Sierra Leone

Theresas Traum: Wie Don Bosco Straßenmädchen in Freetown hilft

In der Hauptstadt von Sierra Leone leben viele Mädchen auf der Straße. Schon Neunjährige müssen sich prostituieren, um überleben zu können. Von der Gesellschaft werden sie ausgegrenzt. Die 19-jährige Theresa hat dank Don Bosco einen Neuanfang geschafft.

veröffentlicht am 25.02.2025

Aus den Töpfen dampft es und ein Duft von gerösteten Erdnüssen zieht durch die Küche. Hier fühlt sich Theresa am wohlsten. Die Lehrküche ist ihr Lieblingsort in der Einrichtung Don Bosco Fambul. „Heute gibt es ein traditionelles Gericht mit Hühnchen und Reis“, erklärt die 19-Jährige. Auch eine cremige Erdnuss-Soße darf nicht fehlen. ­Theresa kocht mit viel Hingabe. Die junge Frau macht eine Kochausbildung, Ende dieses Jahres ist die Abschlussprüfung. Sie ist zuversichtlich, dass sie bestehen wird. In der Ausbildung wurde sie gut vorbereitet. Und sie lernt viel, denn sie will ihre Chance auf eine bessere Zukunft wahrnehmen.

Das war nicht immer so. Früher sah ihr Leben ganz anders aus: Theresa hat ihre Eltern schon früh verloren. Deshalb wuchs sie bei ihrem Onkel und seiner Frau auf. Sie wurde als Haushaltskraft ausgebeutet, erfuhr keine Liebe oder Zuwendung. Als sie mit 16 Jahren ungewollt schwanger wird, muss sie das Haus verlassen. Ihr Freund will das Kind nicht und misshandelt sie. Sie flüchtet und muss auf der Straße leben. So wie viele Mädchen in Freetown, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes ­Sierra Leone.
Niemand hilft diesen Mädchen, Gewalt und Krankheiten gehören zu ihrem Alltag. Als Theresa zur Polizei ging, um die Vaterschaft zu klären, zuckte man dort nur mit den Achseln – und hatte dann doch einen guten Rat: „Versuch es bei Don Bosco.“

Die Sozialarbeiterin ist regel­mäßig auf den Straßen von Freetown unterwegs

Das Don Bosco Zentrum für ehemalige Straßenmädchen ist in Sierra Leone landesweit bekannt, denn es ist die einzige Einrichtung ihrer Art. Die Sozialarbeiterin Mabinty Mary Kawa, genannt „Mama Mary“, ist regel­mäßig auf den Straßen von Freetown unterwegs. Sie weiß, dass sie hier auf viele verzweifelte junge Mädchen trifft. Sie möchte ihnen helfen und erzählt ihnen von Don Bosco, vom Wohn- und Rehabilitationszentrum, von der Schule und der Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen.

Die Mädchen sind meist erst misstrauisch. Viele kennen Geschichten von Straßenkindern, die in staatliche Kinderheime gekommen sind. Kinderheime, die an Gefängnisse erinnern. Deshalb braucht es Zeit, bis die Mädchen Vertrauen fassen. Mama Mary bietet ihnen immer wieder ihre Hilfe an, bringt ihnen etwas zu essen oder ein Kleidungsstück mit. Schließlich lädt sie sie zu Don Bosco ein. „Entscheidend ist, dass die Mädchen bereit sind, zu uns zu kommen, und die Chance ergreifen wollen, ihr Leben zu verändern“, betont die Sozialarbeiterin.

„In den Gesichtern der Mädchen sieht man, wie verletzlich und traumatisiert sie sind"

In der Einrichtung kommen sie als Erstes zur Gesundheitsstation. Hier werden sie medizinisch durchgecheckt und versorgt. Einige der Mädchen und Frauen sind sehr krank. „Wir sind gut ausgestattet und können viele Wunden heilen und Medikamente verschreiben. Wenn wir nicht weiterhelfen können, überweisen wir die Mädchen in ein Krankenhaus“, sagt Mama Mary. „In den Gesichtern der Mädchen sieht man, wie verletzlich und traumatisiert sie sind. Wir müssen alles in unser Kraft Stehende tun, um den Mädchen und jungen Frauen zu helfen. Auch die Politik muss sich dafür einsetzen, den Mädchen zu helfen und die sexuelle Ausbeutung zu stoppen.“

Theresa bringt im Krankenhaus in der Nähe der Don Bosco Einrichtung ein gesundes Mädchen zur Welt. Ihre Tochter wird zu ihrem Antrieb. Nun ist die junge Frau als Mutter gefordert. Ab jetzt klingelt morgens um 5 Uhr der Wecker. Aus dem Straßenmädchen, das hochschwanger bei Don Bosco aufgenommen wurde, hat sich innerhalb weniger Jahre eine selbstbewusste Frau entwickelt. In der Einrichtung erfährt sie viel Unterstützung. Der Tag ist strukturiert und ihre Tochter bestens versorgt.

