Nächster Schritt
Der erste Urlaub ohne Mama
Hurra, ein Zeltlager! Zwölf Tage Gemeinschaft, Spielen, Abenteuer. Doch ist das schon was für das eigene Kind? Stefanie Kortmann und ihre neunjährige Tochter überlegen. Und treffen gemeinsam eine Entscheidung.
veröffentlicht am 03.03.2023
Ehrenamtliche aus unserem Dorf werden in diesem Sommer nach der langen Corona-Pause wieder ein Ferienzeltlager organisieren. Ein Urlaub, nicht weit entfernt, zwölf Tage mit Zelten, Spielen und Abenteuern für Kinder ab neun Jahren. Ich lese den Info-Flyer und habe sofort viele Fragen in meinem Kopf: Wäre das was für Christina? Kann ich ihr das zutrauen – sie wird erst neun? Wer würde sie begleiten? Und vor allem: Möchte sie überhaupt mit? Auswärts schlafen ist für sie überhaupt kein Problem, aber ein ganzer Urlaub weg von daheim wird sich anders anfühlen als ein Nacht bei der Freundin.
Ich selbst habe beste Erinnerungen an ein Zeltlager auf Langeoog, in dem ich als Kind gleich drei Urlaube verbrachte. Weg von den Eltern, erlebten wir zwischen dem Bad in der Nordsee, der Schlammschlacht bei der Wattwanderung und der abendlichen Kinderdisco eine unvergessene Zeit. Gerne möchte ich auch Christina die Chance geben, solche Erfahrungen abseits vom Elternhaus zu sammeln, nur: Ist sie schon alt genug dafür?
Raus aus dem Nest, rein in die Welt
Herauszufinden, mit welchen Plänen wir unsere Kinder unter- oder überfordern, ist in meinen Augen eine der schwierigsten Aufgaben für uns Eltern. Obwohl oder gerade weil wir die Kinder täglich sehen, fällt es uns manchmal schwer, zu erkennen, dass der Nachwuchs bereit ist für den nächsten Schritt – raus aus dem Nest, rein in die Welt. Veränderungen wahrnehmen und anzunehmen gelingt nicht immer gut. Ich kenne einige ältere Teenager, die mit Ausnahme der Klassenfahrten noch nie ohne Eltern verreist sind. Oft beobachte ich, dass die Mamas, bewusst oder unbewusst, nicht loslassen möchten oder können. Kann ich das? Und muss ich das jetzt können, oder sollten wir vielleicht noch etwas warten? Klar, das Zeltlager würde mir auch bei der Ferienplanung helfen. Es kommen schließlich sechs Wochen auf uns zu und ich habe natürlich nicht die gesamte Zeit frei. Zudem gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Ferienbetreuung bei uns. Jede Familie muss sehen, wie sie Job, Kinder und Freizeit organisiert.
An einem Sonntag mit viel Regen legen wir uns aufs Sofa und erstellen eine Liste mit den Vor- und Nachteilen zum Thema Zeltlager. Christina macht eifrig mit. Bei den Vorteilen notieren wir unter anderem „viel Spaß haben“, „immer unter Kindern sein“, „tolle Ausflüge machen“. Nachteile gibt es eher wenige, mal abgesehen von der langen Trennung von zu Hause und der damit verbundenen Gefahr, Heimweh zu bekommen. Dass ich mein Kind noch nie so lange aus den Händen gegeben habe und dass auch immer noch für unvorstellbar halte, lasse ich mal unerwähnt. Ich will das Kind nicht verunsichern. Unsere Gedanken führen uns schließlich zu einer nächsten Liste: Rezepte gegen Heimweh und Herzschmerz.
Rezepte gegen Heimweh
Dabei kann ich auf meinen Erfahrungsschatz von früher zurückgreifen und empfehle Abwechslung, Essen und Trinken, schlicht und einfach schlafen gehen, mit dem Lieblingsstofftier kuscheln oder sich der Freundin anvertrauen. „Ich könnte auch in ein T-Shirt reinschnuppern, dass nach dir riecht“, ergänzt Christina mit fester Stimme. Am Ende schauen wir uns unsere Aufzeichnungen an. Für sie ist es die Bestätigung, dass sie unbedingt mitfahren möchte. Für mich ist es ein sichtbares Zeichen, dass ein nächster Entwicklungsschritt bevorsteht: der erste Urlaub ganz ohne Mama. Als auch noch eine Freundin zusagt, geht die Anmeldung raus – das Zeltlager kann kommen!