Regensburg

Musikfestival bei Don Bosco: Erfolge machen stark

Beim Musikfestival im Don Bosco Zentrum in Regensburg konnten Jugendliche ihre Fähigkeiten zeigen – auf der Bühne und hinter den Kulissen.

veröffentlicht am 21.12.2021

Dass sie nervös ist, sieht man Yasmin nicht an. Dabei wird die 17-Jährige gleich vor Publikum singen. Freunde werden da sein und ihr zuhören – aber auch völlig Fremde und noch dazu Musikkenner. Denn im Don Bosco Zentrum Regensburg findet an diesem Wochenende ein Musikfestival statt. Die Regensburger Künstlergruppe „Unternehmen Gegenwart“ präsentiert mehrere Konzerte mit zeitgenössischer Musik. In den Pausen dazwischen haben Jugendliche aus der Einrichtung die Chance auf einen eigenen Auftritt.

So wie Yasmin. Gerade sitzt sie scheinbar noch völlig entspannt am Tresen der Bar im Jugendtreff des Don Bosco Zentrums. Auf der Terrasse im Innenhof sind schon die Instrumente aufgebaut. Klavier, mehrere Gitarren, Cajons und natürlich das Mikrofon für die Sängerin. Aber bis zur Pause dauert es noch. „Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Aber dreimal tief durchatmen, am besten mit einer von den Betreuerinnen, das hilft“, erklärt Yasmin, streicht ihre langen dunklen Locken aus dem Gesicht und lacht. „Oder ans Klavier setzen. Musik hilft mir eigentlich immer. Egal, ob ich angespannt, genervt oder traurig bin – sobald ich Klavier spiele oder meine Kopfhörer aufsetze und meine Lieblingssongs von Billie Eilish höre, fühle ich mich frei und leicht.“

Yasmin lebt seit anderthalb Jahren in einer der Wohngruppen im Don Bosco Zentrum. „Weil es zu Hause nicht so gut lief“, sagt sie selbst. Eine Ausbildung in der Kinderpflege hat sie abgebrochen, jetzt geht sie in die zehnte Klasse und will erst mal ihren Hauptschulabschluss nachmachen. Und sie macht Musik.

„Das Wichtigste sind Spaß und die Chance, sich auszuprobieren“

Jeden Montagabend wird im Don Bosco Zentrum das „Musikprojekt“ angeboten. Drei Musiklehrer kommen dann in den Jugendtreff, bauen Instrumente auf und spielen. Und Jugendliche, die Lust auf Singen, Trommeln, Klavier- oder Gitarrespielen haben, können dazu­kommen und mitmachen – oder auch erst mal nur zuhören. „Es geht nicht um Bewertung. Das Wichtigste ist, dass die Jugendlichen Spaß haben und die Chance bekommen, sich auszuprobieren“, sagt Florian Peters, einer der drei Lehrer.

Das sieht auch Thomas Zintl so, der das Musikprojekt 2012 mit seinem Kollegen Florian Panzer ins Leben gerufen hat und heute Leiter des Don Bosco Zentrums ist. „Musik und auch Sport sind Bereiche, bei denen man die Chance hat, für sein Können wahrgenommen zu werden – ganz unabhängig davon, was man sonst im Leben erreicht hat oder auch nicht“, erklärt der Sozialpädagoge. „Sobald du dein Instrument in der Hand hast, kannst du in eine andere Rolle schlüpfen. Du bist nicht der mit den Schwierigkeiten im Leben oder der ohne Bildungsabschluss – sondern der, der was kann.“ Finanziert wird das Musikprojekt durch Spenden. „Der Rotary Club Marc Aurel aus Regensburg hat uns da zum Beispiel kräftig unterstützt“, sagt Thomas Zintl.

Dass das Angebot so niedrigschwellig ist, hilft den Jugendlichen dabei, sich überhaupt zu trauen, hinzugehen. Ein paar kommen regelmäßig wie Yasmin, andere nur gelegentlich. Was gespielt oder gesungen wird, können sich die jungen Musiker selbst aussuchen. Wer will, kann auch Einzelunterricht an einem Instrument bekommen – ohne lange Vorplanung und regelmäßige Anwesenheitspflicht, sondern ganz spontan während des Musikprojekts.

Den Gefühlen freien Lauf lassen

Yasmin singt normalerweise immer – am liebsten Songs von Adele oder Christina Perri, die gut zu ihrer eigenen tiefen Stimme passen. Aber sie hat sich vorgenommen, auch mal Klavierunterricht zu nehmen. „Ich hatte noch nie Musikunterricht und kann auch gar keine Noten lesen. Was ich am Klavier kann, habe ich mir selbst beigebracht mit YouTube-Videos“, erzählt die 17-Jährige und setzt sich zum Beweis – und um die aufkommende Nervosität zu bekämpfen – ans Klavier auf der Terrasse.

