Kirche mitgestalten
Ministranten: Gemeinschaft im Dienst am Altar – und darüber hinaus
Sie haben vielfältige Aufgaben und bereichern das Leben einer Pfarrgemeinde. Ministrantinnen und Ministranten sind unersetzbar, findet der Magdeburger Diözesanjugendseelsorger Martin Pickel. Deswegen müssen sie auch gut begleitet werden.
veröffentlicht am 25.03.2024
Was macht einen guten Ministranten aus?
Für mich ist entscheidend, dass die Ministranten wirklich mit dem Herzen bei der Sache sind. Sie sollen nicht aus einem Automatismus heraus, Ministrant oder Ministrantin werden, nur weil sie bei der Erstkommunion waren und es nun vermeintlich an der Reihe ist, sondern sie sollen von sich aus Freude daran verspüren.
Wer kann alles mitmachen?
Normalerweise beginnt der Ministrantendienst nach der Erstkommunion, damit das Verständnis dafür vorhanden ist, was während des Gottesdienstes und der Eucharistiefeier geschieht. Hier in Aschersleben nehmen wir seit etwa zwei Jahren aber auch Kinder bei den Ministranten auf, die noch nicht bei der Erstkommunion waren, jedoch von sich aus eine große Motivation für diesen Dienst mitbringen – die nicht einfach nur bei den Eltern in der Bank sitzen, sondern ganz nah an dem dran sein wollen, worum es beim Gottesdienst geht. Die Jüngste, die wir einmal aufgenommen haben, war fünf Jahre alt.
Was haben die Kinder und Jugendlichen davon, wenn sie ministrieren?
Sie merken, dass sie Teil des Ganzen sind. Der Gottesdienst ist keine One-Man-Show des Priesters, sondern eine Feier der gesamten Gemeinde. Die Ministranten dürfen stolz sein, ein Teil davon zu sein. Außerdem schweißt das Ministranten-Sein zusammen. Ich merke immer wieder, dass unter Ministrantinnen und Ministranten eine Gemeinschaft entsteht, die oft ein Leben lang trägt.
Wie hoch ist die Bereitschaft, Ministrant oder Ministrantin zu werden? Gibt es da Schwankungen oder bleibt das relativ stabil?
Ich persönlich erlebe starke Schwankungen. Aus manchen Stadtpfarreien im Bistum Magdeburg weiß ich, dass es dort nur wenige Ministranten gibt. Manchmal gibt es zwar Ministrantengruppen, aber die Jugendlichen lassen sich nur schwer dazu animieren, sonntags im Gottesdienst zu ministrieren. In kleineren Gemeinden wie in Aschersleben oder Staßfurt hingegen stehen sonntags vier bis sechs Ministranten am Altar. Aber auch hier kommt es zu Schwankungen. In meiner Tätigkeit als Gemeindereferent in Aschersleben habe ich Zeiten mit Gruppen von 15 bis 20 Ministranten erlebt sowie Zeiten, in denen wir froh waren, wenn sonntags zwei Ministranten am Altar standen. Momentan kommen viele Mädchen, die mitmachen wollen.
Woher kommt es, dass es in den großen Stadtpfarreien schwieriger ist, Ministranten zum Sonntagsdienst zu animieren?
In den Großstädten gibt es mehr Möglichkeiten und Angebote, um seine Freizeit zu gestalten. Da werden andere Prioritäten gesetzt. In den ländlichen Regionen gibt es zwar auch den Karnevalsverein oder den Handballclub, aber dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit in kirchlichen Gruppen ist noch stärker ausgeprägt.
Wie sieht es in der Diaspora aus: Müssen sich Ministranten gegenüber ihren Freunden für ihr Engagement in der Kirche mehr rechtfertigen?
Ja, das höre ich immer wieder von den Mädchen und Jungen. Die Freunde können oft nicht verstehen, warum man sonntags extra früh aufsteht, um in die Kirche zu gehen. Ich hatte einmal einen Ministranten, der wiederum diese Reaktion seiner Freunde nicht verstehen konnte und zu mir sagte: „Martin, warum begreifen die das nicht? Das gehört doch zum Sonntag dazu, dass ich in den Gottesdienst gehe.“ Er war so perplex – und zwar aus tiefstem Herzen, dass ich für mich nur dachte, wie schön, dass viele Ministranten heute noch mit einer solchen Überzeugung dabei sind.
Wieso sind die Ministranten für die Gemeinden überhaupt so wichtig?
