Erwartungen
Perfekt unperfekt: Die Heilige Familie
Eltern haben oft das Gefühl, den Erwartungen anderer und den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Wie perfekt war eigentlich die Heilige Familie? Und kann sie für uns ein Vorbild sein? Ein Kommentar von Theologin Theresia Kamp.
veröffentlicht am 12.11.2022
„Heilig“ klingt häufig immer noch nach „perfekt“. Dabei zeichnen schon die ersten Geschichten des Neuen Testaments alles andere als ein makelloses Familienbild. Maria wird schwanger, Josef kann sicher nicht der Vater sein. Er will sich eigentlich unauffällig zurückziehen, aber am Ende bleibt er doch. Die Geburt findet in einem Stall statt, das Gegenteil von dem, was sich Eltern für ihre Kinder wünschen. Für die Gesellschaft damals muss das schwer vorstellbar gewesen sein: Der Messias, der Erlöser, auf den alle gewartet haben, ist ein uneheliches Kind und kommt unter ärmlichsten Bedingungen zur Welt.
Was hattten Maria und Josef ihrem Kind zu bieten?
Auch heute stehen Familien unter gesellschaftlichem Druck. Jede und jeder hat eine Meinung, wie Kinder ernährt, erzogen und beschäftigt werden müssen. Dazu kommen die eigenen Ansprüche, hinter denen man notgedrungen immer wieder zurückbleibt. Sicher wollen und sollen Eltern und Bezugspersonen alles dafür tun, dass sich Kinder gut entwickeln. Aber der Blick zurück auf die Geschichte Jesu zeigt, dass es nicht darum gehen kann, dass alles perfekt ist.
Was hatten Maria und Josef zu bieten? Eine eingespielte Familiensituation? Ein gemütliches Zuhause? Fehlanzeige. Das Einzige, was seine Mutter und sein Pflegevater Jesus geben konnten, waren sie selbst. Sie haben sich selbst zur Verfügung gestellt und ihre Zeit und Liebe dem Kind geschenkt, das ihnen anvertraut worden war. Nicht mehr, aber auch nicht weniger kann es bedeuten, die „heilige“
Familie zum Vorbild zu nehmen.