Wichtige Entscheidung

Wie Eltern ihre Kinder bei der Berufswahl unterstützen können

Bäcker, Juristin oder was mit Medien? Die Berufswahl gehört zu den wesentlichen Entscheidungen des Lebens. Unzählige Möglichkeiten stehen zur Verfügung. Umso wichtiger, dass Eltern ihre Kinder begleiten. Ann-Sophie Funk und ihr Vater Thomas erzählen.

veröffentlicht am 31.01.2021

Ann-Sophie ist 19 Jahre alt und besucht die Abschlussklasse eines Bonner Gymnasiums. Ihre Lieblingsfächer sind Deutsch, Biologie und Philosophie. Bis vor einer Weile hat sie intensiv im Ruderverein trainiert. Jetzt aber braucht sie alle Kraft für die Abi-Klausuren, denn die zielstrebige junge Frau mit dem blonden Pferdeschwanz überlässt nichts dem Zufall. Über ihren Wunschberuf denkt sie deshalb schon lange nach. Mit Hilfe ihres Vaters sucht sie seit eineinhalb Jahren nach einem passenden dualen Studium, das Praxis und Theorie verbindet.

Ann-Sophie hat Glück: Neben seiner vielseitigen, persönlichen Berufserfahrung bringt Thomas auch jede Menge Fachwissen mit. „Ich habe in meinem Leben vier Abschlüsse gemacht, zwei davon im Bereich Personalwirtschaft“, erzählt der 54-jährige Berufssoldat. Berufliche Bildung gehört dabei zu den Schwerpunkten des Betriebswirtschaftlers. Ein erster gemeinsamer Weg führt Vater und Tochter Anfang 2020 deshalb zur Berufswahlmesse ‚Einstieg‘. „Man sollte im Leben offen sein für Neues. Einfach mal hingehen und fragen. Dann öffnen sich Horizonte“, ist Thomas Devise.

„Meine Freunde sehen mich im Lehramt“

In den folgenden Monaten befasst sich Ann-Sophie mit verschiedenen Berufsprofilen. Ihr Vater steht ihr beratend zur Seite, spricht regelmäßig mit ihr über ihre Wünsche und Ideen und versorgt sie mit Infos. Schon bald kristallisiert sich bei ihren Treffen heraus, dass es die selbstbewusste junge Frau in den Verwaltungs- und Finanzsektor zieht. „Vor ein paar Jahren hätte ich das nicht gedacht. Mathe war früher gar nicht mein Fach. Das hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt“, sagt Ann-Sophie, die als Kind gerne Innenarchitektin geworden wäre. „Ich habe ‚Einsatz in 4 Wänden‘ mit Tine Wittler geliebt“, sagt sie lachend.

Heute gehen ihre Interessen in eine andere Richtung: „Ich organisiere gerne und kann gut strukturiert arbeiten“, zählt Ann-Sophie auf. Talente, die auch zu einer Grundschullehrerin passen würden. „Meine Freunde sehen mich alle im Lehramt, weil ich nebenbei Kinder betreue und auch Homeschooling mit ihnen mache“, sagt sie schmunzelnd. Sie streicht sich eine Strähne hinters Ohr, bevor sie klarmacht. „Ich mag Kinder, aber das wäre nie was für mich. Mein Vater kennt mich da besser.“  Der hat ihr im Laufe der Zeit den ein oder anderen Denkanstoß gegeben. Finanzbeamtin stand zwischenzeitlich ebenso im Raum, wie Gerichtsvollzieherin oder Juristin.

