Krankheit
Manchmal bleibt nur beten
Das Kind einer entfernt bekannten Familie ist schwer krank und kämpft um sein Leben. Unsere Autorin Stefanie Kortmann und eine Freundin überlegen, was sie tun können. Und stellen fest: Nichts. Fast nichts.
veröffentlicht am 01.10.2022
Der kleine Mats hatte es noch nie leicht in seinem jungen Leben. Während sein Zwillingsbruder laufen lernte, zwang ihn einer Erkrankung der Hüfte in den Rollstuhl. Es folgten lange Krankenhausaufenthalte und unzählige Therapiestunden. Dazu die ständige Sorge, wie sich die Krankheit weiter entwickeln würde. Würde Mats jemals aufrecht stehen und unbeschwert seinen Weg gehen können? Bis heute ist das nicht klar – und leider ist es aktuell auch nicht mehr die wichtigste Frage, denn bei Mats wurde Anfang des Jahres ein Gehirntumor festgestellt. Welch ein Schock! „Es sieht nicht gut aus“, sagt die Mama, die Angst hat, dieses Weihnachtsfest könnte das letzte sein, das sie mit ihrem Sohn feiern wird.
Ich erfahre von Mats, der im Nachbardorf lebt und dessen Familie ich nur entfernt kenne, über eine Freundin. Sie schildert mir die Situation. Der todkranke Junge, dazu die Geschwisterkinder, die gerade viel zu kurz kommen und die Eltern, deren Verzweiflung kaum auszuhalten ist. Wir beide, selbst Mütter, sind in unserem Gespräch den Tränen nahe. Wie kann das Schicksal nur so grausam sein? Wir schweigen.
Die Ohnmacht wird kleiner
Aus der Stille kommt reflexartig der Gedanke, Hilfe anzubieten, natürlich auch um der eigenen Hilfslosigkeit zu entkommen. Aber unsere Hilfe, die ist hier im Moment nicht gefragt. Natürlich wird die Familie ärztlich und auch psychologisch betreut. Auch ein alter Freundeskreis engagiert sich. Sie unterstützen im Alltag, das ist gut. Für meine Freundin, und erst recht für mich, bleiben keine Aufgaben übrig. Wir schweigen.
„Am Ende können wir nur eins - beten“, sage ich schließlich. „Wir können durch unser Gebet jemand anderem kämpfen helfen – und genau darum geht es jetzt. Der kleine Junge steht vor einer riesigen Aufgabe. Bitten wir Gott um seine Hilfe, ihm und seiner Familie unter die Arme zu greifen und ihnen Kraft zu geben.“ – „Naja. Krebs besiegt man nicht mit Gebeten“, erwidert die Freundin, zieht dann aber die Schultern hoch und ergänzt: „Aber was bleibt uns übrig?“
Wieder schweigen wir, aber etwas ist anders. Die Ohnmacht in uns fühlt sich nicht mehr ganz so groß an, wenn wir um die Allmacht Gottes bitten. Beten ist reden mit Gott. Voll Vertrauen wenden wir uns an ihn, auch – und erst recht – wenn es keinerlei weiteren Ausweg mehr gibt. Mats, der eine so unfassbar unfaire Lebensaufgabe zu bewältigen hat und seine Familie, wollen wir in unser Gebet einbinden. Eine stille Geste. Nur das können wir in diesem Moment tun.