Hilfe für Waisen

Don Bosco in der Ukraine: „Jedes Kind als Individuum ansehen“

In Lemberg betreiben die Salesianer ein Kinderheim und eine Berufsschule. Ein Gespräch über die Arbeit in der Einrichtung sowie über die politische und wirtschaftliche Situation des Landes mit Pater Karol Manik, dem Leiter der ukrainischen Ordensprovinz.

veröffentlicht am 31.10.2018

Provinzial Pater Karol Manik, wie schätzen Sie die soziale Situation in der Ukraine und in Lemberg ein?
Wir haben Krieg in der Ukraine – das spürt jeder. Im Ausland wird über diesen Krieg, der bereits vier Jahre dauert, nicht viel gesprochen. Aber für uns ist er jeden Tag präsent. Gott sei Dank betreffen uns in der Westukraine die gewaltsamen Auseinandersetzungen nicht direkt, aber die Soldaten, die im Osten kämpfen, stammen zum Teil auch von hier. Außerdem reisen junge Freiwillige regelmäßig in das Krisengebiet, um Essen und Kleidung zu bringen und zu helfen. Somit ist der Krieg ein Problem für das ganze Volk.

Auf den Punkt gebracht: Die Ukraine ist ein Land, das leidet – unter dem Krieg sowie unter politischen und wirtschaftlichen Problemen. Wir haben keine Stabilität. Daher sind viele Ukrainer gezwungen, ihr Land zu verlassen und in Westeuropa Geld zu verdienen. Die Mittelschicht ist in der Ukraine kaum vorhanden. Es gibt einige sehr reiche Leute und überwiegend diejenigen, die zusehen müssen, wie sie überleben können.

Positiv muss man allerdings anmerken, dass gerade Lemberg eine multikulturelle Stadt ist. Viele Touristen – auch aus dem Westen – kommen hierher. Die Sozialpolitik in Lemberg hat einen hohen Stellenwert und das Engagement der Kirchen, der Ordensgemeinschaften und der Caritas ist groß.

Inwiefern hat der Krieg im Osten konkrete Auswirkungen auf die Arbeit der Salesianer Don Boscos?
Zwei unserer Mitbrüder sind Militärkapläne und zeitweise vor Ort. Darüber hinaus führt unsere Pfarrei immer wieder Sammlungen von Lebensmitteln, Kleidern und Geld durch. Eine weitere Initiative ist, dass wir in diesem Jahr eine Ferienfreizeit für 25 Kinder und Jugendliche aus dem Osten der Ukraine bei uns organisiert haben.

Die ersten Salesianer Don Boscos kamen vor 25 Jahren in die Ukraine. Bislang haben wir als Standort nur Lemberg. Wir planen allerdings, auch in Kiew ein Haus zu bauen und dann Schritt für Schritt die Idee und die Pädagogik Don Boscos in den Osten zu bringen – denn wir sehen, dass da ein großer Bedarf wäre.

Sie selbst stammen nicht aus der Ukraine, sondern aus der Slowakei. Welche Unterschiede nehmen Sie zwischen diesen beiden Ländern wahr?
Viele Entwicklungen, die die Ukraine gerade durchmacht, kommen mir bekannt vor. Ich habe sie vor zehn bis 15 Jahren schon einmal in der Slowakei erlebt. Jetzt geht auch die Ukraine diesen Weg, nur eben etwas später. Hier wird angefangen, ein politisches und wirtschaftliches System aufzubauen, das Gesundheitswesen zu reformieren und die Kultur mehr zu fördern. Und auch im Bereich der Kirche werden die ersten Schritte getan, um eine Basis herzustellen.

Wie schwer ist es für Sie, als Slowake eine ukrainische Provinz zu leiten?
Kulturell merkt man keine großen Unterschiede. Die Ukrainer sind offene und gastfreundliche Menschen, die einen gut aufnehmen. Aber natürlich bleibe ich trotzdem Ausländer. Meine Familie ist nicht hier und das ist für mich nicht immer einfach. Was mich motiviert, sind die jungen Leute, die eine gute Seele haben und trotz der schwierigen Umstände einfach glücklich sind.

Wird die Arbeit der Salesianer von der ukrainischen Gesellschaft und der Politik wertgeschätzt?
Unser Waisenhaus gibt es jetzt seit zehn Jahren, es genießt einen guten Ruf. Durch unsere Arbeit sind wir mittlerweile in Lemberg ziemlich bekannt und auch Politiker schätzen unser Engagement.

Wir haben von Anfang an neue Ideen in die Stadt eingebracht, die zum Teil von anderen übernommen wurden. Ein Beispiel: In der Urlaubszeit organisieren wir immer zwei bis drei Wochen lang mithilfe von Ehrenamtlichen ein Ferienprogramm für Kinder. Wir haben damit begonnen und waren zuerst die Einzigen. Jetzt haben auch andere Pfarreien erkannt, dass das ein schönes und wichtiges Angebot ist, und führen ebenfalls solche Ferienfreizeiten durch.

Wenn Sie durch die Berufsschule gehen und das Kinderheim besuchen, was macht Sie da besonders stolz? Worüber freuen Sie sich am meisten?
Schon Don Bosco war es wichtig, Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Den jungen Leuten also nicht einfach den Fisch zu geben, sondern die Angel, um zu lernen, selbst zu fischen. Diese Idee setzen auch wir um. Wir sind stolz darauf, dass unsere Berufsschule die erste und einzige katholische Einrichtung dieser Art in der gesamten Ukraine ist. Wir hoffen, dass dies für andere Organisationen ein Vorbild ist und vielleicht bald auch an anderen Orten solche Schulen entstehen.

Der zweite Grund zur Freude ist unser Kinderheim. In der Ukraine gibt es ziemlich viele Waisenkinder. Etwa 200.000 sind in Internaten untergebracht. Bei uns bekommt jedes Kind Achtung und Erziehung – und neue Freunde. Es ist uns wichtig, diese Kinder als Individuum anzusehen. Wir unterscheiden uns von staatlichen Häusern, denn bei uns herrscht eine familiäre Atmosphäre. Wir wollen, dass jedes Kind die Liebe Gottes spürt und dass es Freude am Leben hat.    

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in der Ukraine bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Pater Karol Manik in Lemberg

Seit vier Jahren leitet Pater Karol Manik die ukrainische Provinz  „Maria, Helferin der Christen“. Die Salesianer Don Boscos gehören dort der mit Rom verbundenen griechisch-katholischen Kirche an. Für den 51-jährigen gebürtigen Slowaken ist der tiefe Glaube an Gott Kraftquelle für seine Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen in Lemberg.


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