Persönlichkeitsentwicklung

So bekommen Kinder ein positives Körpergefühl

Eltern und Pädagogen können viel dazu beitragen, dass Kinder den eigenen Körper mögen lernen und auch andere Menschen so akzeptieren wie sie sind. Warum das so wichtig ist und wie es geht, beschreibt der Erzieher und Theologe Christian Huber.

veröffentlicht am 24.01.2022

Ob klein, ob groß, ob dick, ob dünn, egal woher, wir sind alle gleich. Wohl jede und jeder von uns kennt diese und ähnliche Sätze, mit denen versucht wird, Kindern und Jugendlichen klarzumachen, dass es nicht auf „Äußerlichkeiten“ ankommt, nicht darauf, wie jemand aussieht, sondern, wie jemand ist.

Aber: Stimmt das denn? Ist es ehrlich so, dass Kinder über sämtliche Äußerlichkeiten hinwegschauen und sich gegenseitig einfach annehmen? Wohl kaum, und unter Jugendlichen ist es damit allerspätestens vorbei. Das ist letztendlich auch normal, schließlich ist es nun mal unser Äußeres, das von unserem Gegenüber zuerst wahrgenommen wird, das ist unvermeidbar.

Ist es eigentlich erstrebenswert, perfekt zu sein?

Was dabei genau in den Blick genommen wird, spielt zunächst keine Rolle. Sicherlich haben Sie sofort Assoziationen, wenn Sie an Ihr eigenes Äußeres“ denken: Hautfarbe, Narben, Frisur, Figur, Größe, Hautunreinheiten und vieles mehr. Ich weiß nicht, ob es einen Menschen gibt, der einfach so rundum „perfekt“ ist. Perfekt? Welcher Körper ist eigentlich perfekt und wer hat festgelegt, was perfekt ist und was nicht? Und: Ist es eigentlich erstrebenswert, perfekt zu sein? Wenn nein: Wer hat uns dann diesen Floh in den Kopf gesetzt, der ständig neue Diät-Programme und Workout-Ideen hervorbringt? Inwiefern uns diese Fragen wichtig sind und wie wir sie für uns beantworten, muss und kann jede und jeder für sich selbst klären.

Zurück zu unseren Kindern. Natürlich haben auch sie durchaus ein Auge dafür, wer „anders“ ist. Ihre Konsequenz daraus ist vielleicht nicht so wie die eines Erwachsenen, aber manchmal nicht weniger grausam. Die Selbstwahrnehmung von Kindern ist ständig im Wandel und viele Kinder erleben Situationen, in denen sie feststellen, dass sie anders sind, dass sie durch das eine oder andere Merkmal aus der Masse „herausstechen“. Die Frage dabei ist, wie damit umgegangen wird. Fakt ist: Das Schaffen einer wohlwollenden Atmosphäre hierfür und das Gefühl des authentischen Angenommenseins sind Voraussetzungen für das Vertrauen in die eigene Persönlichkeit und die eigenen Fähigkeiten oder begünstigen diese Prozesse zumindest erheblich.

Wie aber lässt sich eine solche Atmosphäre schaffen? Selbstverständlich können – gerade in Kitas und anderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche – immer wieder Situationen wie Hänseleien entstehen, die für einzelne Kinder unangenehm sind. Das Aufarbeiten solcher Fälle in der Gruppe ist wichtig und richtig, jedoch hin und wieder auch nicht sehr angenehm für die Betroffenen. Kinder, die zu Hause Diskussionen über Diäten und Figurprobleme mithören, stellen sich eher in Frage als solche, die vermittelt bekommen, dass unser Körper zunächst mal einfach gut so ist, wie er ist.

Spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema Gefühle

Als Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen können wir jederzeit in die Situation kommen, dass unter Kindern zuhause oder in der Einrichtung ein solches Thema aufkommt und wir uns dazu verhalten müssen. Selbstverständlich sollte man dann darüber ins Gespräch kommen und gemeinsam erarbeiten, dass es nicht gut ist, andere Menschen zu verletzen oder ihnen das Leben durch Hänseleien schwer zu machen.

In meinen Augen lohnt es sich zudem absolut, präventiv zu arbeiten, also vorzubeugen. Es kann hilfreich sein, sich spielerisch mit dem Thema Gefühle auseinanderzusetzen. Fragen wie „Welche Gefühle kennst du?“ oder „Welche Gefühle sind gut – welche schlecht?“ können dabei helfen. Auch das Deuten von Gefühlsbildern, also Abbildungen, die bestimmte Gefühle darstellen oder symbolisieren, kann ein guter Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt sein. Bringen Sie auch den Aspekt „Gemeinschaft“ mit ein im Sinne von „Wir alle haben Gefühle, uns allen geht es nicht immer gut. Wenn wir uns in diesen Lagen unterstützen, sind wir jedoch alle wieder besser dran, denn nur gemeinsam sind wir stark.“ Auch Spiele, die sich stärkend auf die Gruppe oder die Familie auswirken, sind gut geeignet.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang auch: Kinder, die ihre eigene Gefühlswelt kennen bzw. sich mit ihr beschäftigen, können oftmals leichter an das Thema „Nein-Sagen“ herangeführt werden, ein Thema, das im vorliegenden Themenkomplex auch eine wichtige Rolle spielt.

Den Körper mit all seinen vermeintlichen Makeln als „Wunder“ annehmen

Spielerische Förderung der Selbstwahrnehmung ist ein breites Feld. Theater- oder Rollenspiel, Musik und Tanz – alles, was unsere Körperwahrnehmung fordert und fördert, ist ein Gewinn. Versuchen Sie es einfach mal! Ein Tanz und die Bewegungen zu einem Kinderlied wie „Tschu, tschu, wa“ (zum Beispiel auf YouTube: „Kinderlieder zum Mitsingen und Bewegen“) bringen Spaß und fördern uns und unsere Kinder vielseitig, fordern manchmal auch unsere Beweglichkeit.

Ich bin ich und du bist du. Können wir unseren Körper mit all seinen vermeintlichen Makeln trotzdem zunächst einfach als Wunder annehmen? Können wir staunen über das System Körper, darüber, wie er funktioniert, wie er sich beispielsweise selbst heilen oder Defizite erkennbar machen kann?

Ein positives Körpergefühl führt zu einer positiven Selbstwahrnehmung. Eine positive Einstellung zur eigenen Person macht uns und unsere Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten. Genau das wünsche ich uns allen!


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