Müll vermeiden

Verpackungsfrei einkaufen

Seit 2016 gibt es in Trier einen Unverpacktladen. Die Inhaber, zwei junge Männer, sind überzeugt: „Es ist nicht unser Recht, die Erde auf die letzten Ressourcen auszubeuten.“

veröffentlicht am 01.03.2019

Eigentlich wollten die jungen Eltern nur Spülmittel kaufen. Die Verpackung dafür haben Ronny Höpfner (37) und Karoline Gäbler (36) dabei. Eine alte Plastikflasche. An einem großen Spender, der wie ein Senf- und Ketchup-Ausschank an einer Frittenbude wirkt, füllen die beiden die gewünschte Flüssigkeit ein. Später an der Kasse werden sie dann nach Gewicht bezahlen. „So, brauchen wir noch etwas?“, fragt Höpfner. „Gemüse?“, fragt Gäbler zurück. Und sie schlendern mit dem Kinderwagen weiter durch den kleinen Unverpacktladen in der Trierer Innenstadt. Rund 500 Kunden gehen hier an Werktagen täglich ein und aus. 2016 hat das Geschäft eröffnet. Und schon 3,5 Tonnen Plastik, so verkündet ein Schild im Laden, konnten seither vermieden werden. Das ist so viel, wie ein Kleintransporter wiegt. 2017 ist Joshua Streitz (22) in die Leitung des Unverpacktladen eingestiegen. „Es ist nicht unser Recht, die Erde auf die letzten Ressourcen auszubeuten, nur, weil wir zu faul sind“, erklärt der junge Mann seine Motivation. „Wir sind nicht alleine hier.“ Streitz ist Onkel und Patenonkel. „Ich will den Kindern nicht irgendwann erklären müssen, dass wir ihre Lebensgrundlage zerstört haben.“ Der junge Mann und sein Geschäftspartner Sebastian Würth (24) ergänzen sich gut. Würth kommt aus dem Einzelhandel. „Ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie viel Plastik dort jeden Tag hin und her geschoben wird“, erklärt er. „Das geht auch anders“, habe er sich damals gedacht und in die Tat umgesetzt.

Haarseife statt Shampoo in der Flasche  

Streitz ist Fachkraft für Lagerlogistik. Kennengelernt haben sich die beiden durch die gemeinsame Absicht: Plastik vermeiden, etwas ändern wollen. „Ich habe lange vorher schon versucht, nachhaltig zu leben“, sagt Streitz. Schon als Teenager vermied er etwa Produkte, die an Tieren getestet worden waren. Irgendwann kam für ihn das Thema Verpackung ins Spiel. „Mir ist bewusst geworden, wie sehr Plastik schadet. Dass Tiere darin sterben. Und dass es 10.000 Jahre braucht, bis es biologisch abgebaut ist.“ Er versuchte von da an, möglichst oft nur noch im Bioladen einzukaufen. Doch auch da sei er mit rund 80 Prozent Plastikverpackung konfrontiert worden. Auch an seiner Arbeitsstelle bei einem Telekommunikationsunternehmen setzte er Müllvermeidung durch. Kabel seien etwa einzeln in Folie geschweißt gewesen, nur, um dann als Zehnerbündel zusammen in einen Karton gepackt zu werden. Er erreichte den Verzicht auf die Extrafolie. Neben dem Hauptberuf baute der heute erst 22-Jährige schon kurz nach Ende seiner Ausbildung einen Universal-Onlineshop auf, spezialisierte sich dann auf nachhaltige Alternativprodukte: Haarseifeblöcke statt Shampoo in der Flasche, Zahnbürsten aus Bambus statt aus Plastik, Papier aus alten Landkarten. „Ich wollte nichts verkaufen, das ich nicht auch kaufen würde.“

