Erfahrungsbericht

Fifty-fifty – Wenn Papa und Mama sich die Familienarbeit teilen

Die Mutter ist verantwortlich für Haushalt und Kindererziehung, der Vater „hilft“ – diese Aufteilung kommt für unsere Autorin und ihren Mann nicht in Frage. Sie leben seit 16 Jahren das Fifty-fifty-Modell und sind damit insgesamt sehr zufrieden.

veröffentlicht am 02.05.2022

Mein Mann und ich sind Exoten. Wir teilen uns Hausarbeit, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit gleichberechtigt. Seit fast 16 Jahren leben wir dieses Modell, seit der Geburt unseres ersten Kindes. Und sind damit sehr zufrieden.  

Praktisch funktioniert das Ganze so, dass wir im Prinzip beide alles machen. Kochen, einkaufen, putzen, Vokabeln abfragen, den Hasen füttern – und unserem Beruf nachgehen. Bei einigen Aufgaben klären wir fast täglich, wer sie übernimmt. Andere werden für eine gewisse Zeit verteilt. Bei Bedarf werden Zuständigkeiten geändert oder nachjustiert. Wer beruflich stärker eingespannt ist, tritt beim Haushalt kürzer,und umgekehrt.

Wer hat fürs Mittagessen eingekauft? Und ist noch genug Waschmittel da?

Außerdem haben sich im Laufe der Zeit ein paar Jobs herauskristallisiert, die fast ausschließlich der eine oder die andere erledigt. So übernimmt mein Mann fast immer das Bad-Putzen, ich das Bügeln. Er kümmert sich um Steuern und Handwerker, ich um Kinderklamotten und Kuchenbacken. Meistens klappt das gut. Nur ab und zu gibt’s Missverständnisse. Dann kann es passieren, dass jeder denkt, der andere habe fürs Mittagessen eingekauft oder bei der Versicherung angerufen. Oder dass wir beide der Meinung waren, die Waschmittelvorräte müssten dringend aufgefüllt werden. Geschenkt!

Dass unser Modell funktioniert, hat auch mit unseren Berufen zu tun. Mein Mann ist freiberuflicher Fotograf, ich bin Journalistin, zeitweise angestellt, inzwischen selbstständig. Wir können beide viel im Home-Office arbeiten, Außer-Haus-Termine stimmen wir miteinander ab. Von Anfang an war klar: Wir wollen beide zuständig sein für die Kinder und den Haushalt und zugleich beide unseren Beruf weiter ausüben. Das tun wir seitdem, mit immer wieder wechselnden Anteilen. In den ersten Jahren habe ich mehr Zeit mit den Kindern verbracht, mein Mann war mehr beruflich aktiv. Später hat sich das auf Fifty-fifty angeglichen. Zurzeit bin ich im Job stark eingespannt, er kümmert sich, auch aufgrund der schlechten Auftragslage infolge der Corona-Pandemie, hauptsächlich um „den Rest“.

Was in diesem Zusammenhang eine nicht unwichtige Rolle spielt: Wir verdienen beide in etwa gleich viel. Das macht uns das Aufteilen leichter. Andererseits führt es dazu, dass wir durch das – in meinen Augen völlig aus der Zeit gefallene – Ehegattensplitting eine Menge Steuern zahlen.

Die Grundschullehrerin ist entzückt: Der Papa ist da! 

Was für uns selbstverständlich ist, ist für viele andere offenbar kaum vorstellbar, das merken wir immer wieder. Unvergessen ist für mich ein Elterngespräch bei der Lehrerin in der zweiten Klasse unseres Sohnes. Der Termin war an einem Mittwochnachmittag um 14 Uhr. Mein Mann und ich gingen gemeinsam hin. Wir waren noch nicht durch die Tür, da kam die Lehrerin schon freudestrahlend auf uns zu und rief: „Ach, wie schön, der Papa hat sich extra freigenommen!“. In ihrem Denken war meine Anwesenheit Pflicht, die meines Mannes Kür. De facto hatten wir uns beide freigenommen.

Vor allem in der Zeit, als unsere Kinder klein waren, handhabten die meisten jungen Familien in unserem Umfeld das ganze Familiending eher nach dem klassischen Modell: Die Frau ist verantwortlich für Haushalt und Kinder, der Mann hilft – wenn er kann und will. Egal wie gut ausgebildet und erfolgreich die Mütter in ihrem Beruf gewesen waren: Sie blieben – zumindest in den ersten Jahren, manche auch später – weitgehend zuhause, der Mann ging arbeiten. An zwei besonders krasse Beispiele erinnere ich mich sehr gut. Eine Mutter aus meiner Müttergruppe erzählte, dass sie mit ihrem Mann über einen freien Abend gesprochen hatte. Seine Antwort: Wenn du einen haben willst, organisier ihn dir. Eine andere, die ohnehin die ganze Woche, inklusiv abends, für Haus, Kinder und Hunde sorgte, erlebte, wie ihr Gatte an den Wochenenden regelmäßig mit Freunden Jagdausflüge veranstaltete oder zum Segeln ging – und gar nicht auf die Idee kam, wenigstens dann für die Hausarbeit und seine Kinder da zu sein.

In beiden Fällen, so schien es mir, hatte sich das einfach so eingeschlichen. Die Zuständigkeiten hatten sich ergeben, und je länger das System lief und funktionierte, desto schwieriger war es für alle Beteiligten, da wieder herauszukommen. Bei der ersten Mutter hat das später sehr gut geklappt, sie hat mit ihrem Mann einen Modus gefunden, mit dem beide zufrieden sind. Bei der anderen nicht, die Beziehung ist nach einigen Jahren in die Brüche gegangen.