Langsam ein bisschen Bauchkribbeln bekommt auch Nicole. Die 25-Jährige wird an diesem Abend ebenfalls noch am Mikrofon stehen und ein Lied singen, dessen Text sie selbst geschrieben hat. „Ich habe ,Bad Moon ­Rising‘ auf Deutsch umgetextet“, erzählt sie stolz und ergänzt: „In Liedern kann ich meine Gefühle ausdrücken und ihnen freien Lauf lassen. Das mag ich an Musik.“

Gerade ist sie allerdings damit beschäftigt, Baguettes mit Tomaten und Mozzarella zu belegen. Denn nicht nur die Pausenunterhaltung liegt beim Musikfestival in den Händen von Betreuern und Jugendlichen des Don Bosco Zentrums, sondern auch das Catering. Darum kümmert sich Sozialpädagogin Pamela Schutzbier mit einem Team von Jugendlichen aus dem Außenbetreuten Wohnen. Im Speisesaal richten sie gemeinsam Häppchen her: belegte Baguettes und Spießchen mit Weintrauben und Käse oder kleinen Mozzarellakugeln und Tomaten. Auch in ihrem Alltag kochen die jungen Leute regelmäßig gemeinsam – meist nach veganen Rezepten, weil dann wirklich jeder alles essen kann. „Ein Ziel im Außenbetreuten Wohnen ist ja die Selbstständigkeit“, erklärt Pamela Schutzbier. „Dazu gehört auch, sich selbst gesunde Mahlzeiten kochen zu können.“

Etwas zurückgeben können, die eigenen Talente zeigen, gemeinsam Erfolge erleben

Nicole lebt seit knapp fünf Jahren im Außenbetreuten Wohnen. Sie hat eine eigene Wohnung, wird aber im Alltag von Sozialpädagogen des Don Bosco Zentrums unterstützt – bei Behördengängen zum Beispiel oder auch beim Einkaufen. Und sie nimmt gerne die Freizeitangebote in der Einrichtung wahr: Musikprojekt und Kreativwerkstatt, gemeinsame Ausflüge oder Aktionen wie Kochen oder Spielenachmittag. Dass sie beim Catering für das Musikfestival hilft, ist für Nicole eine Selbstverständlichkeit: „Mich da zu engagieren, ist für mich auch eine Gelegenheit, etwas an die Menschen zurückzugeben, die sonst immer mich unterstützen.“

Etwas zurückgeben können. Die eigenen Talente zeigen. Gemeinsam Erfolge erleben. Dafür sollen Aktionen wie das Musikfestival jungen Menschen die Bühne bieten. Yasmin hat solche Erfolge schon erlebt und strahlt, wenn sie davon erzählt: „Als ich beim Straßenfest vom Don Bosco Zentrum gesungen habe, waren die Betreuer alle da, haben sich vor die Bühne gestellt, mir zugehört und mitgetanzt. Das war ein tolles Gefühl, so viel Unterstützung zu spüren. Da ist es dann auch völlig egal, ob ich jeden Ton treffe oder nicht.“ Die Erinnerung an den Erfolg von damals gibt ihr auch Kraft für den Auftritt heute.

Die kann sie brauchen. Denn endlich ist es so weit. Das erste offizielle Musikfestival-Konzert ist zu Ende. Die Gäste strömen aus der Turnhalle. An der Bar im Jugendtreff ist das Buffet aufgebaut, das die jungen Frauen und Männer vom Außenbetreuten Wohnen hergerichtet haben. Nicole steht hinter dem Tresen und freut sich, zu sehen, wie gut die Häppchen ankommen.

Gänsehaut im Publikum

Im Innenhof wartet Yasmin hinter dem Mikrofon, hält es mit beiden Händen fest und atmet noch einmal tief durch. Musiklehrer Florian Peters sitzt daneben am Klavier, kündigt „All of me“ von John Legend an und spielt die ersten Akkorde. Dann setzt Yasmin ein, mit weicher, gefühlvoller Stimme. Für einen Moment schließt sie die Augen, konzentriert sich ganz auf die Musik und spürt vielleicht selbst die Gänsehaut, die ihr Gesang den Menschen im Publikum beschert. Denn Musik ist für Yasmin „das Schönste, was es geben kann“.

Offene Kinder- und Jugendarbeit im Don Bosco ­Zentrum Regensburg

Der Jugendtreff des Don Bosco Zentrums Regensburg bietet sowohl den Bewohnern der Wohngruppen als auch Jugendlichen aus der Umgebung viele Möglichkeiten, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten, eigene Fähigkeiten zu entdecken und gemeinsam Spaß zu haben. Jeden Montagabend findet das „Musikprojekt“ statt, mittwochs lädt die Kreativwerkstatt zum Basteln und Gestalten ein. Außerdem gibt es regelmäßig Sportangebote, Spieleabende, Diskussionsrunden und Ausflüge. Im Sommer ist das Team der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) mit seinen Angeboten in verschiedenen Regensburger Parks unterwegs. Informationen zu aktuellen Aktionen gibt es unter Don Bosco Regensburg auf Instagram und Facebook.


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