dem wir einander an Erlebnissen des Tages und manchmal auch an unserem Innenleben teilhaben lassen. Ich will sie nicht ausfragen, sondern höre zu und gebe Feedback auf das, was sie gerade beschäftigt. Ist „Englischstunde“ angesagt, so blödeln wir in der Fremdsprache. Manchmal sind Autospiele wie etwa „Wortkette“ an der Reihe. Bisweilen darf ich einem Referat für die Schule oder dringendem Lernstoff meiner Tochter lauschen, und am Heimweg summen wir oft im Duett die gerade geprobte Film- und Tanzmusik.
So manches ist durch unser gemeinsames Steckenpferd gewachsen. Die Rollen, in die wir in der Alltagshektik einzementiert zu sein scheinen – ich der strenge Papa, der oft nein sagt und manchmal aufbrausend ist; sie das Sandwich-Kind, das sich lautstark durchsetzen muss und auch kratzbürstig sein kann – lassen wir montagabends immer daheim zurück. Die Autofahrten sind Momente, in denen ich oft neue schöne Seiten der Persönlichkeit meiner Tochter entdecke und sie dies auch wissen lasse. Und da wir eher wortkarge Typen sind, tut uns beiden auch die Übung im Reden gut.
Erwachsen werden
Dazu kommt, dass bei meiner Tochter altersbedingt gerade alles im Umbruch ist. Sie ist zwar das einzige Kind im Orchester, aber längst nicht mehr dessen Maskottchen, da sie zwischen zehn und 13 um eine ganze Kopflänge gewachsen ist. Neu dazugestoßene Musikerkollegen fragen manchmal vorsichtig „gehört ihr zusammen?“, und unser Drummer eröffnete mir sogar, er habe sie für meine Freundin gehalten. Das ließ uns schmunzeln. Ich darf noch viel mehr als ihr Freund sein, nämlich ihr Vater, und zwar lebenslang. So schön ihre Kindheit auch war, ich bin stolz darüber, dass meine Tochter allmählich eine junge Frau wird.
Freilich bringt die Pubertät auch für einen Vater Veränderungen. Meine Tochter an der Hand oder auf den Schoß zu nehmen ist passé, doch eine Umarmung zum Abschied, Komplimente oder ein „Ich hab dich lieb“ nimmt sie gerne an. Und ließ sich von mir, als wir kürzlich versehentlich eine Stunde zu früh zu unserem Konzert erschienen, in eine Smoothie-Bar entführen. Sie hat damals ihre Leidenschaft für Fruchtshakes gefunden und beglückt mich jetzt manchmal mit Selbstgemixtem. Was bleibt mir da anderes übrig, als mit ihr weiter in die Proben zu fahren bis sie erwachsen ist? Die weiteren Entdeckungen und Gespräche bis dahin möchte ich nicht verpassen.