„Kochen ist doch keine Männerarbeit“

Dass auch jetzt noch in vielen Familien klare Rollenbilder in den Köpfen sind, haben wir kürzlich bei uns in der Nachbarschaft erlebt. Eine Zehnjährige sah in einer anderen Familie, wie der Vater das Abendessen kochte. Ihre Reaktion: „Aber das ist doch keine Männerarbeit!“ Unsere Tochter hatte die Szene beobachtet und erzählte uns später sehr belustigt davon. Und auch ein bisschen aufgebracht.

Denn für sie und ihren Bruder ist es ganz normal, dass sowohl Vater als auch Mutter für alles zuständig sind. „Ich kenn’s ja nicht anders“, meinte unser 13-jähriger Sohn lakonisch, als ich ihn fragte, was er von unserem System hält. „Ich finde es gut“, erklärte unsere Tochter, „weil ich es komisch fände, wenn zum Beispiel Papa den ganzen Tag arbeiten würde und du den ganzen Tag zuhause wärst.“ Sie steht auf Gleichberechtigung und möchte „das später auch so machen“.

Auch mein Mann bewertet unser Modell als „insgesamt sehr gut“. Besonders positiv findet er, dass wir beide von Anfang an für die Kinder präsent waren. Ein kleiner Nachteil ist für ihn, dass viel Absprachebedarf besteht. Dass wir in der Corona-Zeit die Möglichkeit hatten, unsere Arbeitszeiten und Zuständigkeiten nach Bedarf anzupassen, war aus seiner Sicht optimal.

Gar nicht erst reingetappt in die Mama-macht-das-schon-Falle

Dass wir erst gar nicht in die Mama-macht-das-schon-Falle hineingeraten konnten, hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich nach der Geburt unserer Tochter mehrere Tage sehr krank war und mein Mann sich im Krankenhaus um das Baby kümmerte. Als ich wieder fit war, habe ich mir von ihm zeigen lassen, wie das ging mit der Nabelpflege und dem Wickeln. Eigentlich, wenn auch unfreiwillig, ein perfekter Einstieg in das Fifty-fifty-Eltern-Game.

Wobei ich zugeben muss: An einem Punkt sind wir doch in die Falle getappt, und zwar in dem Bereich, der heute als „Mental Load“ bekannt ist, also bei den vielen kleinen Dingen, die im Hintergrund organisiert werden müssen. Bei mir liefen alle Fäden zusammen, die Gesamtorganisation der Familie lag bei mir. Ich hielt den Kontakt zu anderen Eltern, organisierte Geburtstagsgeschenke für unsere Kinder und für die Kindergeburtstage von ihren Freunden. Ich sammelte alle Unterlagen, kümmerte mich um die Termine und den Schriftverkehr mit Kitas, Ärzten und Elterngeldstelle. Auch das Management von Kinderkleidung und Kinderspielzeug – Anschaffen, Aussortieren, Wegwerfen, Weitergeben – war ausschließlich mein Ding. Meinen Mann erinnerte ich an die Geburtstage seiner Eltern und seiner Patenkinder. Ich fühlte mich dafür verantwortlich, weil ich mich generell oft verantwortlich fühle und weil ich es irgendwie als der Mutterrolle zugehörig empfand, alle diese Dinge im Blick haben. Irgendwann war ich komplett überfordert und habe gemerkt: Ich schaffe das nicht mehr. Seitdem versuchen wir, uns auch in Sachen Mental Load besser miteinander abzustimmen.

Insgesamt bin ich nach 16 Jahren sehr glücklich mit unserem Modell und sehr dankbar, dass es möglich ist. Ich weiß, dass viele Paare sich so ein Modell nicht vorstellen können oder es ablehnen. Andere hätten es gerne, es lässt sich aber aufgrund der Rahmenbedingungen nicht realisieren. Ich würde mir wünschen, dass alle Eltern, die Fifty-fifty leben wollen, das auch tun können. Weil das allen guttun würde – den Kindern, den Eltern und der Gesellschaft.

Familie und Beruf heute – Statistik

Theoretisch möchten viele Väter zuhause stärker präsent sein, viele Mütter würden gerne mehr arbeiten, doch die Praxis sieht anders aus. Die Hauptlast der Care-Arbeit liegt immer noch bei den Frauen. Einige Zahlen.

Hauptverdiener in Familien mit minderjährigen Kindern waren im Jahr 2019 in Deutschland meist die Männer:

  • In 45 Prozent der Familien arbeitete der Vater in Vollzeit, die Mutter in Teilzeit.
  • In 27 Prozent der Familien war der Vater Alleinverdiener.
  • 13 Prozent der Paare arbeiteten beide in Vollzeit, 8 Prozent beide in Teilzeit.
  • In nur 3 Prozent der Familien war die Frau alleinverdienend, in 2 Prozent arbeitete sie in Vollzeit, er in Teilzeit.
  • In 5 Prozent der Familien waren beide Partner nicht erwerbstätig.

Quelle: Väterreport des Bundesfamilienministeriums von Ende 2021

Auch in Österreich unterbrachen nach der Geburt eines Kindes vor allem die Mütter die Erwerbstätigkeit und kehrten später in Teilzeit auf den Arbeitsmarkt zurück. Der Großteil der Männer arbeitete weiter wie vorher:

  • Im Jahr 2020 waren 68 Prozent der Mütter und 91 Prozent der Väter mit Kindern unter 15 Jahren erwerbstätig. Die Teilzeitquote bei den erwerbstätigen Müttern lag bei 72 Prozent, bei den Vätern bei 7 Prozent.

Quelle: Statistik Austria vom März 2022

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