Licht aus
Ich will die Kirche hören!
Stefanie Kortmann beobachtet fassunglos, wie in ihrer Pfarrgemeinde mehr und mehr Angebote gestrichen werden. Dabei lebt sie in einer Region, in der die Kirche immer präsent war. Sie wünscht sich, dass ihre Tochter eine lebendige Kirche erlebt.
veröffentlicht am 30.06.2022
Wir leben in Werl, in Westfalen, ein großer Marienwallfahrtsort. Gefühlt alles hier ist katholisch. Beginnend mit den Kindergärten und den Schulen, über die DJK-Sportvereine, die Schützenbruderschaften und Müttervereine, selbst das Sozialkaufhaus, die Altenheime und das Krankenhaus – alle diese Institutionen haben mit wenigen Ausnahmen katholische Wurzeln. Entsprechend stellt die Partei mit dem „C“ im Namen den Bürgermeister und regiert im Stadtrat. Das war schon immer so.
Wer hier wohnt, und vor allem wer hier groß wird, kommt an der Kirche nicht vorbei. „Die Kirche ist ein großer Teil unserer Kultur“, argumentiert ein guter Freund immer wieder gerne sachlich und zugleich beharrlich, wenn wir uns über Kirchen-Themen streiten. Und ja, er hat recht. Die Kirche ist ein ganz großer Teil unserer DNA. Den Menschen in dieser Region hat sie seit Generationen eine Struktur gegeben, von der Taufe bis zur letzten Stunde. Das war immer so.
Die Kirche steckt auch hier mitten im Wandel
Jedes Dorf hat seine Kirche, seinen Pfarrer und einen Jahreskalender, in dem die Gemeinde das gesellschaftliche Leben organisiert – nein, das ist nicht mehr so. Die Kirche steckt auch hier vor Ort mitten im Wandel. Statt nur einer Pfarrgemeinde, versorgt der Pfarrer nun in einem Team einen sogenannten „pastoralen Raum“. Damit wurden Gemeinden verbunden, die im Grunde wenig bis gar keine Berührungspunkte hatten und die sich auch Jahre nach dem Zusammenschluss kaum angenähert haben.
Vor Ort gibt es zunehmend weniger Programm – und Präsenz. Keine Messdienerstunden, kaum mehr Kommunion- oder Firmvorbereitung, das Büro der Pfarrsekretärin ist für immer geschlossen. Alles wurde zentralisiert. Zuletzt gab es die Ankündigung einer neuen Gottesdienstordnung. Weil zwei Priester ausscheiden und zugleich der pastorale Raum noch einmal vergrößert wird, wird es in unserer Kirche nur noch einmal im Monat einen Sonntags-Gottesdienste geben. Ansonsten werden am siebten Tag der Woche die Lichter ausbleiben.
Ein Gefühl der Ohnmacht breitet sich aus
Ich habe vier Jahrzehnte Kirche mal mehr, mal weniger intensiv erlebt. Sie ist auch Teil meiner DNA. Ich habe mit und in dieser Kirche als Messdienerin gefeiert, auf den Jugendfreizeiten gelacht und als Jugendliche gestritten. „Ich will die Kirche hören!“ brüllten wir als Kommunionkinder, während wir in der Kirche rund um den Altar standen. Der Pfarrer hatte uns dazu ermutigt. Er wollte, dass wir laute und lebendige Mitglieder der Gemeinde werden und dass wir etwas von dieser Kirche fordern – und zugleich erwarten dürfen. Aber die Kirche hier wird zunehmend leiser. Niemand weiß, welches Angebot als nächstes eingestellt werden muss, ein dumpfes Gefühl der Ohnmacht breitet sich aus.
In wenigen Wochen beginnt für meine Tochter die Vorbereitung auf die Erstkommunion. „Ich will die Kirche hören“ wird auch sie im Lied vom Taufbund fordern. Ich wünsche mir, dass sie auf offene Ohren stößt.