Glauben lernen

Religionsunterricht im sozialen Brennpunkt

Don Bosco Schwester Ulrike Weiss unterrichtet Religion an der Volksschule Maxglan 2 in Salzburg. Mit Geschichten, Liedern und Raum für persönliche Erfahrungen und Anliegen der Kinder möchte sie diese für den Glauben begeistern.

veröffentlicht am 29.08.2023

Mittwochvormittag in einer zweiten Klasse. Schwester Ulrike Weiss hält ein Bild von Maria mit Jesuskind in die Höhe. 13 Kinder sitzen im Kreis um einen roten Teppich, betrachten die Madonna, hören zu und spielen dabei mit ihren Hausschuhen. Die Religionslehrerin will von den Kindern wissen, welche schönen, aber auch welche traurigen Dinge Maria erlebt hat, und legt das Marienbild in die Mitte des Kreises. Die ersten Zeigefinger schnellen nach oben. „Die Geburt von Jesus“, antwortet ein Kind. Das ist etwas Schönes, sind sich die Schülerinnen und Schüler einig. Schwester Ulrike zeigt den Kindern ein Bild in der Form eines Blütenblattes. Darauf ist die heilige Familie im Stall von Bethlehem zu sehen. Sie legt es in die Mitte des Kreises.

„Maria ist auf einem Esel geritten“, stellt eines der Kinder fest. Das hört sich erst einmal gut an. „Aber ist das jetzt etwas Schönes oder Trauriges?“, hakt Schwester Ulrike nach. Etwas Trauriges natürlich, das wissen die Kinder ganz genau. Und so zeigt das nächste „Blütenblatt“, das in die Mitte gelegt wird, die heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten. Warum sie flüchten mussten, auch darüber wissen die Zweitklässler Bescheid und erzählen die Geschichte von König Herodes, der an der Macht bleiben wollte. Für jede Lebensstation hat Schwester Ulrike ein Bild. Am Ende liegt die Blüte eines Lebens vor den Kinderfüßen. Es umfasst sowohl Freude als auch Trauer, aber immer mit der Gewissheit, von Gott begleitet zu sein.

„Einige Kinder schleppen einen schweren Rucksack“

Einige Kinder der Volksschule Maxglan 2 haben ebenfalls schon „traurige“ Blütenblätter in ihrem Leben gesammelt. Zu viele, ahnt man, wenn man den Erzählungen der Religionspädagogin zuhört. Die Schule hat einen großen Einzugsbereich, zu dem neben dem „bürgerlichen“ Maxglan auch Wohnsiedlungen mit hohem Migrationsanteil gehören. Hier leben Familien mit niedrigem Einkommen aus bildungsfernen Schichten. Zerrüttete Familienverhältnisse und soziale Härtefälle inbegriffen.

Elisabeth Seelmann-Kriegl ist Direktorin der Schule. Von ihr sagt das Lehrerkollegium, dass sie jedes ihrer 313 Schulkinder beim Namen kennt. „Bei uns gibt es einige Kinder, die einen schweren Rucksack schleppen“, weiß sie. Da sind zum einen die rund 40 Integrationskinder, die die Schule besuchen. Und zum anderen sind da diejenigen, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft einen schweren Start ins Leben haben. Eine typische Brennpunktschule also? Seelmann-Kriegl findet andere Worte: Vielfältig und bunt will sie das Zusammenleben und Lernen an ihrer Schule verstanden wissen. „Eine Mischung wie auf der Straße auch“, erklärt die Direktorin. Sie möchte, dass alle Kinder sich willkommen fühlen, unabhängig von ihren familiären, sozialen oder persönlichen Voraussetzungen.

Jesus als Freund entdecken

Um den Anforderungen gerecht zu werden, arbeitet ein gut eingespieltes Team aus Lehrkräften, Schul­assistentinnen, einer Beratungslehrerin, einer Schul­sozialarbeiterin und einer Standortassistentin zusammen. Zusätzlich werden rund 200 Kinder nachmittags von Freizeitpädagogen betreut. Sie alle tragen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler gute Lernbedingungen vorfinden und sich angenommen fühlen – egal, wo es gerade zwickt und zwackt.

