Komplexes Phänomen

Mobbing in der Kita

Mobbing in der Kita ist ein unterschätztes Thema. Es beeinflusst nicht nur die betroffenen Kinder, sondern das soziale Gefüge in der ganzen Gruppe. Welche Rolle die Eltern bei der Prävention spielen, weiß Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber.

veröffentlicht am 06.09.2024

Mobbing in der Kita? Ernsthaft? Ich kann gut verstehen, dass man beim Titel dieses Textes zunächst einigermaßen verwundert ist. Zur Wahrheit gehört leider: Mobbing hat, was das Alter angeht, keine Grenzen.

Mobbing ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist und oft erst in den späteren Schuljahren oder am Arbeitsplatz thematisiert wird. Doch bereits in der Kita, also im frühen Kindesalter, können Mobbingverhalten und -dynamiken auftreten.

Mobbing ist ein komplexes soziales Phänomen, bei dem eine Person wiederholt und systematisch durch andere verletzt, ausgeschlossen oder herabgesetzt wird. Es unterscheidet sich von gelegentlichen Streitigkeiten oder Konflikten durch seine Dauerhaftigkeit, das Machtgefälle zwischen den Beteiligten und die oft absichtliche Schädigung des Opfers.

Gravierende Folgen

Mobbing kann verschiedene Formen annehmen, darunter physische Übergriffe, verbale Angriffe, soziale Ausgrenzung und psychische Erniedrigung. Es zeichnet sich dadurch aus, dass das Opfer sich meist nicht in der Lage sieht, sich gegen die Angriffe zu wehren, und das Verhalten der Mobber eine starke negative Wirkung auf das Opfer hat. Diese Art von Verhalten kann gravierende Folgen für die psychische und emotionale Entwicklung eines Kindes haben, insbesondere wenn es bereits in jungen Jahren damit konfrontiert wird.

Die Ursachen für Mobbing sind vielfältig und oft tief in der sozialen Dynamik und den individuellen psychologischen Bedürfnissen der Mobber verwurzelt. Menschen mobben andere, um Macht zu demonstrieren, Anerkennung in einer Gruppe zu finden, Unsicherheiten zu kaschieren oder weil sie selbst negative Erfahrungen gemacht haben. Bei kleinen Kindern kann das Bedürfnis, sich anderen überlegen zu fühlen oder Aufmerksamkeit zu erlangen, eine Rolle spielen. Oft spiegeln Kinder auch Verhaltensweisen wider, die sie in ihrer Umgebung beobachten, sei es in der Familie, im Freundeskreis oder in den Medien.

Schon in der Kita kann Mobbing auftreten, wenn Kinder, die „anders“ sind – sei es aufgrund ihres Aussehens, ihres Verhaltens, ihrer Sprache oder anderer Eigenschaften – von der Gruppe ausgegrenzt oder sogar aktiv angegriffen werden. In diesem Alter beginnen Kinder, soziale Hierarchien zu verstehen und zu testen. Dabei kann es vorkommen, dass sie Kinder, die nicht in das vorherrschende Bild passen, als anders wahrnehmen und sie deshalb schlecht behandeln. Die Opfer dieser Art von Mobbing sind oft besonders verletzlich, da sie noch keine ausgeprägten Fähigkeiten entwickelt haben, um sich zu verteidigen oder das Geschehene emotional zu verarbeiten.

Kindern Empathie, Respekt und Toleranz vermitteln

Sie als Eltern spielen eine entscheidende Rolle dabei, Ihre Kinder auf den Umgang mit Mobbing vorzubereiten und sie zu stärken. Vermitteln Sie Ihren Kindern Werte wie Empathie, Respekt und Toleranz! Kinder sollten ermutigt werden, sich in die Lage anderer zu versetzen und die Unterschiede zwischen Menschen als Bereicherung zu sehen. Bestärken Sie Ihre Kinder darin, Selbstbewusstsein zu entwickeln, damit sie sich trauen, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen oder Hilfe zu holen. Offene Gespräche über Gefühle und Erlebnisse im Kita-Alltag können ebenfalls dazu beitragen, dass Kinder Probleme frühzeitig ansprechen und Fachkräfte und Eltern eingreifen können, bevor sich Mobbing verfestigt.

Es ist wichtig zu erkennen, dass auch die Kinder, die mobben, oft Hilfe benötigen. Mobbing kann ein Ausdruck von inneren Konflikten, Unsicherheiten oder erlebtem Stress sein. Kinder, die mobben, müssen lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse auf konstruktive Weise auszudrücken. Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern sollten solchen Kindern nicht nur Konsequenzen aufzeigen, sondern ihnen auch Unterstützung anbieten, um die zugrundeliegenden Ursachen ihres Verhaltens zu verstehen und alternative Wege des Umgangs mit ihren Gefühlen zu finden.

Opfer und Täter benötigen Unterstützung

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Mobbing in der Kita ist ein ernstzunehmendes Thema, das nicht nur die betroffenen Kinder, sondern das gesamte soziale Gefüge innerhalb der Gruppe beeinflussen kann. Eltern und Fachkräfte sind gefordert, präventiv zu handeln, indem sie eine Kultur der Empathie und des Respekts fördern und Kinder in ihren sozialen Fähigkeiten stärken. Sowohl die Opfer als auch die Täter von Mobbing benötigen Unterstützung, um gesunde und respektvolle Beziehungen zu entwickeln und sich zu empathischen Mitgliedern der Gesellschaft zu entwickeln.


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