Als er von der Eröffnung des Unverpacktladens in Trier hörte, war Streitz einer der ersten Kunden. Er kam mit Würth ins Gespräch, die beiden verstanden sich auf Anhieb. Eine Freundschaft war geboren, und eine geschäftliche Partnerschaft. „Im Februar 2017 haben wir gesagt, wir machen es zusammen“, sagt Streitz, der damals erst 20 Jahre alt war. Die beiden Jungunternehmer stecken voller Ideen und sind ständig bemüht, das Konzept zu verbessern: Lieferservice, ein eigener Großhandel für Unverpacktläden, weitere Unverpacktläden unterstützen und mitentwickeln. Bald eröffnen sie auch ein nachhaltiges Café an ihrem neuen Standort, an den der Laden 2018 gezogen ist. Durch die Lage in der Innenstadt kommt auch sehr viel Laufkundschaft. Wie die 13-jährige Charlotte Kehrbaum. „Ich wollte mit meiner Patentante ins Kino und hier einfach nur schnell reinschauen.“ Der Schülerin gefällt das Konzept. „Ich finde es nicht gut, wenn die Umwelt verschmutzt wird“, erklärt sie. Julia Semmling (44) gehört zur Stammkundschaft. Rund einmal die Woche kauft sie hier ein: Müsli, Obst, Joghurt oder Nudeln. Das Vorgehen ist ihr schon sehr vertraut. An einer kleinen Registriermaschine wiegt sie ihre mitgebrachten Einmachgläser ab. Und sie schlendert gemütlich durch das helle Geschäft. Haferflocken, Mehl, Salz oder Linsen – aus den großen Schüttgefäßen kann sich jeder herausnehmen, wie viel er will und was er braucht. „Ich finde es ökologisch sinnvoll“, erklärt Semmling ihren Grund, warum sie gerne im Unverpacktladen shoppt. „Und man kauft mit einem guten Gefühl ein.“ In dem Wissen, dass „man doch oft zu bequem ist, alles perfekt zu machen“, könne sie so doch zumindest ihren kleinen Teil zum Umweltschutz beitragen. „Das hat auch etwas mit Anstand zu tun.“

Wir können nicht um jeden Preis faul sein

Auch Streitz sagt von sich, dass er keinen 100-prozentig ökologisch nachhaltigen Lebensstil führt. „Den perfekten Öko gibt es nicht.“ Er fährt Auto, das ließe sich oft nicht vermeiden. „Ich denke, dass es viele Dinge gibt, wo man Kompromisse schließen muss, weil die Alternative einfach zu unkomfortabel ist.“ Etwa, wenn man mit dem Bus zwei Stunden länger unterwegs ist. Doch sollten die Ressourcen eben für die Bereiche aufgespart werden, wo sie tatsächlich benötigt werden, das Unnötige vermeiden. „Erdöl wird in der Medikamentenherstellung sicher eher gebraucht als für einen Fidgetspinner“, führt er an. Und es sei einfach absurd, Orangen zu schälen, um sie dann in Plastik einzupacken. „Wir können einfach nicht um jeden Preis faul sein“, sagt der 22-Jährige. „Aber ich bin froh, dass man verpackungsfrei Chips kaufen kann. Sonst hätte ich ein Riesenproblem.“ Streitz lächelt. Wenn er Zeit hat, dann macht er das, was viele junge Menschen in seinem Alter tun: Er hängt gerne mit Kumpels ab, geht auf Konzerte, liegt einfach auf der Couch und sieht Filme oder engagiert sich ehrenamtlich. Seit seinem Besuch des Weltjugendtages in Brasilien 2013, der ihm durch einen Kontakt zu den Salesianern Don Boscos auf dem Helenenberg ermöglicht worden war, ist er im Weltjugendtagsteam des Bistums Trier aktiv, gestaltet etwa Vorbereitungswochenenden mit.

Viel Zeit für seine Hobbys hat Streitz allerdings nicht. Denn das Leben als Selbstständiger ist nicht einfach. Auch abends und am Wochenende gibt es viel zu tun: Rechnungen, Bestellungen, Messen besuchen oder an neuen Ideen feilen. Streitz ist nun auch im Vorstand des von ihm mitinitiierten Unverpackt-Verbandes. Hierin können die schätzungsweise derzeit rund 100 Läden in Deutschland, die das Konzept meist unabhängig und eigenständig betreiben, sich vernetzen, austauschen, „eine große gemeinsame Stimme werden“, wie Streitz es formuliert.

Karoline Gäbler und Ronny Höpfner sind froh über den Einsatz von Menschen wie Streitz und Würth. Für ihre fünf Monate alte Tochter, die nächste Generation, wollen sie eine gute Welt hinterlassen. „Es existiert zu viel Müll auf unserem Planeten.“ Durch ihren Einkauf im Unverpacktladen könnten sie zumindest einen kleinen Beitrag leisten. Streitz freut das. „Ohne Hoffnung, dass es etwas bringt, würde ich es nicht machen.“


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