Ministranten helfen dabei, dass der Gottesdienst feierlicher wird, denn es macht einen Unterschied, ob der Priester allein aus der Sakristei kommt oder zwei bis sechs Ministranten mit ihm gemeinsam einziehen. Darüber hinaus stehen sie symbolisch für die ganze Gemeinde vorne mit am Altar und zeigen, dass der Gottesdienst uns alle etwas angeht, nicht nur den Priester. Wir alle dürfen unser Leben in den Gottesdienst miteinbringen.
Werden aus Ministranten später die treueren Kirchgänger?
Nein, das wiederum glaube ich nicht. Das kann in beide Richtungen gehen. Ich kenne zum Beispiel einen Oberministranten, der gerade gar nichts mehr mit Kirche zu tun haben möchte. Andere wiederum engagieren sich später im Pfarrgemeinderat oder entscheiden sich für einen kirchlichen Beruf als Gemeindereferent oder Pastoralreferentin. Das hat immer viel mit Beziehungen, Erlebnissen und persönlichen Begegnungen zu tun. Der Ministrantendienst ist da nur ein Baustein von vielen.
Hat sich der Ministrantendienst über die Jahre hinweg verändert?
In den wesentlichen Punkten nicht. Vieles, was ich schon in meiner Ministrantenstunde gelernt habe, gilt heute immer noch. So kleine Sätze wie „Zehn Minuten vor der Zeit ist des Ministranten Pünktlichkeit.“ haben sich zum Beispiel gehalten. Dadurch, dass sich die Abläufe in der Liturgie nicht groß verändern, können die Ministranten die Dienste unter sich von Generation zu Generation weitergeben. Sie können als Oberministrant beispielsweise Verantwortung übernehmen und die Kleinen anleiten.
Trotzdem gibt es über die Jahre hinweg gesehen natürlich ein paar wenige, wenn auch entscheidende Änderungen. Als ich selbst Ministrant war, durften noch keine Mädchen ministrieren. Das ist offiziell erst seit 1992 so, auch wenn in meiner Heimatgemeinde beispielsweise schon 1987 Mädchen mit am Altar standen. Eine zweite sozusagen aktuelle Änderung ist, dass vielerorts sonntags keine Eucharistiefeiern mehr, sondern Wort-Gottes-Feiern stattfinden. Oft werden die Ministranten hier miteinbezogen. Da gestalten sich die Dienste etwas anders und müssen in einer engen Absprache festgelegt werden.
Hat sich durch den Missbrauchsskandal etwas in der Ministrantenarbeit geändert?
Ja, denn viele hauptamtlich Mitarbeitende sind vorsichtiger, manchmal vielleicht sogar ängstlicher geworden. Ich persönlich erlebe gerade die Ministranten als eine Gruppe, die sehr offen miteinander umgeht. Da wird man zur Begrüßung schon einmal gedrückt. Ich frage mich dann oft, ob das noch erlaubt ist. Es ist gut, dass sich da etwas verändert hat und wir unser Verhalten mehr hinterfragen. Das muss sein. Aber wir müssen auch schauen, wie wir Beziehungen leben und für die Jugendlichen als offene Ansprechpartner da sein können.
Sie haben in verschiedenen Pfarreien Ministrantengruppen geleitet. Wie müssen Ministranten idealerweise begleitet werden?
Regelmäßig – das ist ganz wichtig. Man muss sich regelmäßig sehen, damit eine Beziehung entstehen kann und die Kinder und Jugendlichen merken, dass da jemand ist, auf den sie sich verlassen können und der zu ihnen steht, auch wenn einmal etwas schiefgeht.
Außerdem müssen sie spüren, dass ihr Dienst wertgeschätzt wird. Die Jungen und Mädchen investieren viel Freizeit für diesen Dienst. Nehmen wir als Beispiel Ostern: Da wird am Gründonnerstag vormittags geübt, Karfreitag, Karsamstag ... Mein alter Pfarrer hat immer gesagt, dass es jemanden braucht, der mit einem liebenden Herzen auf die Ministranten schaut. Dem stimme ich zu. Ministranten müssen auf ihrem Weg begleitet und ernst genommen werden. Und ein Satz ist in der Begleitung der Ministranten ebenfalls ganz wichtig: „Danke, dass ihr da seid.“
Auch Sie waren lange Ministrant. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Unheimlich schöne. Wir haben viel zusammen unternommen, waren Schlittenfahren, haben Tagesausflüge gemacht. Wir haben zusammen den Dachboden der Kirche aufgeräumt und haben uns auch außerhalb der Ministrantenstunde getroffen. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft und ich war stolz, zu dieser Gemeinschaft und zu meiner Kirchengemeinde dazuzugehören.