Vielfalt leben

Unterschiedliche Länder und Kulturen in der eigenen Stadt

Unser Autor lebt in Wien in einem Bezirk, der stark von Migration geprägt ist. Konflikte gehören genauso zum Alltag wie Begegnung und Gespräch. Den Kindern sind die unterschiedlichen Nationalitäten, Religionen und Kulturen völlig egal.

veröffentlicht am 01.01.2019

Der schnell wachsende Wiener Außenbezirk, in dem wir leben, ist geprägt von Migration. Gastarbeiter im Stammbaum, binationale Ehen und Mehrsprachigkeit sowie, als Österreicher zumindest ein „Zuagroaster“ zu sein, ist nicht Ausnahme, sondern Regel. Unsere Familie reiht sich da nahtlos ein, obwohl man die lateinamerikanischen Gene unserer Kinder erst an ihrer Sprache erkennt. Unsere Reihenhausanlage ist eine Welt im Kleinen: Österreich, Serbien, Albanien, England, Türkei, Irak, Indien und eben Mexiko.
 
Was alle gemeinsam haben: große Distanzen, nur wenn leistbar Urlaube bei den Eltern (bei uns zuletzt vor fünf Jahren), Überweisungen nach Hause, per E-Mail oder WhatsApp verschickte Fotos, Behördenläufe ums Visum und Integrationsbemühungen. Eigene Sprache, Tradition, Religion, Küche, Musik und Feste, Freundschaften aus der Community und auch ein kulturgeprägtes Verständnis von Familie, oft mit viel Liebe zu Kindern. Wir müssen uns abstimmen, denn niemand lebt für sich allein. Bei jedem Neuankömmling wird die Mülltrennung zum Thema. „Wie sagen wir es am besten?“, fragen wir uns da, und immer findet sich ein Weg. Auch für die Nutzung der Einfahrtsstraße, die Gartenzaungestaltung, das Einheben der Müll- und Wassergebühr sowie bei Fußbällen auf Eingangsdächern. Konflikte sind überall möglich, aber ebenso Begegnung und Gespräch.

Die Nachbarn als Ersatzfamilie

Lässt man es zu, im Praktischen auf andere angewiesen zu sein, können Nachbarn eine „Ersatzfamilie“ werden. Wir sind froh darum, die Kinder um Mehl oder Eier einfach zur nächsten Tür schicken oder Werkzeug untereinander borgen zu können, nie Aufsperrdienste oder Urlaubspostfächer zu brauchen und stets Babysitter oder Hilfe beim Formularausfüllen, Heizungreparieren und bei schwieriger Hausübung zu finden. Dass es immer jemanden gibt, der nach der Arbeit zu einem Plausch bereit ist, bei Prüfungen mitzittert und spontane Feste mitfeiert.

Wo ein solcher Kontakt gelingt, kann die andere Religion zur Lernerfahrung werden. So wie wir im Advent alle zu uns zur Herbergssuche bitten, laden auch die Inder nach dem Fest ihres Elefantengottes Ganesha zum Beisammensein. Fragen wie „Was glaubt ihr? Warum macht ihr das so? Wie ist das in eurem Land?“ werden da unaufgeregt besprochen, man lernt sich „vollständiger“ kennen und verstehen. Die Türken beschenken uns beim Fastenende mit Aschure-Zuckersuppe aus zwölf Zutaten. Die Serben halten ihren Familienheiligen Nikolaus groß in Ehren und erinnern uns nach ihrer Weihnacht mit einer jungen Eiche vor der Tür an das Feuerholz des heiligen Josef.

Nichts wie raus, die Freunde warten

Weit voraus in der interkulturellen Nachbarschaftskompetenz sind uns die Kinder. Junge Neuzuzügler und Besuchsgäste werden sofort registriert – als potenzielle Spielpartner, denn 1-2-3-abgepasst oder Verstecken geht halt nicht alleine. Oft stöhnen wir Eltern, wenn das Essen heruntergeschlungen wird, „weil die Freunde warten schon auf mich“: „Es genügt, dass du Kind bist“, gilt da. Sprache, Pass oder Religion spielen keine Rolle.


Verwandte Themen

Sara Straub mit Kindern auf einem Feld
Freiwilligendienst bei Don Bosco
Junge Erwachsene engagieren sich in Don Bosco Projekten in vielen Ländern der Erde. Warum sie das machen und was ihr Einsatz bringt.
Jugendlicher in einer Gruppe von Kindern
Volontariat in Kolumbien
Wir begleiten Jan und Leopold bei ihrer Arbeit in Medellín. Und die beiden Volontäre erzählen, was sie von Kolumbien, seinen Bewohnern und ihrer Zeit dort gelernt haben.
September G. Kelokelo aus Alotau in Papua-Neuguinea
Schönheit der Natur
September G. Kelokelo (24) aus Alotau in Papua-Neuguinea ist seit Juli 2019 bei Don Bosco Green Alliance aktiv.