Nach einem erfolgreichen Praktikum in einer Bonner Steuerkanzlei ist dann klar: Ann-Sophie wird Steuerberaterin. „Ich habe zwei Wochen dort gearbeitet und dann hat man mir einen Ausbildungsplatz angeboten“, freut sie sich. Der Plan steht. Nach dem Abitur wird sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten absolvieren und parallel in Köln Steuerrecht studieren. Danach kann sie einen Master und später auch das Staatsexamen machen. Kein leichter Ausbildungsweg, der da vor ihr liegt. Die Durchfallquote ist hoch. Aber Ann-Sophie ist optimistisch. „Wenn man es wirklich will, kann man es auch schaffen.“

Was sie anfängt, soll sie zu Ende bringen

Steuerberaterin! Was für die einen trocken klingen mag, ist Musik in den Ohren der beiden Bonner. Ein sicherer Job in einer Branche, die nicht überlaufen ist. Gute Bezahlung, Homeoffice-Möglichkeiten und Kompetenzen, die man trotz Digitalisierung auch in Zukunft brauchen wird. Ihren Ausbildungsvertrag hat Ann-Sophie trotzdem erst nach einer Woche Bedenkzeit unterschrieben. „Eigentlich wusste ich schon, dass ich es machen will, als ich aus der Tür ging. Aber ich wollte meine Erfahrungen nachwirken lassen und in Ruhe entscheiden.“ Genau richtig, wie ihr Vater findet, denn: „Wenn Ann-Sophie etwas anfängt, soll sie es auch zu Ende bringen.“

Genau darüber macht sich seine Tochter Gedanken. „Meine Sorge ist, dass ich nach zwei Jahren feststelle, der Beruf ist nichts für mich.“ Abbrechen würde sie nur, wenn es gar nicht anders geht. „Da müsste schon wirklich viel passieren.“ Für ihren Vater ist diese Einstellung Gold wert. „Mit einer abgebrochenen Ausbildung steht man gegenüber einem neuen Ausbildungsbetrieb schlechter da. Deshalb muss man sich das gründlich überlegen. Lieber Zähne zusammenbeißen und durch. Dann hat man einen Berufsabschluss in der Tasche und kann immer noch etwas anderes lernen.“

Die meisten Eltern wünschen sich ein sicheres berufliches Fahrwasser für ihre Kinder. Nicht umsonst stehen Ärzt*innen, Ingenieur*innen und Informatiker*innen in der weltweiten Berufswunschliste von Eltern ganz oben. Sicherheit verspricht auch das, was sie selbst kennen. So wünschen sich Akademiker für ihr Kind häufig ein Studium. Eltern, die eine Ausbildung absolviert haben, sehen den Hochschulbetrieb dagegen eher skeptisch.

„Beruf kommt von Berufung“

Das alles kann man nachvollziehen, schließlich wollen Eltern für ihre Kinder nur das Beste. Und doch ist es wichtig, jungen Menschen die Freiheit zu lassen, ihre eigene Wahl zu treffen. Thomas freut sich über die Entscheidung seiner Tochter, hätte sie aber auch auf anderen Wegen unterstützt. „Jeder muss für sich und sein Leben das finden, was er braucht. Welchen Beruf ich ergreife ist eine ganz individuelle Entscheidung“, sagt er und unterstreicht seine Worte mit den Händen. „Die innere Motivation spielt dabei eine große Rolle. Beruf kommt schließlich von Berufung.“

Für Ann-Sophie bedeutet Berufung, sich morgens auf die Arbeit zu freuen, Spaß an dem zu haben, was man tut und sich im beruflichen Umfeld wohlzufühlen. Geht diese Rechnung nicht auf, hat man heute viele Möglichkeiten. „Jeder Beruf kann ein Ausgangspunkt sein, um sich weiterzuentwickeln oder neu zu orientieren. Wir wissen nicht, was uns die Welt von morgen an Werten, Politik und Systemen zur Verfügung stellt. Wichtig ist, dass wir unsere Chancen erkennen und nutzen“, macht Thomas deutlich und Ann-Sophie ergänzt: „Ich weiß nicht, ob der Weg, den ich jetzt einschlage, meine Berufung ist. Aber ich werde es herausfinden.“

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