Theresa und die Kleine wohnen in einem Frauenwohnheim. Nach dem gemeinsamen Frühstück in ihrem kleinen Zimmer bringt Theresa ihre Tochter in den Kindergarten und besucht dann die Berufsschule. Später geht sie in die Lehrküche, wo sie auch ihre Tochter zum Mittagessen in Empfang nimmt.

Theresa träumt davon, später ein eigenes Restaurant zu eröffnen

„Meine Tochter hat hier alles, was sie braucht“, findet Theresa. Und etwas nachdenklich fügt sie hinzu: „Wenn Don Bosco nicht gewesen wäre, wäre ich verloren gewesen. Don Bosco hat mich aufgefangen, begleitet und beschützt. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Zärtlich umarmt sie ihre kleine Tochter. Sie möchte ihr eine gute Zukunft bieten. Ihre Kochausbildung ist ein wichtiger Schritt dahin. Später möchte sie sich selbstständig machen, ihr Traum ist ein eigenes Restaurant.

Theresa glaubt fest daran, dass sie ihren Weg gehen wird. Und sie hat sich vorgenommen, auch anderen jungen Frauen zu helfen. Wenn sie ein eigenes Restaurant hat, möchte sie junge Frauen zu Köchinnen ausbilden. Damit auch deren Traum von einem selbstbestimmten Leben wahr werden kann.

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Sierra Leone bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Interview: „Die Mädchen brauchen unsere Hilfe“

Mabinty Mary Kawa – „Mama Mary“ genannt – ist Sozialarbeiterin bei Don Bosco Fambul und unterstützt Mädchen, die in Freetown auf der Straße leben. Im Interview erzählt sie, wie die Mädchen den Neustart in eine bessere Zukunft schaffen können.

Wie nehmen Sie Kontakt mit den Mädchen auf?
Wir gehen auf die Straße, um nach Mädchen zu suchen, die dort leben, und bieten ihnen unsere Hilfe an. Wir praktizieren Aufsuchende Sozialarbeit. Wir sprechen mit ihnen, beraten sie, erzählen ihnen von unserer Arbeit. Manche bringen wir in unser Mädchenhaus, das Girls Shelter Plus. Wenn sie möchten, unterstützen wir sie auch dabei, eine Berufsausbildung zu machen oder die Schule zu besuchen. Das ist aber alles freiwillig. Wir zwingen sie zu nichts, die Mädchen müssen sich alleine für einen Weg entscheiden. Das ist uns sehr wichtig.

Wie geht es den Mädchen, die Sie auf der Straße treffen?
Die meisten der Mädchen haben viel Gewalt erlebt und sind sehr verwundbar. Viele sind in einem schrecklichen Zustand – auch gesundheitlich. Einige sind sehr krank. Es ist erschreckend, wie viele Mädchen und junge Frauen auf der Straße ­leben. Die meisten müssen sich prostituieren, um zu über­leben. Sie haben keine Wahl, weil sie sonst verhungern müssten. Sie brauchen unsere Hilfe, deshalb müssen wir für sie da sein und dürfen auch als Gesellschaft nicht wegschauen.

Wie helfen Sie konkret?
Wir sprechen viel mit den Mädchen und laden sie in unsere Einrichtungen ein. Als Erstes kommen sie dort auf unsere Gesundheitsstation, wo sie medizinisch durchgecheckt und versorgt werden. Zum Neustart gehört dann auch, wieder zur Schule zu gehen oder eine Ausbildung zu machen. Dafür bieten wir den Mädchen und Frauen Stipendien an. Wenn sie eine Ausbildung machen wollen, können sie das an verschiedenen Berufsschulen tun. Bei uns können sie Schneiderin, ­Friseurin, Kosmetikerin oder Köchin werden. Einige machen sich mit einem eigenen Laden selbstständig. Unser Ziel ist es, dass die jungen Frauen auf eigenen Füßen stehen und unabhängig sind. So können sie der Gesellschaft etwas zurück­geben und Vorbild für andere junge Frauen sein.

Don Bosco in Sierra Leone

Seit 1998 sind die Salesianer Don Boscos in Sierra Leone. Ihre Einrichtung Don Bosco Fambul in der Hauptstadt Freetown hilft Kindern und Jugendlichen, die auf der ­Straße leben müssen. Insgesamt gibt es drei Schutzhäuser: eines für Straßenjungen, eines für Mädchen, die der Prostitution entfliehen konnten, und Wohngruppen für straffällig gewordene Jugendliche. 2023 wurde auf dem Gelände zudem ein Therapiezentrum für stark traumatisierte Kinder und Jugendliche eröffnet. Seit 2020 gibt es auch ein Rehabilitationszentrum circa 40 Kilometer ­außerhalb der Hauptstadt Freetown.


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