Gottesbeziehung

Beten mit Kindern

Manchen ist es fremd, bei anderen gehört es so selbstverständlich zum Tagesablauf dazu wie das Zähneputzen: Beten. Wie es mit Kindern funktioniert und was es bringt.

veröffentlicht am 31.10.2019

Beten lernen

„Die Gottesbeziehung wird im Sprechen mit Gott vital erlebt“, erklärt Albert Biesinger. „Menschen, die nicht beten lernen, haben es schwerer, mit Gott in einen lebendigen und alle Lebensbereiche umfassenden Kontakt zu kommen.“ Deshalb, so rät der bekannte Religionspädagoge und Autor: „Eröffnen Sie Ihrem Kind diese wichtige Dimension.“ Wichtig dabei: Die Kinder sollten Beten als persönliches Gespräch mit Gott verstehen lernen. Sie sollen die Erfahrung machen, dass sie „tatsächlich ‚gehört‘ werden und von Gottes liebender Sorge umfasst sind“.

Wenn der äußere Rahmen stimmt – vielleicht nehmen die Eltern ihre Tochter, ihren Sohn beim Beten in den Arm –, kann das Kind Geborgenheit spüren und erleben: „Gott ist ein Freund der Menschen, auch wenn er auf andere Weise anwesend ist als meine Eltern“, schreibt Biesinger in seinem Klassiker „Kinder nicht um Gott betrügen“ (Herder-Verlag).

Alles hat Platz

Am besten gelingt das gemeinsame Beten, wenn es ganz selbstverständlich in den Familienalltag eingebunden ist. Ein Morgen-, ein Abend- oder ein Tischgebet können feste, ritualisierte Elemente im Tagesablauf sein. Auch besondere Situationen wie eine bevorstehende Klassenarbeit, der Start in die Ferien oder auch eine Krankheit sind ein guter Anlass für ein gemeinsames Gebet.

Dabei gilt: Alles, was in der Familie geschieht, hat beim Beten seinen Platz. Alle Gefühle dürfen zur Sprache kommen. „Das Gebet ist ein Spiegel des Alltags“, schreibt Albert Biesinger. Was auf keinen Fall hilfreich ist, sind gedankenlos vorgetragene Formeln. Wenn Gebete nur abgespult werden und die Kinder keinen Bezug zu ihrem Leben sehen, verlieren sie die Lust daran: „Beten darf nicht zur lästigen Pflichtübung verkommen“, so der Religionspädagoge.  

Sprach-Gefühl

Ein Spiegel des Alltags – das gilt auch für die Art und Weise, wie die Betenden mit Gott Kontakt aufnehmen, wie sie mit ihm sprechen. Ob sie vorformulierte Gebete verwenden oder ihre Gedanken in eigene Worte fassen, ob sie alte, traditionelle Texte nutzen oder aktuelle.

„Ich glaube, dass man Kindern die klassischen christlichen Gebete durchaus zumuten darf“, sagt die Don Bosco Schwester Elisabeth Siegl, die im österreichischen Vöcklabruck in der Schulpastoral tätig ist. Auch, wenn die Mädchen und Jungen vielleicht nicht mit allen Wörtern etwas anfangen können, sei es doch hilfreich und schaffe Verbindung, auch die traditionellen Gebete wie das „Vaterunser“ oder das „Gegrüßet seist du, Maria“ zu kennen.

Wobei es dabei natürlich nicht bleiben darf. Gebete in einfacher, konkreter und altersgemäßer Sprache müssen sein. Angebote und Vorlagen gibt es eine ganze Menge in Büchern, Broschüren und im Internet. Auch besondere Formate wie die beliebten hölzernen Gebetswürfel können sich eignen. „Entscheidend ist, dass der Alltag der Kinder selbst zur Sprache wird“, ist Schwester Elisabeth überzeugt. Außerdem sollten Eltern immer prüfen, welches Gottesbild ein Text oder Lied vermittelt, und ob es dem Bild entspricht, das sie ihren Kindern mitgeben möchten: „Im Gebet geht es ganz stark darum, wie wir uns Gott vorstellen, denn entsprechend reden wir auch mit ihm.“

Einfach still sein

Auch ganz ohne Worte kann man beten. Einfach ein paar Minuten still sein und nachspüren, was im eigenen Leben passiert und was gerade wichtig ist. Und hören, was Gott sagen will. Neben einer solchen Zeit der Stille gibt es viele weitere Möglichkeiten, um die eigene Beziehung zu Gott zum Ausdruck zu bringen und sich im Gebet an ihn zu wenden, darunter Lieder, Bildbetrachtungen oder den Einsatz von Symbolen.

