Meinung

Ist es realistisch, auf ewig „Ja“ zu einem Menschen zu sagen?

Für die Theologin Michaela Quast-Neulinger ist klar: Die Ehe ist ein verrücktes Unterfangen. Sie kann scheitern, aber in ihr scheint die Liebe des Ewigen durch. Als Sakrament ist sie vom Vertrauen getragen, dass Gott der Beziehung seinen Segen gibt.
  • Michaela Quast-Neulinger

veröffentlicht am 14.07.2023

Zeitgemäß, realistisch, auf ewig? War Ehe das jemals? Und wenn die Kirche von einem „Sakrament“ spricht, was ist das schon mehr als eine nette Feier, die mittlerweile immer mehr Paare auf dem freien „Ritualmarkt“ (durchaus teuer) einkaufen? Wozu „vor den Altar“ treten, wenn es doch im Wald, auf der Wiese nach freiem Belieben, gern auch mehrmals in unterschiedlichen Konstellationen, ganz genau nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen geht? Die französische Politologin Emilia Roig dagegen fordert in ihrem gleichnamigen Buch überhaupt das „Ende der Ehe“, die von Männern geschaffen sei, um Arbeits- und Reproduktionskraft von Frauen auszubeuten. Und doch lautet der Untertitel ihrer Streitschrift „Für eine Revolution der Liebe“.

Nein, es ist weder zeitgemäß noch realistisch, „Ja“ zu einem Menschen zu sagen. Das ist keine Zeitdiagnose, sondern tief im katholischen Eheverständnis verankert. Zwei Menschen sagen öffentlich und frei „Ja“ zueinander im Wissen um ihre Begrenztheit, in der Hoffnung, dass sie einander und der Welt zum Heil werden, guttun.

Liebe ist nicht rosa, nicht perfekt

Nein, Ehe ist auch nicht ewig, aber sie ist offen für die Endgültigkeit, wenn in ihr die Liebe des Ewigen hindurchleuchtet. Wenn wir füreinander und die Welt zum Guten werden, aus unserem Leben die Liebe überfließt. Liebe ist nicht rosa, Liebe ist nicht perfekt. Sie weiß um die eigenen Grenzen und jene des Anderen. Aber „der andere ist nicht nur das, was mir lästig ist. […] Er liebt mich, wie er ist und wie er kann, mit seinen Grenzen, doch dass seine Liebe unvollkommen ist, bedeutet nicht, dass sie geheuchelt oder nicht echt ist. Sie ist echt, aber begrenzt und irdisch“, so Papst Franziskus in seinem Schreiben „Amoris laetitia" (Nr. 113).

Ehe ist ein verrücktes, wagemutiges Unterfangen, das unter den Bedingungen dieser Welt leicht scheitert. Aber als Sakrament ist sie getragen vom Vertrauen darauf, dass der Mut von diesen zwei Menschen nicht umsonst ist. Dass Gott dieser Beziehung wider alle Umstände in der Welt seinen Segen gibt, sodass auch diese zwei Menschen einander und der Welt zum Segen werden können. Immer wieder, jeden Tag aufs Neue.

Michaela Quast-Neulinger

Michaela Quast-Neulinger ist Professorin für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck.



Verwandte Themen

Hände von Brautpaar mit Eheringen und Brautstrauß
Glaubenswissen
Sich treu zu bleiben „in guten und bösen Tagen – bis der Tod uns scheidet“, das versprechen sich die Brautleute bei einer katholischen Trauung. Was ist damit gemeint? Was beinhaltet das Sakrament der Ehe? Was bedeuten die Symbole? Fragen und Antworten.
Junge Frau und junger Mann schauen glücklich in eine gemeinsame Richtung
Nachgefragt
Die Welt ändert sich rasant und mit ihr die möglichen Formen des Zusammenlebens. Kann die katholische Ehe da mehr als ein romantisches Bündnis zweier sich liebender Menschen sein? Ja, kann sie, sagt Pastoraltheologe Wolfgang Beck.
Brautpaar in Kirche während Priester am Altar betet
Schnell informiert
Was ist der Unterschied zwischen einer kirchlichen und einer freien Trauung? Dürfen unsere Kinder Trauzeugen sein? An wen wenden wir uns, wenn wir im Ausland heiraten möchten? Die wichtigsten Informationen zur Hochzeit auf einen Blick.