Zusammenwohnen
Drei Generationen unter einem Dach
Unsere Autorin Stefanie Kortmann lebt mit Tochter und Mutter in einem Haus. Wenn sie anderen von dieser Wohnform erzählt, erntet sie oft große Skepsis. Trotz aller Kompromisse, kann sie das Modell wärmstens empfehlen.
veröffentlicht am 30.09.2021
Neulich haben wir ein Freilichtmuseum besucht. Die alten Bauernhöfe erlaubten uns einen sehr lebendigen Blick in die Vergangenheit, in der Jung und Alt ganz selbstverständlich zusammenlebten. Der Geruch von Schweiß und harter Arbeit, aber auch der Geist der Gemeinschaft, lag in den Räumlichkeiten. Arbeiten, Essen, Beten, Musizieren, alles machte man zusammen. Wo selbst das Bett geteilt wurde, hatte die individuelle Freiheit sicher wenig Raum. Dafür blieb aber auch niemand allein.
Ich frage mich: Waren die Menschen in dieser Gemeinschaft damals zufrieden(er) oder gar glücklich? Stellte sich diese Frage überhaupt, schließlich war der Alltag geprägt von der existentiellen Frage, wie man Vorräte auffüllen kann, um dem Hunger zu entkommen. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Generationen auf dem Hof war die Grundlage dafür. Alleine konnte niemand überleben. Wie ist das heute?
Vor ein paar Wochen stand in der Zeitung, dass 42 Prozent der Haushalte in Deutschland Single-Haushalte sind. Weitere 30 Prozent leben ohne Kinder. Was für ein Wandel!
Menschen machen Menschen glücklich – das hat Corona wieder gezeigt
Wenn ich davon erzähle, dass ich mit Kind und Oma – meiner Mutter – ein Haus bewohne, ernte ich jede Form von Reaktion von Neugier bis Naserümpfen. Was hängenbleibt, ist das Gefühl, wie sonderbar dieses Wohnmodell zu sein scheint. Viele erklären sofort, warum sie sich das in ihrer Familie nicht vorstellen könnten.
Dabei werbe ich gerne für diese Form des Zusammenlebens. Menschen machen Menschen glücklich – davon bin ich überzeugt und Corona hat es uns (erneut) bewiesen. Wir brauchen einander. Der direkte Kontakt, nicht der virtuelle, ist wichtig, manche Studien sagen, überlebenswichtig für uns. Also alles super im Hause Kortmann? Mitnichten.
Immer wieder sprechen und diskutieren
Drei Generationen unter einem Dach bedeutet jeden Tag leben mit Kompromissen. Wenn das Kind das Zimmer zur Turnhalle umfunktioniert und dabei die Wände wackeln, wenn die Oma feste Essens- und Ruhezeiten einfordert, die Mama spontan einen Babysitter braucht oder wenn die täglichen Haus- und Gartenarbeiten anstehen, muss gesprochen und diskutiert werden. Und nicht immer ist die Lösung für alle schön. Kompromisse bedingen, dass man sich zurücknehmen und mit dem Ergebnis leben muss – je nach Charakterzug wirklich nicht einfach. Wer sich so nahesteht und dabei auch so nah nebeneinander lebt, kennt jede Schwachstelle und jede Stärke. Das ist manchmal gefährlich und oft gut, denn auch nach fast acht Jahren des Zusammenlebens steht für mich fest, dass trotz der Reibereien alle drei Parteien in diesem Haus gewinnen.
Die Oma hat durch den Nachwuchs neues Lebenselixier erhalten. Die Tochter wiederum erlebt hautnah, wie es ist, eine Oma im direkten „Zugriff“ zu haben. Und ich? Ich finde Zeit, zum Beispiel um diese Zeilen zu schreiben.
Menschen machen Menschen glücklich, man muss dazu heute nicht mehr zusammen in einem Haus wohnen. Aber warum eigentlich nicht?