Enge Beziehung

Trainings-Freundschaft unter Vätern

Kennengelernt haben sich die beiden über ihre Töchter. Heute gehen unser Autor Hannes Pernsteiner und sein Nachbar Martin regelmäßig zusammen joggen. Durch den gemeinsamen Sporttermin hat sich mit den Jahren eine tiefe Freundschaft entwickelt.

veröffentlicht am 13.03.2023

Ich zähle eher zu den schüchternen Typen, weshalb bei mir das Schließen von Freundschaften meist länger dauert. Auch mit Martin, einem um elf Jahre älteren Tischler aus der Nachbarschaft. Unsere Ehefrauen lernten einander am Spielplatz kennen, als sie mit den Töchtern dort waren. Diese wurden Kindergartenfreundinnen und drücken heute gemeinsam die Schulbank. Wir Väter tauschten lange nur „Hallo“ und Smalltalk aus – bis sich Martin vor fünf Jahren ein schweres Lungenleiden einfing und ich ihn im Spital besuchte. Er würde wieder gesund werden und ich dann mit ihm Laufen gehen, vereinbarten wir damals.

Beide hielten wir unser Wort. Samstags in aller Herrgottsfrühe, wenn daheim noch alles schlummerte, drehten wir fortan eine Acht-Kilometer-Runde. Für Martin war das Joggen Therapie, für mich als Bewegungsmuffel ein wöchentlicher Ausgleich zum ständigen Sitzen im Büro. Wir waren aufeinander angewiesen: Die Überwindung, auch bei noch anstehender Arbeit, Schlafdefizit, Nieselregen oder Schnee die Laufschuhe zu schnüren, wäre für jeden von uns allein schnell zu groß geworden. So aber blieb uns keine Ausrede, denn keiner wollte schuld am Ausfall unserer Sporteinheit sein.

Neue sportliche Grenzen ausloten

Das Training wirkte, denn von Mal zu Mal wurden wir besser. Zu zweit zu laufen spornte an und ließ neue Grenzen ausloten, hatten wir doch immer den anderen als Maßstab und Windschattenspender dabei. Auch als Schutzengel und notfalls als Sanitäter, was Sicherheit gab und alle Bedenken unserer Frauen zerstreute. Von Ehrgeiz gepackt, meldeten wir uns schon nach einigen Monaten für den Wien-Marathon an. Wenn auch nur in der Staffel und mit einem Ergebnis im Mittelfeld: Beim Zieleinlauf jubilierten wir wie Sieger. Es war ein tolles Gefühl.

Doch nicht der Sport oder die Gesundheit ließen uns bis heute durchhalten, sondern das, was sich als Nebeneffekt dazugesellte: Der Austausch von Mann zu Mann, meist schon auf der Strecke, spätestens aber beim langsamen Auslaufen auf dem letzten Kilometer und dann meist auch noch vor der Haustür. Erlebnisse der vergangenen Woche, Freudenmomente in der Familie, Herausforderungen in der Erziehung, Erfolge und Niederlagen von der Arbeit, offene Entscheidungen und Fragen – sich darüber mitzuteilen und Rückmeldung zu bekommen, lernten wir zu schätzen.

Jeder entscheidet selbst, wie viel er erzählen möchte

Einige nie ausgesprochene Regeln haben sich dabei eingebürgert und bewährt. Darunter etwa: Jeder entscheidet selbst, was und wie viel er mitteilen will, es gibt kein Nachbohren. Wir reden nicht schlecht über andere und meiden Tratsch. Wird einer dennoch zur Klagemauer des anderen, so hilft er ihm, nicht in der Verzweiflung stehen zu bleiben. Wir blicken auf das Gute, Wahre und Schöne, glauben an einen Sinn hinter den Dingen. Vor dem Reden denken wir ein wenig nach und halten es auch aus, nichts zu sagen – was beim Laufen ja kein Problem ist.

Fast immer gehen wir nicht nur verschwitzt, sondern auch ermutigt aus dieser Morgenstunde ins Wochenende. Wir schöpfen aus ihr Impulse für unsere Aufgaben als Ehemänner und Väter, erfahren Hilfe auch in den Zweifeln und Rückschlägen des Alltags oder bei eigenem Versagen. Schon das gemeinsame Lachen über unsere Fehler oder die gegenseitige Erinnerung daran, dass die schwierige Phase eines Kindes ja irgendwann zu Ende sein muss, ist Gold wert. Wie heißt es doch so schön: „Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selbst sagen.“ Jeder hat dem anderen so viel zu geben.

Auch die Familien sind befreundet

Förderlich ist diese Sport-Connection auch für die Freundschaft zwischen unseren Familien – die in den Jahren gewachsen ist. Für Martins Kinder bin ich sogar schon „Onkel Hannes“. Sie wirkt wie eine Ausfallsicherung, sollte einmal auf anderer Ebene etwas nicht rund laufen. Übernächstes Schuljahr wollen unsere Töchter gemeinsam ins Gymnasium gehen. Wir Väter werden weiter trainieren und dann wieder ganz neue Themen zu besprechen haben.


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