Theologin Schwester Elisabeth Siegl verwendet in ihrer Arbeit mit Schülerinnen und Schülern besonders gerne eine brennende Kerze. Das Licht sorgt für eine schöne Atmosphäre. Die Kinder dürfen die Kerze in der Hand halten und weitergeben. „Die Kerze steht für die Zusage, dass Gottes Licht auf uns scheint“, so die Don Bosco Schwester. „Beten heißt nicht nur, dass ich etwas sage. Gott sagt ja auch was.“ Auch für das Beten daheim bietet sich dieses Symbol sehr gut an.

Beten digital

Für Kinder und Jugendliche sind das analoge Leben und die digitale Welt kaum noch zu trennen. Die Grenzen verschwimmen, gerade für viele Teenager und junge Erwachsene sind Reales und Digitales eins. Eigentlich klar, dass Spiritualität und Beten auch in der digitalen Sphäre einen Platz haben müssen.

Wo der ist und wie er aussieht, weiß Salesianerbruder Mike Goldsmits. Der 40-Jährige leitet die offene Kinder- und Jugendarbeit des Ordens in der Villa Lampe in Heiligenstadt. Der Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz hätten sich zu dem Thema Gedanken gemacht und Angebote entwickelt, sagt Goldsmits, auch viele Ordensgemeinschaften und Bistümer probierten neue, digitale Gebetsformen aus.

Ein Beispiel ist die App „Click to pray“, mit der man sich dem weltweiten Gebetsnetzwerk des Papstes anschließen kann. Die User haben die Möglichkeit, die Gebetsanliegen von Franziskus zu unterstützen, erhalten Gebetsimpulse und können per Mausklick für die Anliegen anderer beten. Die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz hat im vergangenen Herbst eine App veröffentlicht: „Vocaris“ möchte jungen Menschen helfen, die eigene Berufung zu entdecken.  Angebote gibt es in den Bereichen Berufung, Engagement und Gebet.

Auch die Salesianer in Heiligenstadt haben schon gute Erfahrungen mit Gebetsformen in sozialen Netzwerken gemacht, berichtet Goldsmits, der auch für die Jugendpastoral in der Villa Lampe zuständig ist. An einer Gebetsaktion hätten sich viele Jugendliche beteiligt. Was früher das Anzünden einer echten Kerze am Marienaltar einer Kirche war, sei vergleichbar mit dem Anzünden einer virtuellen Kerze im Internet heute. „Die jungen Menschen haben schon noch das Bedürfnis, für eigene Anliegen und für andere zu beten“, so Goldsmits. „Sie würden es nur anders nennen.“

Wer jetzt allerdings denkt, er könne mit seinen heranwachsenden Kindern regelmäßige Online-Gebetsrunden veranstalten, sollte nicht zu hohe Erwartungen haben. Zum einen eignen sich die Angebote dafür nicht. Zum anderen tummeln sich Jugendliche gerade deshalb so gerne in speziellen Netzwerken, weil ihre Eltern dort nicht vertreten sind. Aber: Mal gemeinsam mit Sohn oder Tochter herausfinden, was es an Angeboten gibt, das könnte funktionieren.  

Was bringt‘s?

Das Beten in der Familie stärkt die Beziehung zu Gott. Darüber hinaus hat es eine ganze Reihe weiterer positiver Nebenwirkungen: Das gemeinsame Beten schafft Gemeinschaft und fördert die Verbindung innerhalb der Familie. Als festes Ritual ist es Teil eines strukturierten Tagesablaufs. Beten ermöglicht eine gemeinsame Zeit der Ruhe. Es weckt Dankbarkeit für Schönes und Mitgefühl für die Bedürfnisse anderer. Und es lädt dazu ein, regelmäßig die kleinen und großen Ereignisse des Familienalltags gemeinsam Revue passieren zu lassen.


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