Glaubensleben
Direkter Draht nach oben – Wie Kinder beten
Bei einem Wanderurlaub mit geistlicher Begleitung sind die Kinder der Familie Pernsteiner mit Begeisterung dabei. Und auch im Alltag merken die Eltern: Die Kleinen sind sensibel für das Göttliche im Leben.
veröffentlicht am 01.11.2019
Im Sommer waren wir erstmals auf so etwas wie Einkehrtagen: Wandern auf Südtiroler Bergen mit Familien aus mehreren Bundesländern und geistlicher Begleitung durch eine Ordensschwester, mit Morgen- und Abendlob sowie auch Gottesdiensten. Es war ein wunderschöner, erholsamer Urlaub, der unseren Kindern zeigte, dass auch andere in ihrem Alter gläubig sind – denn unser Wiener Alltag bietet da meist ganz andere Erfahrungen. Auch wir Eltern staunten nur, mit wie viel Verlässlichkeit, Freude und Andacht da andere Kinder etwa beim Tischgebet oder bei der Heiligen Messe bei der Sache waren. Und stellten dabei ungewollt so manche Vergleiche an.
„Danke, lieber Gott, für das gute Essen, das die Mama/der Papa gekocht hat. Amen!“, bekommt man an unserem Küchentisch oft vom ersten anwesenden Kind im Eilzugstempo zu hören. Und schon während dieser zweieinhalb Sekunden beginnt das Solo-Löffelkonzert, erst recht, wenn Heißhunger oder das Lieblingsessen mit im Spiel ist. Die Mahnung, doch auf Geschwister und Eltern zu warten, verhallt völlig wirkungslos. Auch unser regelmäßiger Kinderzimmer-Rosenkranz am Abend ist öfters nur ein Elterngebet mit Ein-Gesätzchen-Gastauftritten unserer Kinder, die dazwischen noch ausstehende Spiel oder Turnminuten nachholen oder die ruhige Stimmung zum besseren Einschlafen nutzen. Und beim Weggehen in der Früh schicken wir ihnen das Stirnkreuzerl manchmal nur noch in Gedanken nach, weil sie schon losgerannt sind. Seufz.
Requiem für einen toten Vogel
Aber manchmal hinterlassen uns die Kinder sprachlos. Etwa, als Isabel vom Kindergarten berichtete: „Heute habe ich beim Hundespielen Jakob gebissen, und er hat losgeheult und ist zur Tante gegangen. Ich hab mich versteckt und schnell gebetet: ‚Lieber Gott, lass ihn doch aufhören!‘ Die Tante war gerade beschäftigt und hörte nicht zu, da wurde er von selbst ruhig.“ Als ihre Schwester krank war, sagte Isabel zu meiner Frau: „Mama, sorg dich nicht mehr, ich hab ja eh schon für Sara gebetet.“ Ist jemand gestorben, so wissen die Kids genau, was zu tun ist. Einmal ertappten wir unsere Jüngste sogar im Garten das Requiem singend für einen toten Vogel, den sie gerade zu Grabe getragen hatte. Als wir Eltern nach der belastenden Funkstille eines Ehestreits wieder miteinander redeten, vertraute uns nachher eines der Kinder an: „Ich habe inzwischen einen ganzen Rosenkranz für euch gebetet.“
Kinder haben einen direkten Draht nach „oben“, merken meine Frau und ich, denn offenbar werden ihre Gebete sofort durchgestellt. Vielleicht, weil sie von Natur aus sensibel dafür sind, dass es viel mehr gibt als das Sicht- und Greifbare, und weil sie weit intensiver beten als wir Großen. Sie lehren uns, weniger verkopft und kompliziert mit unserem Schöpfer und Heiland in Kontakt zu treten und einfach zu vertrauen. Ihr Mittun motiviert und lässt uns das Beten wieder neu als etwas Wunderbares entdecken. Dies geschieht vor allem, indem wir unserer Elternaufgabe nachkommen, es mit ihnen einzuüben – angefangen mit Dank und Bitte für das Kleine und Große im Leben –, und ihnen dafür auch Vokabular, Atmosphäre, Rhythmus, Konstanz und ein hoffentlich zuträgliches Vorbild mitgeben. Was sie selbst daraus machen, liegt nicht in unserer Hand.