Schwester Ulrike ist unterwegs in die nächste Klasse. Auf dem Gang winken ihr Schülerinnen und Schüler mehrfach zu, einmal wird sie umarmt. Zwei Stunden hat die Pädagogin heute noch vor sich. Die gebürtige Südtirolerin unterrichtet seit 21 Jahren an verschiedenen Volksschulen. In Maxglan ist sie seit 2016 und lehrt in neun von insgesamt 14 Klassen. „Als Don Bosco Schwester fühle ich mich hier genau richtig“, sagt sie. Sie ist mit Leidenschaft und Engagement bei der Arbeit und genießt es, den Kindern den Glauben näherzubringen. Sie schafft eine positive Lernumgebung, in der die Kinder sich wohlfühlen und sich selbst einbringen können. Am schönsten ist es für Schwester Ulrike, wenn sie bei den Kindern die Begeisterung für Jesus Christus wecken kann. Es berühre sie, wenn sie merke, dass die Schülerinnen und Schüler fasziniert den Geschichten aus der Bibel lauschen und erkennen, was das Wort Gottes mit ihrem eigenen Leben zu tun hat, sagt sie. Schwester Ulrike möchte, dass die Kinder Jesus als ihren Freund betrachten, mit dem sie über alles sprechen können, ohne Zurückhaltung oder Scham. „Die Vorstellung, dass Jesus ihr Freund ist, fällt den Kindern viel leichter als uns Erwachsenen. Sie denken weniger abstrakt“, berichtet die Pädagogin von ihren Erfahrungen.

Ritual mit Beten und Händefalten

Der Religionsunterricht bietet Raum für persönliche Erfahrungen und Anliegen der Kinder. „Heute müssen wir für meinen Papa beten, der ist nämlich gestorben“, wurde sie einmal von einem Schüler empfangen. Das trifft auch die Pädagogin hart. „Doch gerade im Religionsunterricht soll das, was die Einzelnen gerade beschäftigt oder belastet, einen guten Platz haben“, sagt sie. Auch die Kinder spüren das. Im nächsten Klassenraum warten zwölf Kinder auf ihre Religionslehrerin. Kaum hat Schwester Ulrike den Raum betreten, erzählt ein Schüler begeistert, dass er zum ersten Mal ministriert hat. Viele Wochen hat Schwester Ulrike den „Mini“ auf die Erstkommunion vorbereitet, jetzt berichtet er von seinem Einsatz „hinter dem Altar“. Die Don Bosco Schwester freut sich darüber.

Die Religionsstunde einer dritten Klasse beginnt zehn Minuten vor zwölf. Zehn Kinder sind hier. In der vordersten Reihe deutet ein Schüler leise, aber beharrlich auf die Wanduhr, die als Blume getarnt neben der Tafel hängt. Schwester Ulrike weiß Bescheid, gleich werden die Glocken der Maxglaner Pfarrkirche läuten. Sie hat bei ihren Schülerinnen und Schülern ein kleines Gebetsritual eingeführt – jetzt fordern sie es ein. Mit den ersten Glockenschlägen falten die Kinder die Hände und beten zuerst kurz für sich selbst, dann für ihre Familie und schließlich für die ganze Welt.

Vielleicht, so hofft Schwester Ulrike, werden sich die Kinder später, wenn sie erwachsen sind, an dieses Gebetsritual erinnern. „Als Religionslehrerin versuche ich, eine Flamme zu entfachen, die – selbst wenn sie im Laufe des Lebens zu erlöschen drohen mag – die Kraft zum Strahlen immer in sich trägt.“

Die Salzburger Niederlassung der Don Bosco Schwestern gibt es seit 2005. Sie beherbergt das Medienreferat, das Ökonomat sowie den Solidaritätsverein der Provinzgemeinschaft. 2017 wurde die Wohngemeinschaft „Haus Mornese“ gegründet: Drei Don Bosco Schwestern leben hier mit acht Studentinnen zusammen. Die Schwestern sind berufstätig. Schwester Ulrike Weiss wohnt seit 2012 hier und unterrichtet Religion an der städtischen Volksschule Maxglan 2.


Verwandte Themen

Mädchen spielt versunken mit Tierfiguren, die auf Tisch aufgereiht sind
Glauben
Ob und wie Menschen glauben, hängt stark von Erfahrungen und Prägungen aus ihrer frühen Kindheit ab. Wie sich Kinder in religiöser Hinsicht entwickeln, beschreibt der Theologe und Erzieher Christian Huber.
Reihe Erstkommunionkinder in Kutten
Fest der Gemeinschaft
Während der Erstkommunionvorbereitung ihrer Kinder beschäftigen sich häufig auch Eltern wieder mehr mit dem Glauben, zum Beispiel bei der Leitung einer Vorbereitungsgruppe. Wir haben eine dieser Gruppen besucht.
Mutter und Kind lesen zuhause in Buch
Buch der Bücher
Kinder lieben Geschichten. Die alten Texte aus der Bibel verschaffen ihnen einen besonderen Zugang zu Gott und zum Glauben. Wie Eltern und Großeltern Kindern helfen können, die Heilige Schrift für sich zu erschließen.